Wer sich irgendwann einmal mit Folk Rock beschäftigt hat, wird unweigerlich auf Richard Thompson gestoßen sein. Dem Briten schlägt eine fast schon heldenruhm-mäßige Verehrung entgegen, ob als Gitarrist (All Time-Top 20 des Rolling Stone) oder ob seiner Rolle als Inkarnation des Troubadours. Er wird auch als beständiger Neuerer der musikalischen Tradition seiner Heimat gefeiert. Zu Auszeichnungen der kommerziellen Musikwelt in so ziemlich allen Bereichen kommen auch noch wissenschaftliche Ehrentitel und Berufungen. Eine Auflistung dazu findet sich auf seiner Homepage, die wir uns deshalb ersparen können.
Dass der andere Eintrag in unserem Künstler-Verzeichnis ebenfalls eine Video-Konzert-Aufzeichnung (von der Mountain Stage) betrifft, ist reiner Zufall, dort ist Thompson jedoch als Solist zu sehen. Insofern können wir eine andere Seite dieses großen Musikers vorstellen, dessen Songs hier natürlich noch viel farbiger glänzen. Im ersten Teil spielt die Band die Titel aus Thompsons letztem Solowerk "Dream Attic" in gleicher Abfolge, wobei lediglich "Crimescene" und "Bad Again" fehlen. Das Line-up dieser Produktion ist übrigens auch identisch mit der Band im Film, also bestens eingespielt. Ab Nr. 12 folgt eine Auswahl aus seiner langen Karriere (scherzhaft »our Best of« angekündigt), die eine seit gloriosen Fairport Convention-Zeiten von 1968 bis heute kaum noch überschaubare Anzahl von Veröffentlichungen umfasst. Als Zugabe wurden zwei Solo-Stücke vom Cambridge Folk Festival von 2011 angefügt.
Seit 1994 gibt es das Festival "Celtic Connections" in Glasgow, das sich mittlerweile zum größten für Keltische Musik und Kultur im Winterhalbjahr in Schottland entwickelt hat. Rund 300 Einzel-Events in 18 Tagen bieten ein breites Spektrum. Vor einem Jahr waren Thompson und Co. dort zu Gast, das Konzert in der Royal Concert Hall wurde komplett mitgeschnitten und ist auch noch als Blu-ray-Disc erhältlich.
Der heute Zweiundsechzigjährige war schon immer ein Meister des Purismus und bestreitet einen Großteil seiner Auftritte ohne Begleiter. Wie sehr er allein mit seiner markanten, aber keineswegs besonders melodischen Stimme und seinem virtuosen Gitarrenspiel die Fans begeistert, wird auf dem Bonusmaterial deutlich. Thompson hat einfach derartig musikalische Präsenz und Charisma, dass er das riesige Zelt problemlos in seinen Bann schlägt. Ein entscheidender Faktor ist WAS er singt. Seine Texte sind voll bissiger Ironie, haben aber auch gleichzeitig Volksliedcharakter, wie beim vielkehlig intonierten Schlusssong "Johnny's Far Away" klar wird.
Für diejenigen, die nicht so firm mit der englischen Sprache sind, ist der Zugang sicher etwas weniger einfach, deswegen tritt er auch vorzugsweise in anglophonen Ländern auf. Und dort hat er dann fast überall ein 'Heimspiel', so groß ist seine Popularität. Für den rockorientierten Musikfan hiesiger Herkunft wird natürlich ein Gig mit Band kompatibler und deshalb bereitet auch diese DVD mit dem maßgeblichen Mitschnitt vom Celtic Festival bei fast zweieinhalb Stunden Spielzeit keine 'Verständnisprobleme'. Im Gegenteil, die Richard Thompson Band rockt und zwar sehr variabel. Das liegt nicht nur an der Besetzung, in der Pete Zorn ein ganzes Arsenal an Zupf- und Blasinstrumenten bedient. Das Repertoire reicht vom traditionellen britisch-keltischen Folk Rock über straighten Rock bis zu Rock'n'Roll, World Music und jazzigen Stücken. Thompson spielt meist die Stratocaster und wechselt nur für ein paar Stücke zur Akustischen. Sein enormes Können auf beiden Instrumenten zeigt sich selten in Frickeleien, sondern in brillanter Technik in unterschiedlichsten Stilistiken. So richtig 'zur Sache' geht's dann bei "Can't Win", bei dem die Band unter Volldampf abrockt und auch Thompson seine türkisfarbene Fender mit minutenlangen Läufen bearbeitet. Gegen Ende des Konzerts kommen die zumeist schon älteren Herren dann auch deutlich aus der Reserve und zeigen bei verschiedenen Soloeinlagen ihr Können. Lediglich der etwas Hobbit-mäßig wirkende Joel Zifkin mit seiner extravaganten E-Geige verzieht kaum eine Miene. Zwischen den Songs zeigt sich der Meister sehr locker und kommentiert mit viel britischem Humor diverse Zwischenrufe.
Sound- und Bildqualität lassen keine Wünsche offen, mit der Totalen wird auch immer wieder die beeindruckende und in angenehmes Licht getauchte Kulisse der ausverkauften Music Hall einbezogen. Ebenso die Fans, die in ihren Stuhlreihen mitgrooven und zum Schluss stehend applaudieren. Lediglich die fest installierten Spotkameras auf die einzelnen Künstler waren schlecht platziert. Sie zeigen die Gesichter frontal mit den dicken Mikrophonen mittendrin. Gut, so sieht man den immer grinsenden, weil schiefen Mund des Frontmanns nicht allzu oft. Auch die diversen Ständer stören mitunter bei den Nahaufnahmen. Aber das sind nur Kleinigkeiten, die den insgesamt sehr guten Eindruck dieses Konzertmitschnitts auf Video kaum schmälern. Das 8-seitige Booklet bietet Infos über Thompson und die Produktion. Und die ist absolut gelungen!
Line-up:
Richard Thompson (vocals, guitars)
Michael Jerome (drums, percussion, backing vocals)
Taras Prodaniuk (bass, backing vocals)
Pete Zorn (guitars, flute, sax, mandolin, backing vocals)
Joel Zifkin (violin, mandolin)
Tracklist |
01:The Money Shuffle
02:Among The Gorse, Among The Grey
03:Haul Me Up
04:Burning Man
05:Here Comes Geordie
06:Demons In Her Dancing Shoes
07:Big Sun Falling In The River
08:Stumble On
09:Sidney Wells
10:A Brother Slips Away
11:If Love Whispers Your Name
12:The Angels Took My Racehorse Away
13:Can't Win
14:One Door Opens
15:Al Bowlly's In Heaven
16:I'll Never Give It Up
17:Wall Of Death
18:Tear Stained Letter
19:Take Care The Road You Choose
20:A Man In Need
21:Uninhabited Man
22:Johnny's Far Away
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