Twisted Sister / Still Hungry
Still Hungry Spielzeit: 71:32
Medium: CD
Label: Armoury Records/Eagle Rock, 2011 (Drakkar, 2004)
Stil: Glam Metal

Review vom 16.06.2011


Moritz Alves
Stay Hungry Die wohl endgültig letzte, ursprünglich 2004 veröffentlichte Studio-Scheibe mit Originalsongs der Glam Metal-Heroen Twisted Sister ist eine pure Retortenpackung. Der Titel "Still Hungry" macht (bewusst) deutlich, dass sich die 'Schwestern' hier direkt auf ihren 1984er Meilenstein "Stay Hungry" beziehen, ja, diesen 20 Jahre später kurzerhand komplett neu einspielten. Die Band war nämlich nie so richtig glücklich mit dem dünnen, glatten Sound der Originalaufnahmen und hatte sich daher schon immer einen raueren, authentischeren Klang für Songs wie "We're Not Gonna Take It" oder "I Wanna Rock" (diese beiden wohl größten Band-Hits sind damals auf "Stay Hungry" veröffentlicht worden) gewünscht. Dies erfüllte sie sich vor mittlerweile sieben Jahren mit diesen Neuaufnahmen und ergänzte die 'ollen Kamellen in neuem Gewand' mal eben um ganze sieben Bonustracks, damit auch alte Fans wieder zugreifen 'mussten'.
Zu solchen Re-Recordings kann man stehen, wie man will. Kontroversen lösen sie in der Szene allerdings allemal aus, und eingefleischte Anhänger der 'Schwestern' verurteilen sie nicht selten scharf, betonen gar, dass sie das Album nicht gekauft hätten, wäre es 1984 im heutigen Klanggewand erschienen. Dennoch muss man Dee Snider & Co. zugestehen, dass sie mit "Still Hungry" sicherlich keine Millionen verdient haben, sondern sich wohl wirklich nur einen Herzenswunsch erfüllt haben. Und trotzdem bleibt es für Fans ärgerlich, denn durch die "Still Hungry"-Runderneuerung lassen Twisted Sister das 1984er Original einfach am langen Arm verhungern - zumindest galt diese stiefmütterliche Behandlung bis zum Sommer 2010, als dann doch noch ein '25th Anniversary Edition'-Doppeldecker von "Stay Hungry" via Rhino/Warner erschien.
Aber kommen wir nun mal direkt auf "Still Hungry" zu sprechen. Eine vorbehaltlose Herangehensweise an das Material ist aufgrund der Historie zwar kaum möglich, und doch muss ich der Band attestieren, dass die Neueinspielungen einerseits sehr kräftig und klar, andererseits aber auch unglaublich erfrischend roh und rotzig aus den Boxen dröhnen (dabei aber glücklicherweise nicht irgendwie zeitgemäß/modern abgemischt worden sind). Allenfalls der leicht basslastige Mix mag den einen oder anderen Zeitgenossen vielleicht etwas stören. Grundsätzlich kann man hier soundtechnisch also eine Menge Spaß haben und die Anlage so richtig schön aufdrehen - "Stay Hungry" wurde ein enormes Facelifting verpasst, von schwachbrüstigem Achtziger-Sound ist keine Rede mehr! Die Band ist somit glücklich, die Fans aber auch?!
Nun, zumindest Frontlocke Dee Snider merkt man die 20 Lenze, die zwischen Original und Remake vergangen sind, beim Lauschen dann und wann doch mal an. Denn ganz so brillant wie früher kriegt er seinen Gesang nicht mehr auf die Kette. Nachzuhören insbesondere bei der genialen Metal-Ballade "The Price", wo er die hohen Tonlagen nicht mehr so einfach erreichen kann. Andererseits sind das die berühmten Haare in der Suppe, weil Snider noch immer ausdrucksstark und einzigartig klingt. Und die nicht immer astreine Sangesperformance passt andererseits ja auch bestens zu den raubeinigen Neueinspielungen.
Es fällt auf, dass sich die Band dabei glücklicherweise sehr an die Originale gehalten hat (und nichts anderes wäre hier zu tolerieren gewesen!), nur die Gitarrensoli wurden hier und da überarbeitet und ausgedehnt (z.B. "We're Not Gonna Take It") und die in den Achtzigern so beliebten, aber doch langweiligen Fade Outs am Ende der Songs dankenswerterweise abgeschafft: Bis auf "I Wanna Rock" hat jedes Stück jetzt also ein richtiges Ende.
Neben den regulären neun Klassiker-Stücken wartet der Silberling übrigens mit ganzen sieben Bonustracks auf, ist also ein richtig dickes Ding geworden. Jedoch sind die 'Zugaben' bei diesem Re-Release haargenau die gleichen wie zuzeiten der 2004er "Still Hungry"-Erstveröffentlichung, so dass Fans heute lediglich genau das gleiche Album nochmal von einem anderen Label erwerben können.
