Dieser Samstag wird mir noch lange in sehr positiver Erinnerung bleiben. Acht Jahre nach meinem letzten Besuch beim 'Kultursommer Salzgitter' (damals trat Manfred Mann's Earthband vor dem Schloss in Salder auf) waren diesmal Ten Years After angesagt. Wie passend, denn ich befasse mich ja gerade mit dem Woodstock-Festival, das in diesem Jahr 40 Jahre alt wird, und bei dem die britischen Rocker bekanntlich auch eine wichtige Rolle gespielt haben.
Auch das Wetter war optimal und lud förmlich zu einer Teilnahme an diesem Open Air ein. Außerdem war ich auf den Support-Act gespannt, denn es war die Joe Cocker Coverband Cocker Cover Crew angesagt, von der ich bislang noch gar nichts gehört hatte, obwohl sie ihre Wurzeln ganz in meiner Nähe haben. Aber allein die Tatsache, dass sich jemand zutraut, das Reibeisen-Organ von Onkel Joe zu imitieren, machte mich schon sehr neugierig.
Und die achtköpfige Band um den Frontmann Ulli Lühr erwies sich tatsächlich als der perfekte Einheizer. In ihrem neunzigminütigen Gig überzeugten sie die zahlreichen Besucher durch eine perfekte Songauswahl, die zum größten Teil aus älteren Sachen der Sheffielder Legende bestand. Hohe Musikalität zeichnete die Truppe aus, aber im Mittelpunkt stand natürlich Shouter Lühr, der erstaunlich nah am Original sang. Meine Hochachtung, Ulli. Das hörte sich wirklich prima an. So gab es einen perfekten Querschnitt durch das Schaffen von Cocker. Höhepunkt war natürlich "With A Little Help From My Friends", inkl. des legendären Schreis, der mit begeisterten Zwischenapplaus quittiert wurde.
So war das anwesende Publikum schon mal optimal auf den Top-Act des Abends vorbereitet. Die drei Veteranen und ihr junger Frontmann konnten kommen. Und das taten sie dann auch, und wie! Ten Years After ließen es mit "Hear Me Calling" gleich mal richtig krachen. Sofort war Mitsingen angesagt. Wie immer beschlich mich eine Gänsehaut wenn ich mir klar machte, dass da drei Musiker auf der Bühne standen, die vor vierzig Jahren von einer halben Million Hippies abgefeiert wurden. Solche Gigs erzeugen bei mir nun mal eine melancholische Stimmung und lassen mich in die good old days zurück driften, an die ich mich immer wieder gerne erinnere. Na ja, irgendeine Macke hat ja schließlich jeder…!
Doch nun zurück zur Musik. Wieder einmal beeindruckte mich Joe Gooch, der seit fünf Jahren der Frontmann bei Ten Years After ist. Inzwischen scheint er die Sounds der Band vollkommen verinnerlicht zu haben. So verarbeitet der Zweiunddreißigjährige Sänger/Gitarrist die alten Klassiker, die allesamt lange vor seiner Geburt entstanden, genau so selbstverständlich, wie die aktuellen Songs vom Album Evolution, bei denen er maßgeblich am Songwriting beteiligt war. Was dieser Mann aus seiner Klampfe rausholt ist einfach kaum zu fassen. Und so zog er auch in Salzgitter alle Register seines großen Könnens.
Mal wirbelte er in Höchstgeschwindigkeit über die Saiten, was ja von jeher ein Markenzeichen von Ten Years After ist, aber er ist natürlich auch im Blues zuhause. Das wurde vor allem bei "Good Morning Little Schoolgirl" und "King Of The Blues" deutlich. Auch die Songs aus der psychedelischen Phase der Gruppe brachte er nahezu perfekt rüber. So wurden "Love Like A Man" und "I Can't Keep On Crying Sometimes" mit ausgedehnten Improvisationen gespickt, bei denen Gooch so ganz nebenbei mal kurz "Spoonful", "Sunshine Of Your Love" und "Foxy Lady" mit einbaute, um dann irgendwann mal wieder zum Grundthema zurückzukehren. Ganz stark gemacht!
Nach wie vor eines der Highlights ist Ric Lees Schlagzeugsolo "The Hobbit", diesmal in einer Länge von circa sieben Minuten dargeboten, das in dieser Show schon relativ früh über die Bühne ging. Nur ganz kurz von der kompletten Band eingeleitet, hatte der Drummer dann die ganze Aufmerksamkeit für sich. Dabei wurde er vom Publikum, das nun immer mehr auftaute, immer wieder angefeuert, sodass er den letzten Teil schließlich im Stehen absolvierte. Ric Lee hat absolut nichts verlernt und ist auch noch nicht langsamer geworden!
Genau wie Leo Lyons. Wie immer freundlich lächelnd, tobte dieser sympathische Mann über die Bühne, als hätte es die letzten Jahrzehnte gar nicht gegeben. Klasse auch seine Duelle mit Joe Gooch, bei denen sich die Beiden Kopf an Kopf gegenüber stehend, gegenseitig die Rhythmen vorgaben. Das war Energie pur, die richtig ansteckend wirkte und sogar den meist etwas stoisch wirkenden Chick Churchill aus der Reserve lockte. So dauerte es mal wieder nicht lange, bis Ten Years After das Publikum ganz auf ihre Seite gezogen hatte.
So war die Stimmung schon am Brodeln, als, ohne jede Vorwarnung, die ersten Takte von "I'm Going Home" angestimmt wurden. Sofort drängten sich die Anwesenden, die meines Erachtens zum großen Teil nicht unbedingt wie Hardcore-Konzertgänger aussahen, dichter an die Bühne heran. Trotzdem wussten wohl alle, dass nun ein richtiges Feuerwerk abgebrannt werden sollte. Und so kam es auch. Gooch keuchte, stöhnte, schrie und sang wie ein Beserker und malträtierte dazwischen seine Gitarre nach allen Regeln der Kunst. Ich glaube dieser Song wird auch in den nächsten Jahrzehnten die kommenden Generationen noch stark beeindrucken.
Natürlich gab es nicht nur die erprobten Klassiker auf die Ohrmuscheln, denn schließlich haben Ten Years After auch ein aktuelles Album am Start. Dabei wurde deutlich, dass die neuen Songs live erheblich härter rüber gebracht wurden, als bei den Studio-Aufnahmen. Besonders "Slip Slide Away" powerte enorm druckvoll aus den Boxen und fügte sich nahtlos in die Setlist ein.
Als die letzte Zugabe (natürlich "Choo Choo Mama" mit einem saustarken Piano) noch einmal alle Energie aus Musikern und Zuhörern heraus gepresst hatte, war ein knapp zweistündiger Gig mal wieder viel zu schnell vorüber gegangen. Ten Years After bewiesen einmal mehr, wie viel Power noch in ihnen steckt.
Mein besonderer Dank für die problemlose Akkreditierung geht an Sabine Trunzer von der Kultpolis GmbH in Merzig!
Line-up:
Joe Gooch (guitar, vocals)
Leo Lyons (bass)
Chick Churchill (keyboards)
Ric Lee (drums)
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