Türzueszieht / 16.06.2013 Seebühne, Mannheim
Seebühne Mannheim Türzueszieht
Seebühne, Mannheim
16. Juni 2013
Konzertbericht
Stil: Hessisch Weltmusik


Artikel vom 22.06.2013

       
Markus Kerren                  Sabine Feickert
Türzueszieht»TÜRZUESZIEHT!!!«
Nee, gezogen hat es wahrlich nicht an diesem 16. Juni - was aber wiederum gut war, denn eine Tür zum Zumachen hat die Seebühne des Mannheimer Luisenparks nicht zu bieten. Stattdessen standen 'siwwe Sunne am Himmel', als sich RockTimes-Abgesandte aus Saarland und Pfalz auf den Weg in die baden-würtembergische Quadratestadt machten, um dort 'hessisch Weltmusik' zu lauschen.
[kleine Rückblende Sabine:] Ganz anders sah das bei meiner ersten Live-Begegnung mit Olaf Mill, damals noch bei Flatsch!, auf Rock am Ring wettertechnisch aus – echtes Festivalwetter – knöchelhoch im Schlamm.
Etwa ein Jahr später löste sich Flatsch! auf. Sänger Gerd Knebel ulkte mit Badesalz weiter und Olaf Mill begegnete mir in den nächsten Jahren noch ein paar Mal als Olaf und die Band sowie als Eisberg-Duo. Irgendwann geriet er dann in vorläufige Vergessenheit, bis sich bei irgendeinem RockTimes-internen Fachgespräch mal wieder zeigte, dass es kaum eine Band gibt, die nicht irgendein anderer RockTimer auch kennt und schätzt.
TürzuesziehtDaran erinnert, führte mich ein allseits bekanntes Videoportal dann auf die Spur von Türzueszieht und bescherte mir einen herzhaften Bauchmuskelkater. Olaf Mill hat neue Mitmusiker gefunden, die mit ihm bei diesem Projekt Humor und Musik vereinen.
Wer nun aber annimmt, Türzueszieht mache plumpen Klamauk, ist falsch gewickelt. Der Humor von Olaf ist manchmal derb, oft skurril, gelegentlich auch unter der Gürtellinie aber niemals so platt und vorhersehbar, wie es viele Comedians so oft zum Besten geben.
TürzuesziehtDoch – ganz wichtig – der größte Teil der Show gehört der Musik, die größtenteils sehr eigene Interpretationen der Pop- und Rockgeschichte darstellt. Angepasst an das vorwiegend ältere Publikum an der Seebühne gab es eine Peter Alexander-Version von "Delilah", in der das 'Delilahsche' in feinstem Hessisch so nett besungen wurde, dass wohl Tom Jones und Alex Harvey vor Neid erblasst wären. Und wenn du "You're In The Army Now" (ursprünglich Bolland/Bolland, später u.a. von Status Quo gecovert) bist, biste nach Türzueszieht-Logik 'ne "Arme Sau". (Einige ältere Herrschaften aus dem Publikum schoben hier mit ihren Rollatoren entsetzt von dannen, der weitaus größere Teil amüsierte sich aber gut, rockte und nahm auch Sprüche wie »dreht mal alle die Hörgeräte auf zehn!« nicht krumm.)
TürzuesziehtDass ein echter Blues eigentlich keinen guten Text braucht, führte Türzueszieht exemplarisch vor – ob der Tag nun mies anfängt, weil der Kaffee nach grünem Tee schmeckt oder umgekehrt, das Bluesfeeling kommt in beiden Varianten authentisch rüber. Genauso wie ihr Medley "Hey Joe, kannschd mir sage wo Guantanamo liegt?".
Eine längere Ansage über Olafs frühen Haarverlust und den Gegenmaßnahmen von Hormonbehandlung über Schamhaartransplantation bis hin zur Erkenntnis, dass ein schönes Gesicht Platz braucht, leitet die Türzueszieht-Version von Hit The Road Jack ein, die die Hessen "Theo Kojak" gewidmet haben. Sie ermuntern zum Mitsingen, warnen jedoch davor, dies zur Seite hin zu tun, da es sonst möglicherweise Feuchtigkeit ins Gesicht des Sitznachbarn transportiert.
Natürlich darf auch die Adaption des Klassikers "Stairway To Heaven" als "Hippies in Hessen" nicht fehlen – die war übrigens Ursache für den oben schon angesprochenen Bauchmuskelkater und kursiert auf dem Videoportal als Live-Mitschnitt vom Rodgau Monotones-Jubiläumskonzert. TürzuesziehtNoch ein weiterer Zeppelin-Hit ("Whole Lotta Love") musste für die Hessisch-Weltmusik herhalten, mit Wasser- und Abwasserrohren demonstrierten Olaf und Tony in der Spengler-Hymne, wie des "Rohr wieder laaft".
Bei so viel Kreativität verwundert es kaum, wenn es geistigen Diebstahl gibt. Bei der Ansage der Zugabe beklagt sich Olaf bitterlich über die Unverschämtheit mancher Popmusiker, die große Touren in den USA absolvieren, mit Songs, die sie den Hessen einfach geklaut haben und führt zum Beweis sein "Ich mag kein Handkäs" an, den ein gewisser Herr Geldof als "I Don't Like Mondays" abgekupfert haben soll.
Die RockTimer wischen sich mitfühlend die Lachtränen aus den Augen und danken Türzueszieht für etwa 90 ausgesprochen vergnügliche und bei allem Spaß und Fez auch musikalisch überzeugende Minuten.
Line-up:
Olaf Mill (Gitarre, Bass, Trompete, Gesang, Humor, Tröten, Klappern, Wasserflaschen und sonstige Geräusche)
Karsten Kutscher (Gitarren)
Tony Clark (Gesang, Sitar, Bass, Charango, Ronroco, Shakuhashi, Flamencogitarre)
Peter Koch (Percussion)
Bilder vom Konzert
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