
Der Auftritt der
Marius Tilly Band im blues, Rhede eröffnete den Konzertreigen für das Jahr 2014. Mit einer kurzen Pause von einer Viertelstunde gab es am Ende des Gigs ausschließlich zufriedene Gesichter. Das Trio hatte sich definitiv eine Schar neuer Fans erobert. Wie sich diese drei jungen Männer den Blues vorstellten und dem Publikum präsentierten, war eine rundum überzeugende Leistung. Auch wenn
Marius Tilly mit seinen feurigen Fretboardfahrten im Fokus des Interesses stand, hatte die agile Rhythmusabteilung mit dem Bassisten
Benjamin Oppermann sowie
Maximilian Wastl am Schlagzeug enorme Räume, um sich mit Soli beziehungsweise gemeinsamen Aktionen im Gedächtnis der Zuschauer festzusetzen. Die Liste der servierten Songs war lang und man fuhr schon durch die Mischung von Eigenkompositionen des Albums
Blue Colors, Red Lights als auch Coversongs Pluspunkte ein. Nach einem herrlich schwebenden Intro setzte "Fool For You" gleich zu Beginn Maßstäbe und die Messlatte wurde schon in höheren Bereichen platziert. Der Gitarrist gab eine erste, sehr feine Kostprobe seiner beseelten Fingerfertigkeit ab und bereits zum Start des Konzerts hieß es dann "Stop". Der Bass pumpte ordentlich, das Schlagzeug sorgte für einen zündenden Groove und mit dieser Nummer zogen die jungen Wilden ganz klar den Hut vor den Sechzigerjahren.

Die Groove-Flexibilität und –Vielfalt war eine wahre Ohrenweide. Was der Tiefton-Spezialist und der dynamische Schlagzeuger an rhythmischen Fundamenten gossen, war ein ums andere Mal ein Genuss für die Sinne und Nerven der Anwesenden, denn die Fußwippe hatte hier Dauereinsatz. Mit "Sometimes" besaß die
Marius Tilly Band einen echten Trumpf im Ärmel. Live kam der Track noch besser rüber, als auf dem Tonträger. Für seine rote Gitarre wählte der Frontmann sehr unterschiedliche Umgangsformen. In den balladesken Momenten streichelte er förmlich die Saiten und wenn der Zwölftakter rockte, dann sorgte er auch für heftige Betriebsamkeit auf dem Griffbrett. Man konnte, im positiven Sinn natürlich, auch von Ellbogenmentalität sprechen, denn mit seinen Soli zwischen luftigem Flair und der Nähe zu einem ausbrechenden Vulkan lag bei
Marius Tilly alles im Bereich des Möglichen. Dabei hatte der Bandleader in den beiden anderen Musikern kongeniale Partner.
Marius Tillys Stimme ist mit vielen Wässerchen gesegnet und so wie sein ausdrucksstarkes Gitarrenspiel ist es auch mit dem Gesang. Die Flexibilität reicht von sanft bis rau und phasenweise erinnert er einen an
Aynsley Listers Stimme.

Allerdings sollte ein solcher Vergleich in keiner Weise die Leistungsfähigkeit des Dreiers schmälern. Nach einiger Zeit fragte sich der Beobachter, warum sich beim Gitarristen auf dem Boden überhaupt ein Wah Wah-Pedal befand. Als es schließlich zum Einsatz kam, war "Purple Haze" von
Jimi Hendrix angesagt. Okay ... schon zigmal interpretiert und gehört – sowohl auf Konserve als auch live. Bereits der Anfang dieser Session ließ einen die Ohren spitzen. Was war das denn? Wie von den Flügeln eines Adlers angetrieben, hielt man den Song zunächst in einem wunderschönen Schwebezustand. Was sich dann mit kleinschrittigem Anstieg der Dynamik sowie Intensität entwickelte, hatten selbst anwesende, eingefleischte Konzertgänger noch nicht erlebt. Die
Marius Tilly Band entfachte ein loderndes Feuer, die musikalischen Flammen züngelten mit Genuss an den Trommelfellen der Anwesenden und bei dieser exquisiten Interpretation war nicht nur die Farbe Violett vertreten. Von schwarz über lila oder pink bis hin zu rot war die kreierte Psychedelic gigantisch bunt. Was hätte sich entwickelt, wenn zufällig ein
Eddie Turner auf die Bühne gehüpft wäre, um mitzumischen? Auch bei anderen Coversongs, wie zum Beispiel "Can't Buy Me Love" von den
Beatles begab man sich ganz tief in einen individuellen Interpretations-Modus. Die
Marius Tilly Band hatte ein sehr persönliches Verständnis vom Erbe der Musik. Bei dieser an den Tag gelegten Eigenwilligkeit könnte der Schuss auch nach hinten losgehen. Aber nicht bei diesem Trio und seinem infernalischen Endspurt bei diesem Song!

Der
B.B. King-Nummer "Nightlife" gab man ebenfalls eine persönliche Note, allerdings mit einem vernünftigen Respekt vor dem Blues-Mann. Selbstredend war in der Zugabe das unter anderem durch
Ray Charles bekannte "I Don't Need No Doctor" von vielen eigenen Ideen erfüllt. Wenn weiter oben von der guten Mischung die Rede war, dann traf dies auch auf die Zeitschiene der Band und ihren Eigenkompositionen zu. Einerseits gab es ziemlich neue Songs wie das funkige "Headaches" zu hören, andererseits war der Dreier beim Aufräumen wohl auf ältere Songs gestoßen. So war der Kracher "Spooky Duke" nicht nur knackig-rockend, sondern brillierte oben drauf auch noch mit einer psychedelischen Tiefenwirkung. Klasse! Wie ein roter Faden zog sich ein anderes Phänomen durch mehr als zwei Stunden Livemusik. Der Funk hatte eine vielschichtig-interessante Ausprägung. Was "Sometimes" stellvertretend für einen Hammer-Groove war, standen auf der anderen Straßenseite "Mr. Mule" oder "Stop" mit ihrer Melodie-Verliebtheit. Zwischen einem Blues Rock an der Grasnarbe und berauschend-psychedelischen Höhenflügen bediente das Trio viele elektrisierende Zonen und ganz unterschiedliche Gefühle. Am nächtlich-wolkenlosen 12-Takter-Himmel leuchtet ein neuer Stern. Zumindest aus meiner Sicht. Die
Marius Tilly Band beeindruckte mit diesem Konzert nachhaltig.