Dass die in einer amerikanischen Militärbasis in Berlin geborene und im US-Bundesstaat Maine aufgewachsene Sängerin/Gitarristin Kirsten Thien über eine große Stimme verfügt, wusste ich spätestens, seit ich ihr Album Delicious vor zwei Jahren besprochen habe. Außerdem zeigte dieser Longplayer das unglaubliche Talent der Lady in Sachen Songwriting, bei dem sie ihre Liebe zur Soul Music und vor allem zu den alten Blueslegenden perfekt einarbeitete und die Songs sehr emotional rüberbrachte. Leider kenne ich die ersten beiden CDs der zierlichen, rothaarigen Shouterin nicht, aber allein "Delicious" erweckte mein Interesse, Kirsten Thien und ihre Band mal live auf der Bühne zu erleben, denn nicht umsonst haben schon Leute wie Hubert Sumlin mit ihr zusammengearbeitet.
Und nun war es soweit. Für diesen Donnerstagabend war die Gruppe, in der sich mit Eric Boyd am Bass und dem Gitarristen David Patterson zwei Musiker befinden, die das letzte Album im Studio mit eingespielt hatten, in der Bluesgarage angesagt. Henry weiß eben, was gut ist, obwohl ein Gig mitten in der Woche für einen hierzulande noch relativ unbekannten Act vielleicht nicht ganz das Optimale ist. So war das anwesende Publikum doch recht überschaubar, was aber keinesfalls bedeuten soll, dass keine Stimmung aufkam. Im Gegenteil: Diese freundliche, äußerst sympathische Frau wirkte mit ihrer guten Laune so richtig ansteckend, sodass sich ganz schnell ein fast herzliches Verhältnis zwischen Musikern und Zuhörern einstellte.
Es waren also ideale Voraussetzungen für ein gutes Konzert gegeben, und die knapp zwei Stunden boten dann genau das, was ich erwartet hatte. Eher sogar noch mehr, denn das Quartett spielte weitaus rockiger und zupackender, als man es nach den Studioaufnahmen erwarten durfte. Auch stand der Blues ganz klar im Mittelpunkt der Show, was mir als Liebhaber des 12-Takters nur recht sein konnte. Doch zunächst gab es zur Einstimmung mit dem Titelsong des letzten Albums etwas Rockiges auf die Lauscher. Und schon hier bestach die Band durch ein tolles Zusammenspiel. Und David Patterson bekam seinen ersten spontanen Zwischenapplaus. Und das sollte sich im Laufe des Abends noch einige Male wiederholen, denn ein ums andere Mal glänzte er durch starke Soloeinlagen an der Lead- und Slide-Gitarre.
Kirsten Thien unterstützte ihn dabei perfekt auf der Akustischen und schulterte auch öfter die E-Gitarre, was besonders bei den Slow Blues-Songs im Stile von Freddie King sehr gut rüberkam. Überhaupt musste man feststellen, dass die komplette Band ein ganz starkes Einfühlungsvermögen an den Tag legte. Alle vier Musiker lebten den Blues voll aus und rissen die Akkorde nicht einfach nur so runter.
Am stärksten wirkte die Band immer dann, wenn sie sich in die Tiefen des Country Blues herabließ. Hier überzeugte Kirsten Thien durch ihr starkes Gitarrenspiel und die extrem einfühlsame Stimme. Bestes Beispiel dafür war der Ida Cox-Song "Wild Women Don't Have The Blues" aus dem Jahr 1924. Für mich eines der Highlights des ganzen Abends.
So zogen sich die blaublütigen Sounds durch die komplette Show, wobei die ganze Vielseitigkeit dieser Musik aufgezeigt wurde. Ausdrücklich möchte ich hier die Blues-Balladen erwähnen, die Kirsten Thien, teilweise ohne ihre Gitarre, herrlich emotional und tiefgehend sang. Das war dann die Zeit, in der sich mal wieder unweigerlich eine Gänsehaut einstellte. Diese ausdrucksstarken Vocals brauchten eigentlich fast gar keine Begleitung. Schade war nur, dass mal wieder einige Leute im Saal waren, die gerade bei diesen Parts durch ihr ständiges Gelabere auffielen und so einiges an Stimmung kaputt machten. Warum bleiben diese Labertaschen nicht einfach zuhause und schieben eine CD in den Player? Damit wäre allen mit Sicherheit geholfen, und die Musik-Interessierten könnten sich ungestört auf die Sounds konzentrieren.
Als letzten Titel des regulären Sets gab es dann noch ein ganz anderes Gesicht der Kirsten Thien Band zu bestaunen. "Got Outta The Funk Got Into The Groove" war angesagt. Wie der Titel schon verspricht, war nun lupenreiner Funk das Thema, an dem wohl auch Joyce Kennedy ihre helle Freude gehabt hätte. Und diesen treibenden Song nutzte Kirsten, um ihre Mitmusiker ausführlich vorzustellen, wobei jeder der drei zu einem Solo aufgefordert wurde und dieser Bitte natürlich auch sehr gerne nachkam. Nebenbei bemerkt: Eric Boyd hatte im Verlauf des Abends gleich dreimal Gelegenheit, die vier dicken Saiten zum Glühen zu bringen, was er sehr souverän, teilweise unter Einsatz einer Flasche auf dem Griffbrett, sehr gern wahrnahm. Logisch, dass dieses Stück immer wieder mit kräftigem Zwischenapplaus ergänzt wurde.
Im Zugabenteil gab es dann noch mal einen Höhepunkt. Neben Muddys "Got My Mojo Working" stimmte der Vierer noch ein Medley, bestehend aus dem Bill Withers-Klassiker "Ain't No Sunshine" und B.B. Kings "The Thrill Is Gone", an, bei dem mir fast der Mund offen stehen geblieben wäre. Noch nie habe ich eine packendere Version dieser beiden Titel gehört, bei der auch jeder Musiker noch mal zu Soloeinlagen kam und Kirsten Thien ein weiteres Mal über sich hinauswuchs. Hier gab sie noch einmal alles, was drin war und zog damit auch den Letzten aus dem Publikum auf ihre Seite. Wahrscheinlich haben sogar die ewig Quatschenden dabei mal kurzfristig die Klappe gehalten. Aber bestätigen kann ich das nicht, denn dazu war ich viel zu sehr mit der Interpretation dieses Titels beschäftigt…!
Line-up:
Kirsten Thien (vocals, acoustic-, rhythm guitar)
David Patterson (lead-, slide guitar, backing vocals)
Erik Boyd (bass, backing vocals)
Christophe Gaillot (drums)
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