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Schwere Kost am frühen Morgen gibt es in der italienischen Küche nicht, findet die Hauptmahlzeit der Kulinarien-Künstler doch abends statt. Das neue Werk der Stiefel-Musiker Taras Bul'Ba sollte am besten auch zu vorgerückter Stunde genossen werden, weil der frühe Morgen einfach zu unschuldig ist, um die düster-schweren Klangwelten zu verdauen. Ist es dunkel draußen und das Kopfkino bereit zur Vorführung, ist die Zeit reif für das vierte Werk der Alternativ-Rocker, die keine Berührungsängste haben und auch eine gehörige Portion progressiver Psychedelica auftischen.
Stilistisch sind sich RS, RC und AS treu geblieben und liefern, wie auf Incisione, eine anspruchsvolle Mischung aus brutalem Instrumenteneinsatz, zarter, sphärischer Oasen und treibenden Attacken in Richtung Zentralhirn, welches die passenden Reaktionen in den entsprechenden Körperregionen veranlasst. Das wäre zum einen der Kopf, der bei den gemäßigten Passagen gerne mit geschlossenen Augen leicht den Rhythmus kopiert. Spielt der erbarmungslose »Mörderbass« seine abartigen Zerstörer-Linien, zucken die Finger der rechten Hand zum imaginären Viersaiter, um mitzuschlagen. Ähnliche Reaktionen verursacht die leicht verzerrte Gitarre, die oft im Tour de Force-Ritt unterwegs ist, aber auch einfach nur Licks in Bassgewitter wirft, oder Melodien (die bei dieser Band aber bitte nicht nach herkömmlicher Definition zu erwarten sind) in die Tracks einspielt.
Sehr gelungen ist die Verwendung einer Trompete, die entweder einsam quäkt oder aufmüpfend frech und Aufmerksamkeit erheischend ins Grollen bläst. Für Schlagwerker interessant dürfte die Arbeit von RS sein, denn neben 'üblichem' Rhythmusgeben wird mit unerbittlicher Kraft oftmals stoisch und repetitiv auf die Felle geprügelt und den Nummern so eine besondere Dimension an Dynamik mitgegeben. Wo es angebracht ist, wird aber auch fein und nuanciert getrommelt. Eindeutig in der Überzahl sind aber die Kompositionen, in denen es brachial zur Sache geht. Nebenbei hören... das geht bei Taras Bul'Ba nicht, man muss sich die dreiviertel Stunde Zeit nehmen und bewusst zuhören. Optimal unter dem Kopfhörer, weil man nur dann nah dran ist und die volle Breitseite mitbekommt.
Die Kombination aus brutalen Fellhieben und abgrundtief angerissenem Bass-Stahl definiert Percussion neu, ja eigentlich ist Percussion hier das falsche Wort. Selbige entsteht durch das durchaus als solistisch zu klassifizierende Spiel automatisch mit. Sprachfetzen, schnell eingeworfen oder aber in längeren Sequenzen zu hören, tanzen auf den Frequenzen, die Saiten und Felle produzieren. Auch die langsameren Tracks strotzen vor Energie und wie im richtigen Kino ist auch der Kopfkino-Besucher gut beraten, stets auf unerwartete Wendungen gefasst zu sein. Denn es könnte sonst schon sein, dass man beim verträumten 'Film kucken' den Barolo vergießt. Irre z. B., um mal ein Stück mit Namen zu nennen, der Film "Les Chambres Des Enfants" mit einer Stimme, die jammernd und klagend zwischen hartem Stahl und bebenden Fellen schwingt.
Wahrscheinlich steckt ein Konzept hinter "Secrets Chimiques", denn man kann schwerlich einen Song herausnehmen, sondern ist, um in den vollen Genuss der Scheibe zu kommen, quasi 'gezwungen', alles en block zu hören. Informationen sind eigentlich keine zu finden. Zumindest, wenn man der italienischen Sprache nur dann 'mächtig ist', wenn die Worte unter der Überschrift Ristorante zusammengefasst sind.
Line-up:
Andrea S. (guitar)
Roberto S. (drums)
Roberto C. (bass)
Gäste:
Nigè Caputo (double-bass - #5-7)
Ennio Salvemini (trumpet - #5-8, madest electronic raid - #11)
| Tracklist |
01:Cranioterapia
02:Traumdeutung
03:Khyber Pass
04:Padiglione Zonda
05:Disformofobico
06:AL-Mahdi
07:Providence
08:Toktamis
09:Auersberger
10:Les Chambres Des Enfants
11:Six Feet Underground
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Externe Links:
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