Wie dem auch sei: Mit "Never Say Never" und "Blastin' Fast & Loud" gibt's zwei Überbleibsel aus den 1984er Studiosessions zu hören, die den regulären Songs qualitativ durchaus das Wasser reichen können. Hier wurde also nicht irgendein Schrott aufgewärmt, sondern kleine Schätze ausgegraben und zugänglich gemacht. Keine Ahnung, weshalb man sich ursprünglich dagegen entschieden hatte, die Nummern mit aufs Album zu packen - als typisches, packendes Twisted Sister-Handwerk hätten sie das ursprünglich ja nur neun Titel umfassende Originalwerk zweifellos aufgewertet - gerade "Never Say Never" ist ein richtig giftiger, schneller Glam-Rotzer geworden, der tierisch abgeht!
Darüber hinaus gibt's vier brandneue Aufnahmen aus dem Jahr 2004 zu hören, die sich bei genauerem Hinsehen und -hören aber als alte Gassenhauer aus den Clubtagen der Band entpuppen und deshalb bereits auf den Club Daze-Zusammenstellungen (1999) enthalten sind - jetzt kommt der Fan jedoch erstmalig in den Genuss von professionellen Studioaufnahmen dieser Songs, die bisher lediglich im Live- bzw. Demo-Gewand zu begutachten waren. Und "Come Back", "You Know I Cry" sowie "Rock 'N' Roll Saviors" sind richtige ungeschliffene Glam-Diamanten, nur "Pastic Money" fällt etwas ab. Zu guter Letzt gibt's dann noch "Heroes Are Hard To Find", eine Nummer aus dem Soundtrack (2000) zu Dee Sniders Horrorfilm "Strangeland", die zwar einen Tick kommerzieller daherkommt als das übrige Liedgut, aber deswegen nicht minder zu überzeugen weiß. Positiv zu erwähnen ist übrigens, dass im Booklet auch die Lyrics zu allen Bonustracks abgedruckt sind.
Fazit: Alles in allem bleibt "Still Hungry" reine Geschmackssache. Bei diesem Album hängt alles von der ideologischen Einstellung ab, die man als Metal-Fan hat. Anhänger der ersten Stunde sowie unverbesserliche Kuttenträger werden wohl ihre Probleme mit den Neueinspielungen und dem neuen Mix haben; Spätgeborene dürfen dagegen sehr gerne zugreifen, sollten sie denn auf authentischen, fiesen Glam Metal stehen und nicht unbedingt das 1984er Original haben müssen. Denn zum Füllen der Wissenslücken ist "Still Hungry" allerbestens geeignet. Und obwohl sich Twisted Sister hier ja eigentlich bloß selbst covern, muss nochmals festgehalten werden, dass die alten "Stay Hungry"-Songs jetzt doch wesentlich fieser erschallen und dem Hörer mit deutlichem Schmackes in den Arsch treten. Der rebellische Grundgedanke wird jetzt also richtig schön deutlich, auch wenn die Musikvideos und Lyrics zu diesem Album schon damals im prüden Amerika zu schockieren wussten - Alben wie "Stay Hungry" waren schließlich der Auslöser für das berüchtigte 'Parental Advisory'-Logo, das damals eigens von Tipper Gores 1985 gegründetem PMRC eingeführt wurde und bis heute auf (angeblich) jugendgefährdende Inhalte auf Tonträgern hinweist.
Auch unter dem Namen "Still Hungry" ist dieses Material ein wahrer Meilenstein des Glam Metal, von dem Twisted Sister noch heute zehren. Neben den Riesenhits "We're Not Gonna Take It", "I Wanna Rock" und "The Price" sind gerade auch der Titeltrack, "Burn In Hell", "Captain Howdy" (Teil A von "Horror Teria") oder "S.M.F." wichtige, ja unverzichtbare Bestandteile der Heavy Metal-Erbmasse, die in keiner Sammlung fehlen dürfen.
Line-up:
Dee Snider (lead vocals)
Jay Jay French (lead & rhythm guitars)
Eddie Ojeda (lead & rhythm guitars, backing vocals)
Mark Mendoza (bass guitar, backing vocals)
A.J. Pero (drums, backing vocals)
Tracklist
01:Stay Hungry (3:14)
02:We're Not Gonna Take It (4:37)
03:Burn In Hell (5:38)
04:Horror Teria (8:42)
A:Captain Howdy
B:Street Justice
05:I Wanna Rock (3:15)
06:The Price (4:08)
07:Don't Let Me Down (4:46)
08:The Beast (3:26)
09:S.M.F. (3:28)

Lost tracks from the original 1984 sessions:
10:Never Say Never (2:20)
11:Blastin' Fast & Loud (3:00)

Brand new 2004 studio bonus tracks:
12:Come Back (6:26)
13:Plastic Money (4:06)
14:You Know I Cry (4:21)
15:Rock 'N' Roll Saviors (5:04)

Previously released bonus track:
16:Heroes Are Hard To Find (5:01)
Externe Links: