 Frank's Bodega in Großkarlbach hatte gerufen und Ann Vriend aus Kanada, die lediglich mit dem Schlagzeuger Pat Phillips als Unterstützung unterwegs war, kam im Rahmen ihrer momentan noch laufenden Deutschland-Tour dann auch. An diesem wunderschönen Pfingstsonntag schlugen meine RockTimes-Kollegin Sabine und ich bereits etwa 45 Minuten vor Showbeginn in der Bodega auf und als wir zwischen den vollbesetzten Tischen im Vorhof noch zwei freie Stühle entdeckt hatten, stellten wir sehr bald darauf überrascht fest, dass wir direkt neben den beiden Musikern saßen. Umgehend ergab sich ein sehr lockeres und nettes Gespräch mit den sympathischen Kanadiern, bis sich diese schließlich direkt auf die Bühne begaben, um das Konzert zu beginnen.
 Frank's Bodega ist ein urgemütlicher Laden mit einem Fassungsvermögen von etwa 120 Zuschauern, der an diesem Abend aber leider gerade mal zur Hälfte gefüllt war (was sicherlich auch dem heißen Wetter und obendrein den Stadtfesten in den unmittelbar angrenzenden Mannheim und Worms geschuldet war). Schade, denn jeder, der nicht da war, hat einen fantastischen Abend mit einer sehr guten Singer/Songwriterin, Pianistin wie Vokalistin und einem punktgenau spielenden wie einfühlsamen Drummer verpasst. Ann Vriend hat übrigens bereits vier Studio-Alben sowie einen Live-Output auf dem Kerbholz, steht allerdings bis heute ohne Plattenvertrag da.
 Stilistisch wird Ann in so viele Schubladen gesteckt, wie sie kein alter Küchenschrank (um mal dem Bodega-Ambiente gerecht zu werden) bieten kann: von Pop, Folk, Blues über Indie, Jazz, Country, Chanson und Americana bis zu Soul reichen die Angaben. Vergleiche zu Dolly Parton und der jungen Aretha Franklin zieht der Sydney Morning Herald, auch der Name Norah Jones fällt in der Presse immer wieder. Eine hohe Meßlatte liegt da also auf und selbst wenn man den 'Journalisten übertreiben gern'-Faktor abzieht, versprach die Ankündigung einiges. Frank Mallm hat in den letzten zweieinhalb Jahren bei seinen 120 Konzerten schon ein paar wirkliche Insider-Tipps ins beschauliche (um nicht zu sagen provinzielle) Großkarlbach geholt. Philip Bölter und Toby spielten dort (und werden wiederkommen), Hussy Hicks wird im November (wieder) dort auftreten und im Oktober wird mit Ion Gomm (Ex- Brinsley Schwarz) ein Ausnahmegitarrist die Bodega-Bühne beehren.
 Mit "On Your Street" begann Ann Vriend den Gig überraschenderweise mit einem eher langsamen Stück, bei dem jedoch bereits ihr sehr gutes Händchen für starke Kompositionen zur Geltung kam. Und nach dem ebenfalls sehr gelungenen "Backseat Driver" stand mit Willie Nelsons "Always On My Mind" die erste (von wenigen) Coverversionen auf dem Programm. Spätestens nach dem Genuss dieser Nummer hatte die Kanadierin dann (u. a. durch sehr emotionale Gesangsausbrüche) auch als Sängerin gewonnen. Pat Phillips' Drumming komplimentierte die Songs immer wieder durch seine perfekte Begleitung an den Fellen.
 Auch den Vorschuss-Lorbeeren bezüglich ihrer stilistischen Vielfältigkeit machte Ann Vriend alle Ehre. Von Blues und Folk über Country bis hin zu Americana hatte die Nordamerikanerin (mit holländischen Wurzeln) alle Paletten am Start. Besonders gut gefielen auch die immer wieder mal eingebauten jazzigen Parts, die die sowieso schon vorhandene Variabilität noch weiter steigerten. Sehr sympathisch waren obendrauf die jeweiligen Ansagen zwischen den Tracks und die total lockeren und relaxten Zwiegespräche mit dem begeisterten Publikum. Die Kanadierin konnte neben den weiteren Cover-Versionen "Crazy" ( Willie Nelson, Patsy Cline) und dem sehr witzig mit viel Ironie gebrachten "I'm Your Man" ( Leonard Cohen) vor allem auch durch eigene Stücke wie z.B. "Everybody Sings In Nashville", "Tin Man" oder auch "Dollar And A Suitcase" (um nur mal einige wenige zu nennen) überzeugen.
 Auch auf unvorhersehbare Ereignisse reagierten die zwei Kanadier humorvoll und sehr menschlich. Als um 22:00 Uhr die große Abschlußtür als Schallschutz zugeschoben wurde und dabei - warum auch immer - die Sicherung der Bühnenbeleuchtung rausflog, animierte der beim Wiedereinschalten blinkende Scheinwerfer Ann zu einer kleinen ABBA-Parodie. Der kurz danach erfolgte Ruf 'Ordnungsamt' versetzte die Sängerin in Entzücken – ein neues deutsches Wort gelernt und gleich mehrfach im Flüsterton verwendet.
Während Ann noch flüsternd darüber nachdachte, ob es für gute Stimmung bei den sich ständig beschwerenden Nachbarn sorgen könnte, jedem Anwohner eine Blume in den Briefkasten zu stecken, schlug der pragmatische Pat stattdessen einen 5 Euro-Schein vor und ließ sich ein Handtuch zuwerfen, um damit (und mit Klebebändern) sein Drum-Set zu dämmen. Insgesamt ein sehr gelungener wie unterhaltsamer Abend mit Spitzen-Musikern und richtig starken Songs.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Frank Mallm für die unkomplizierte Akkreditierung und seinen unermüdlichen Enthusiasmus beim Finden neuer Perlen aus aller Welt.
Line-up:
Ann Vriend (keyboards, lead vocals, smiles, jokes & good looks)
Pat Phillips (drums, vocals, additional jokes, Rock'n'Roll warrior)
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