Langes Konzert-Wochenende in der 'Bluesgarage' Isernhagen. Clubchef Henry Gellrich und seine Crew feierten das siebenjährige Bestehen des Kultladens mit gleich drei Acts an drei Abenden hintereinander. So war es für mich gar nicht so einfach, den passenden Gig für RockTimes auszusuchen. Den Ausschlag für meine Entscheidung gab schließlich Kommissar Zufall, denn noch während ich hin und her überlegte, was denn nun das Richtige wäre, flatterten mir die restlichen Tourdaten von Chris Farlowe auf den Tisch, der auch in der engeren Wahl stand. Und siehe da, die 'Stimme von Colosseum' trat noch einmal in meiner unmittelbarer Nähe auf. (Konzertbericht natürlich auch in RockTimes!)
So fiel meine Wahl auf Robin Trower, einem Gitarristen, der in fast vierzig Jahren Rockmusikgeschichte geschrieben hat. Zu ersten Erfolgen kam er als Mitglied von Procol Harum an der Seite von Gary Brooker und Matthew Fisher. Ab 1971 begann er unter seinem eigenen Namen eine lange Solokarriere, bei der er sich aber zunehmend an härtere Sounds heranwagte. So entstanden im Laufe der Jahre fünfundzwanzig Alben, mit denen er sich eine feste Fangemeinde aufbaute. Besonders aktiv zeigte er sich in jüngster Vergangenheit und veröffentlichte kurz nacheinander die Live CD/ DVD "Living Out Of Time", aufgenommen für den 'WDR Rockpalast' und das Studioalbum Another Days Blues, bei dem es für Robin Trowers Verhältnisse relativ ruhig zuging. Und gerade diese Tatsache weckte mein Interesse. Ich war auf die Mischung aus hartem Rock und getragenem Blues sehr gespannt, zumal mich auch der aktuelle Sänger Davey Pattison auf der letzten CD stark beeindruckt hatte.
Doch noch war es nicht soweit. Zunächst enterten Matcho Herzstein (vocals) und Mutz Hempel (guitar & vocals) die Bühne. Unter dem Namen M & M Unplugged Dreams haben sich die beiden Musiker aus Celle durch zahlreiche Auftritte regional schon einen guten Namen gemacht und bekamen nun die Chance, sich dem musikkundigen 'Bluesgaragen'-Publikum vorzustellen. In ihrem recht vielseitigen Set verarbeiteten sie neben Irish Folk-Titeln, teilweise aus eigener Feder, auch mehrere Rock-Klassiker in sehr interessanten akustischen Versionen. So wurde Nazareths "This Flight Tonight" ebenso wie "Take It Easy" von den Eagles dargeboten und selbst Bon Jovi musste dran glauben, denn auch "Livin' On A Prayer" schallte aus den Boxen.
Vor allem stimmlich konnten die Zwei voll überzeugen. Sowohl einzeln als auch in den Harmoniegesangsparts gab es nichts zu bemängeln. Da passte einfach alles zusammen. Den Vogel schossen M & M Unplugged Dreams aber ganz zum Schluss ab. AC/DC ließen mit "Shock Me All Night Long" grüßen, und dabei traute ich meinen Ohren kaum. Unfassbar wie man die Vocals der australischen Schreihälse so perfekt imitieren kann. Insgesamt lieferten M & M einen sehr guten Auftritt ab, obwohl ich mir bei dem einen oder anderen Song noch eine zweite Gitarre dazu gewünscht hätte.
Punkt 22.00 Uhr. "Jessica" von den Allmans dröhnt aus der Anlage, untrügliches Zeichen, dass der Hauptgig beginnen soll. Also schnellstens die Kamera entsichern und sich vor dem Bühnenrand postieren, denn schließlich sind die RockTimes Leser eine exklusive Fotoberichterstattung gewohnt. Direkt vor mir schultert ein alter Mann seine Klampfe. Donnerwetter, da hat der Zahn der Zeit aber schon ganz gewaltig zugeschlagen. Henrys Ansage kommt, wie immer kurz und bündig, und dann hallen die ersten Sounds aus den Marshalls. Da bahnt sich aber ein ganz gewaltiges Gitarrengewitter an. Doch ganz schnell verfliegt meine Euphorie wieder. Kaum setzt der Rest der Band zum ersten Zusammenspiel ein, da höre ich, dass ich eigentlich gar nichts höre. Was für ein Soundbrei! Manchmal weiß ich wirklich nicht, was in den Soundmixern so vor sich geht. Der Leadgesang von Davey Pattison ist gar nicht zu hören, da kann er sich anstrengen wie er will. Pete Thomson an der Schießbude und Dave Bronze am Tieftöner klingen wie fernes Donnergrollen. Na das kann ja heiter werden.
Musikalisch ist natürlich trotz aller Probleme das große Können von Robin Trower an den sechs Saiten herauszuhören. Zu aller erst mal seine Vorliebe für Jimi Hendrix. Ich habe selten so viele und ausgiebige Exkurse am Wah-Wah - Pedal und am Verzerrer erlebt. Etliche Male hört man Anleihen aus Klassikern wie "Machine Gun", "Little Wing" und "Voodoo Chile" heraus, die er ganz virtuos und sauber rüberbringt. Besonders bei den längeren Instrumentalaufnahmen wirken seine Soli durchaus gelungen.
Gott sei Dank wachte der Soundtechniker nach der Hälfte des Konzertes endlich auf. Gerade noch rechtzeitig um die blueslastigen Songs der aktuellen CD in die richtigen Bahnen zu lenken. Erst jetzt klangen die Vocals von Davey Pattison so, wie sie eigentlich im gesamten Set klingen sollten. Jetzt breitete sich endlich das ganze Flair dieses Albums in der 'Bluesgarage' aus. "Inside Out", "Sweet Little Angel" und der "21st Century Blues" versetzten das Publikum mit getragenem und gleichzeitig sehr intensiven Versionen dann doch noch in das richtige Bluesfeeling.
Nach einer (!) erkämpften Zugabe endete das Konzert fast auf die Sekunde genau nach neunzig Minuten. Auch das war für mich etwas absolut Neues und bestätigte mich nur in meiner Meinung, dass Robin Trower und seine Band am heutigen Abend lediglich einen Routine-Gig absolvierten. Das gesamte Programm wurde doch ziemlich lustlos und ohne jegliche Emotionen heruntergespult. Es gab fast keine Kommunikation mit den Zuhörern, und auch die Ansagen der Songs beschränkten sich auf das Nötigste. So etwas hat ein erwartungsvolles Publikum, das zudem auch noch viel Eintrittsgeld bezahlt hat, nicht verdient, und ein so guter Musiker wie Robin Trower sollte sich mal klar vor Augen führen, dass er von seinen Fans lebt und nicht umgekehrt.
Schade, mit etwas mehr Enthusiasmus und einem Soundmixer ohne Verstimmung in den Gehörgängen hätte es ein gutes Konzert werden können.
Robin Trower Another Days Blues Tour 2006, 7. April 2006, Bluesgarage Isernhagen
Jürgen Bauerochse, 21.04.2006
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