Ein Bauer mit Pferdefuhrwerk karrt Musikinstrumente durch die die Landschaft - dieses Cover-Artwork entbehrt nicht einer Portion gesunder Selbstironie. Das Cover des Erstlingswerks New Views war ja noch so spacig - und mit dem Nachfolger wollten diese Klangkünstler von Tribute wohl zeigen, wo sie und ihre Musik eigentlich herkommen, nämlich aus der schwedischem Idylle. Auch die Röhrenglocken, durch welche die Band auf "New Views" ja nicht ganz ungerechtfertigt in die musikalische Nähe Mike Oldfields gerückt wurde, sind mit auf dem Karren. Außerdem diverses Schlag- und Saitenspielzeug aus Amerika und Afrika - 'Wir machen Weltmusik'! Und Welt-Raum-Musik. Ein Synthesizer im Tiefflug erinnert den Hörer daran, noch bevor er die CD, ein remastertes Re-Release des Albums von 1986, auspackt.
Jawohl, Tribute bewegen sich auch mit "Breaking Barriers" wieder auf einer Skala von elektrisch unverstärkten Klängen bis hin zu spacigen Keyboards; ein Mix aus organisch und elektronisch. Dazwischen wird geprogrockt und dabei für die Reise um die Welt der Musikkoffer weit aufgemacht. "Streamlined" packt zwischenzeitlich die Marimba aus und benutzt sie für Fernöstliches - zeitweise klingt man aber auch nach groovenden 'Prog- ABBA' und wird zuweilen sogar smoothy-jazzig. Das Stück ist eher, sagen wir: 'diffus' reiselustig, während es mit "Scottish Mystery" aber so was von keltisch ab nach Schottland geht ... Die Nummer spendet Energie; man kann die Luft der Highlands förmlich riechen. Die Musik strahlt eine große Freiheit aus, etwas Seelen reinigendes. Eine ganz markante Tin Whistle, Gitarren, Synthies und die Mandoline - was hat die denn hier zu suchen? Schön, dass sie da ist. Zum Teil spielen mehrere Melodieinstrumente parallel ihre Folk-rockigen Hymnen. Das Schlagwerk liefert Trommelwirbel und Paukenschlag. Es ist wunderbar!
"A Kumma Ki Yidi" macht musikalisch Station in Afrika - die wenigen Lyrics ganz zum Ende sind in Temne, einer Sprache aus Sierra Leone verfasst und werden von Amadu Jarr gesungen. Er steuert auch afrikanische Percussion bei. Nun soll aber keiner glauben, "A Kumma Ki Yidi" sei Strohhüttenfolklore, im Gegenteil. Die Nummer wird nach simplem Beginn Schicht für Schicht zu einem Schlagzeugfestival mit rockigem Drive und viel, viel pfiffigem Elektro-Spielzeug. Tatsächlich fühlt man sich hier und da an Neil Peart erinnert, irgendwo zwischen "Mystic Rhythms" - das 'spielt' ja auch in den 80ern - und den Zaubereien mit elektronischen und klassischen Drums in seinem berühmten Solo.
Hier sitzt jedoch Pierre Moerlen am Schlagzeug, bekannt von Gong. Er war kurz zuvor zur Band gestoßen. Die Schlagwerkkunst - rhythmisch wie melodisch - hat auf "Breaking Barriers" gegenüber dem Debütalbum tatsächlich nochmal an Pfiff gewonnen. Das bedeutet auch, dass die beiden Bandgründer, die Multiinstrumentalisten Josef Rhedin und Gideon Andersson, ihre Hände für das frei haben, was sonst noch wichtig ist. Zum Schluss wird "A Kumma Ki Yidi" sogar noch funky. Vorher spielt Nina Andersson ein superb smooth groovendes Saxofonsolo. Jawohl, Saxofon. Tribute machen progressive Weltmusik, aber sie halten sich nicht immer an den Reiseführer. Das wäre ja auch öde. Ein tolles Teil Musik an der Schnittstelle zwischen bodenständig und surreal-'fantastisch'.
