Ten Years After / Evolution
Evolution Spielzeit: 55:27
Medium: CD
Label: Kultopolis, 2008
Stil: Rock

Review vom 16.11.2008


Jürgen Bauerochse
Nun ist es schon wieder über sechs Jahre her, dass die drei Woodstock-Veteranen Ric Lee, Chick Churchill und Leo Lyons auf den jungen Gitarristen/Sänger Joe Gooch stießen und damit in eine Art Jungbrunnen fielen. Endlich hatten sie einen adäquaten Ersatz für ihren bisherigen Frontmann Alvin Lee gefunden, der bis dahin durch seine angestrebte Solokarriere etliche Reunion-Versuche von Ten Years After immer wieder torpediert hatte und so alle guten Ansätze für eine erfolgreiche Fortsetzung der Bandkarriere im Keim erstickte.
Mit Gooch hatte die Band nun jemanden an Bord, der musikalisch perfekt ins Gruppengefüge passte und sich auch beim Songwriting gleich stark in Szene setzte. Das wurde schon beim ersten Studio-Album Now ganz deutlich, das im Jahr 2004 in den Handel kam, und auch die Doppel-Live-CD Roadworks aus dem August 2005 zeigte, wie gut die einzelnen Band-Member harmonierten.
Es folgten ausgedehnte Touren durch Deutschland, Belgien, die Niederlande, Italien, Schweiz, Skandinavien, Frankreich, Tschechien und Kanada, sowie der USA, Südamerika, Australien, Neuseeland, Singapur und Dubai. Man ließ quasi keinen Teil der Welt aus, und die Band wurde überall mächtig abgefeiert.
Bis in die Gegenwart ist Ten Years After fast ununterbrochen auf Achse, fand aber dennoch die Zeit, ihr neuestes Studio-Werk einzuspielen. In den Green Frog Studios entstanden zehn neue Tracks, die allesamt aus der Feder von Leo Lyons stammen, während Joe Gooch an neun Titeln unmittelbar beteiligt war.
Und der aktuelle Silberling geht sofort direkt ins Ohr. Schon beim ersten Hördurchgang fällt die hohe Musikalität des Albums auf. Die Band verzichtet auf jegliche Schnörkel und vertrackte Rhythmen, die den Fluss der Musik stören könnten. So weisen alle Songs sehr eingängige Melodien und Refrains auf, die sich erfolgreich in den Gehörgängen festsetzen.
Dabei fällt zunächst einmal die schöne Stimme von Joe Gooch auf, die sich sehr angenehm den einzelnen Songs anpasst. Da stimmt einfach alles! Ric Lee trommelt wie immer ruhig und präzise und bringt das benötigte Timing genau auf den Punkt. Dabei hat er in Leo Lyons natürlich den idealen Partner. Die Beiden verstehen sich blind, was aber nach vier Jahrzehnten der Zusammenarbeit auch nicht wirklich verwundern kann.
Keyboarder Chick Churchill kommt auf "Evolution" etwas stärker zur Geltung als in früheren Zeiten, wo er ja durch Alvin Lees alles beherrschende Gitarre ein ums andere Mal stark in den Hintergrund gedrängt wurde. Hier kann er jedenfalls durch sein Hammond- bzw. Pianospiel immer wieder ziemlich starke Akzente setzen.
Doch die Hauptrolle auf dieser Scheibe spielt Joe Gooch. Egal, ob mit dem Bottleneck (wie gleich beim Opener "I Think It's Gonna Rain All Night"), akustisch ("My Imagination"), verschleppt (Why'd They Call It Falling") oder auch mit hohem Tempo "Slip Slide Away"), der Frontmann beherrscht einfach alle Varianten des Gitarrenspiels, ohne allerdings in Gefahr zu geraten, den Rest der Band zu Statisten zu degradieren. Die ganze Truppe kommt als eine einzige Einheit rüber.
Highlight und absoluter Mittelpunkt des Albums ist der über acht Minuten lange Blues "Angry Words" (übrigens die einzige Komposition an der alle Gruppenmitglieder beteiligt waren). Dieser Titel könnte sich bei den Konzerten ohne Schwierigkeiten zu einem würdigen Nachfolger des "Slow Blues in C" vom "Recorded Live"-Silberling entwickeln, bei dem die Band schon einmal ihr großes Blues-Feeling bewiesen hat. Gooch setzt den Sechssaiter je nach Bedarf mal mehr oder weniger heftig ein, und Churchill steuert ein richtig tolles Solo an den Klaviertasten dazu bei. So entsteht ein herrlich abwechslungsreicher 12-Takter, den ich ohne zu zögern auf meine persönliche 'Blues-Inselplatte' platzieren würde. Dieser Titel hat mich wirklich schwer beeindruckt.
Es bleibt also festzustellen, dass mit "Evolution" ein sehr eingängiges Album entstanden ist, das mit seiner hohen Musikalität auch vielen jüngeren Fans gefallen wird, die nicht mit "I'm Going Home" aufgewachsen sind und trotzdem auf zeitlose Rockmusik stehen.
Line-up:
Chick Churchill (keyboards)
Joe Gooch (guitar, vocals)
Ric Lee (drums)
Leo Lyons (bass)
Tracklist
01:I Think It's Gonna Rain All Night (4:26)
02:She Keeps Walking (5:52)
03:Why'd They Call It Falling (6:27)
04:She Needed A Rock (4:29)
05:My Imagination (5:12)
06:I Never Saw It Coming (6:07)
07:Slip Slide Away (4:33)
08:Tail Lights (4:33)
09:Angry Words (8:22)
10:That's Alright (5:02)
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