»...und du hast die Reise ins Jenseits vielleicht schon gebucht...« sang der selige Rio Reiser mal in einem alten Scherben-Song. Jenseits? Och neee, dann doch lieber mal wieder einen ausgiebigen Ausflug in andere Welten, andere Dimensionen, ins weite Unbekannte, das große, endlose Nichts, ohne Anfang, ohne Ende, kein Gestern, kein Morgen, federleicht, schwerelos...
Der Engländer Nik Turner war Gründungsmitglied und bis zu seinem Rauswurf (im November 1976) bei der der Space Rock-Legende Hawkwind (Co-) Songwriter und einer der führenden Köpfe der Band. Im Jahr 1978 folgte ein erstes Soloalbum, bevor er von 1982 - 84 zu seiner Stamm-Band zurückging. Allerdings nur, um nach etwa 24 Monaten ein zweites Mal gefeuert zu werden. Seither gab es eine Menge an weiteren Solo-Outputs, die sich aber verstärkt in Richtung Jazz und Fusion bewegten sowie viele Kooperationen und Gastbeiträge auf Alben anderer Bands und Musiker.
Und jetzt, im Jahr 2013 bringt Nik Turner "Space Gypsy" auf den Markt und transportiert uns damit so zirka genau vierzig Jahre zurück in die Vergangenheit sowie mitten hinein in den Hawkwind-Kosmos des Jahres 1973. Ob dies nun positiv oder negativ zu bewerten ist, darüber mag sich jeder seine eigene Meinung bilden, aber im Prinzip hätten auch alle hier versammelten Tracks auf Alben wie Doremi Fasol Latido (1972), "Hall Of The Mountain Grill" (1974) oder "Warriors On The Edge Of Time" (1975) stehen können. Das Spacige ist da, der Rock ist da und natürlich auch Turners erkennbare, wenn auch nicht mehr ganz so präsente bzw. kraftvolle Stimme.
Selbstverständlich ebenfalls sein nach wie vor sehr gutes Saxophon- und Flötenspiel. Darüber hinaus konnte er sich die Dienste des (scheinbar zurzeit) allgegenwärtigen Jürgen Engler sowie der Kollegen Jeff Piccinni, Nicky Garratt und Jason Willer sichern. Sein alter Freund Steve Hillage und auch der alte Hawkwind-Kumpan Simon House brachten sich mit Gastbeiträgen ein.
Das Raumschiff des vorfreudigen Hörers hebt bereits bei "Fallen Angel STS-51-L" in unbekannte Weiten ab. Nik Turner war schon mal an diesem Ort, was aber überhaupt nicht stört, da er sich mittlerweile bestens dort auskennt und seine Kunde mit gelassener Routine - ohne dabei langweilig zu sein - weitergeben kann. Bei "Joker's Song" bleiben wir in derselben interplanetarischen Kosmos-Kneipe hängen. Nicht nur, weil es dort einfach richtig schön ist, sondern auch, weil da ein verdammt guter Holzblas-Instrumentalist am Werk ist, der dazu seinen passablen Gesang gut in die gerade dargebrachte Polka einbringen kann.
Es bimmelt, zirpt und tüteli-tüt an allen Ecken und Enden und die Space-Party ist in vollem Gang. Major Tom liegt bereits unter dem Tisch, Captain Kirk liebäugelt mit einem fünfäugigen Wesen vom Planeten Delta 7, während Mr. Spock gerade ein neues, siebenstöckiges Schachbrett erkundschaftet.
Lt. Uhura versucht (lysergic acid diethylamide-verstrahlt) die Verbindung zu halten, indessen Scotty dem verwirrten 'Thin White Duke' (ein ehemaliger im Weltraum Verirrter) und seinem Zwilling Tom Schilling mit einer neuen Flasche Scotch wieder auf die Sprünge helfen will und der etwas verstockte Dr. 'Pille' McCoy einen siebenschwänzigen Lüstling vom Planeten Gamma 2 in die Schranken zu weisen bzw. ihn in Richtung des Japaners Sulu zu dirigieren versucht.
Mr. Chekov hält sich indessen an seinen schnell schwindenden Vorräten von 'Captain Abend'-Rum-Flaschen fest, die (selbstverständlich) als russischer Vodka getarnt sind, um nicht entlarvt zu werden. Alles, durch die Bank hoffnungslose Versuche, aus denen wir uns jetzt auch auszublenden versuchen...
Aber Spaß mal ganz beiseite, Nik Turners "Space Gypsy" ist ein richtig gutes Album. Es wäre ein fantastisches geworden, wenn nicht alles, was hier dargeboten wird, als Blaupause schon mal in seiner Vergangenheit da gewesen wäre. Nix Neues gibt es also nicht, was aber nichts von der wirklich guten, hier enthaltenen Musik wegnimmt. Der Gesang klingt (was in der Natur der Sache liegt) nicht mehr wie von einem Dreißigjährigen, aber davon abgesehen gibt es jede Menge intergalaktische Tonregulierungen, fremde Wesen, explodierende Sonnen, sich transferierende Körper und richtig gute Songs zu entdecken.
Nik Turner ist mit "Space Gypsy" zu seinen Hawkwind-Wurzeln zurückgekehrt und hat das sogar richtig gut gemacht. Über fünfzig Minuten kerniger Space Rock wird hier auf dem Silber-Tablett präsentiert. Hätten Hawkwind genau mit diesem Album nach "Warriors On The Edge Of Time" weitergemacht, wäre der damals anfängliche Absturz vielleicht aufzuhalten gewesen.
Line-up:
Nik Turner (flute, saxophone, vocals)
Jürgen Engler (guitars, Moog, synthesizers, mellotron)
Jeff Piccinni (bass)
Jason Willer (drums & percussion)
Nicky Garratt (guitars)
With:
Simon House (violin - #3,5,8)
Steve Hillage (guitars - #8)
Chris Lietz (additional mellotron)
Tracklist |
01:Fallen Angel STS-51-L
02:Joker's Song
03:Time Crypt
04:Galaxy Rise
05:Coming Of The Maya
06:We Ride The Timewinds
07:Eternity
08:Anti-Matter
09:The Visitor
10:Something's Not Right (Bonus Track)
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