Einziger 'Schwachpunkt' des Albums ist der ausplätschernde Schlusstrack "I Felt Like It...". Aber der läuft mehr oder weniger außer Konkurrenz, ganz am Ende, zum Runterkommen, und als Eigenkomposition Pierre Moerlens. Man sollte das Stück vielleicht nicht in die Einzelkritik nehmen - dennoch hätte dessen Spielzeit sicherlich raffinierter verwendet werden können. Das Gegenbeispiel ist einer der großen Klassiker der Bandgeschichte: "Diesel Engine" ist ein Stück für zwei Solo-Bässe. Fabelhaft - das muss man mal gehört haben, um es zu glauben.
Kommen wir zum 'großen Ganzen' (ohne den Blick von den Einzelstücken abzuwenden). Im Grunde hat "Breaking Barriers" eine ganz ähnliche Struktur wie "New Views". Am Anfang steht eine Portion optimistischer Energie. Aus "Icebreaker" beim Vorgänger wird nun der Titeltrack "Breaking Barriers" - nicht gar so unwiderstehlich hymnisch, zugegeben. "Breaking Barriers" ist dennoch ein Prachtstück mit einer ungemein markanten Rhythmik als Wiedererkennungsmerkmal. Die Rhythmus- und Melodiearbeit der Piano-Synthies und die Rockgitarre lassen technisch feinen, rhythmisch sehr extrovertierten und hochmelodischen Fusion-Prog entstehen. Es erinnert schon ein wenig an frühe Toto - an "Hydra", beispielsweise. Mit Yes-Einschlag. Es ist diese Leichtigkeit bar jeder Bodenhaftung, diese atmosphärische Zartheit, die Tribute dabei auszeichnet.
Dramaturgischer Höhepunkt ist wie auf "New Views" ein langes, episches Stück - mit zehn Minuten aber nur knapp halb so lang als der Titeltrack des ersten Albums. "Leaves Are Falling" verströmt zunächst minutenlang eine introvertierte, melancholische Stimmung. Danach folgt eine kleine Tempoexplosion, rein in einen wuselig-kreativen B-Part, gespickt mit etlichen dramaturgischen Wendungen. Mal spielen sich die Techniker mit filigrane Parallelläufen in den Vordergrund, mal die Melodiker mit hymnischer Feinkost und mal die Rhythmiker mit lässig groovender Detailarbeit.
Fast beiläufig gilt es zu erwähnen, dass auf "Breaking Barriers" auch 'richtiger' Gesang vorkommt, nachdem auf "New Views" nur kurz die Stimmen der Andersson-Schwestern als Background-Atmo auftauchten. Zwei Stücke sind mit Gesang: "Breaking Barriers" und "Leaves Are Falling". Das ist dann vor allem der Job Dag Westlings mit seiner erstaunlich gut ausgebildeten Stimme - Lena und Nina Andersson setzen das glockenklare i-Tüpfelchen drauf. Ein starkes Stück Symphonic Prog-Geschichte, neu aufgelegt. Und des Bauers Fuhrwerk rollt weiter ... als nächstes ist das Livealbum von 1986, dem Jahr von "Breaking Barriers" dran.
Line-up:
Dag Westling (electric guitar, vocals, tin whistle)
Åke Ziedén (lead electric guitar, bass)
Gideon Andersson (bass, guitars, mandolin)
Lena Andersson (timpanis, tubular bells, percussion, vocals)
Nina Andersson (saxophone, vibraphone, marimba, clay drums)
Josef Rhedin (keyboards, Tokai bass - #3)
Pierre Moerlen (drums, marimba, vibraphone)
With:
Amadu Jarr (African percussion & vocals - #4)
Peter Wagnberg (additional snare drum - #5)
Tracklist |
01:Breaking Barriers [Josef Rhedin, Dan Erixon] (5:50)
02:Streamlines [Josef Rhedin] (6:48)
03:Diesel Engine [Gideon Andersson, Josef Rhedin] (4:51)
04:A Kumma Ki Yidi [Josef Rhedin, Pierre Moerlen] (6:29)
05:Scottish Mystery [Gideon Andersson] (4:40)
06:Leaves Are Falling [Gideon Andersson] (9:59)
07:I Felt Like It... [Pierre Moerlen] (3:19)
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