Ich kann mich nur wiederholen: Carl Verheyen ist der spieltechnisch stärkste Gitarrist, den ich gehört habe. Letzten Freitag zum dritten Mal praktisch um die Ecke. Diesmal nicht wie zuvor in der Alten Zeche in Stockheim, sondern im TECnet Zentrum in Küps-Burkersdorf, ebenfalls Landkreis Kronach. Die Location, ein früherer Schulungsraum, gehört dem Verein TECnet Obermain und ist Studio-/Proben-/Konzertraum der Orange Shakers, die gleichzeitig auch die Spitze des Clubs bilden. Eine ausgesprochen praktische Konstellation.
Zwischen der Clubleitung und der Carl Verheyen Band besteht eine langjährige gute Verbindung. Wann immer der Saitenhexer aus L.A. auf Tournee über den Teich kommt, gastiert er auch hier und hat inzwischen einen Fankreis, der den jetzigen Gig innerhalb kurzer Zeit ausverkaufte. Mit rund 100 Gästen war das TECnet Zentrum rammelvoll und die erlebten hautnah eine frische Band am Beginn ihrer diesjährigen sechswöchigen Runde durch halb Mitteleuropa.
Verheyen gehört zu den absoluten Cracks der L.A.-Studioszene mit einer endlosen Liste an Einsätzen bei diversen Musik- und Filmproduktionen; dass er auch als Leadgitarrist bei Supertramp fungiert, ist mittlerweile nur noch eine Randnote. Welchen Status er besitzt (wer unsere RockTimes-News liest, weiß es), hat er nicht ohne Stolz selbst auf der Bühne erzählt: »Yesterday I played in front of 67 million people at the 'Oscars' … and tonight in your club«. Als Gitarrist der Liveband der Verleihungszeremonie, die weltweit im TV gesendet wurde, hatte er auch einen Soloauftritt auf der Akustikgitarre. Dabei gibt sich der Kalifornier alles andere als 'Star', sondern als der permanent freundliche Typ von nebenan, der zwischen den Songs immer wieder Anekdoten aus seinem Musikerleben erzählt. Und wohl mittlerweile ein sorgenfreies Auskommen hat, das ihm auch einen neuen Porsche beschert hat: »German cars are the best in the world!« Und dass er bei seinen Tourgitarren gern auf deutsches Handwerk zurückgreift, wissen wir. Neben der Metz-Custom Strat made in Viersen hatte er diesmal seine Signature Avalon mitgebracht, die mehrfach zum Einsatz kam (mit besonderer Würdigung für den Hausmischer Jürgen Bergmann wegen seines hervorragenden Akustiksounds).
Im Mittelpunkt des zweiteiligen Sets stand das neue Album "Trading 8s", das just an diesem Abend erstmals erhältlich war (offiziell noch nicht auf den Listen und noch vor der Anpressung in den USA!). Auf dieser Produktion hat Verheyen mit einer Reihe weiterer Top-Gitarristen zusammengearbeitet - Freunde, seid gespannt auf die Rezension, in Kürze natürlich hier bei RockTimes! Auch ohne die hochkarätigen Duett-Partner perlten die aktuellen Songs nur so aus den Boxen. Maßgeblich dazu trugen seine beiden Sidemen bei, die auch auf dem Album für das Grundgerüst sorgten. Erneut mit auf Tour Walfredo Reyes jr. (u.a. Ex- Santana) an den Drums und sein alter Partner Dave Marotto am Bass. Jeder für sich ein As, die das Trio zu einer absoluten Superbesetzung machen. Dass sie bereits beim zweiten Gig der Tour perfekt aufeinander eingestimmt waren, zeugt von guter Probenarbeit.
Nach dem üblichen Opener "Hoedown", der Band und Publikum auf Betriebstemperatur brachte, kündigte Verheyen das zwar seit langem live gespielte, aber erstmals nun auf CD aufgenommene "Taxman" an (das einzige Cover auf dem Album), dem als weiterer Dauerbrenner der "Highland Shuffle" mit Reminiszenzen an Irland folgte. Illustriert von amüsanten Storys über seine dortigen Touren mit Whiskey-Verkostungen und der Bühnen-Begegnung mit Henry McCullough, dem Ex- Wings-Gitarristen.
Und so ging es zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) höchst unterhaltsam weiter - neue und alte Songs, lockere Sprüche und ein Publikum, das aus dem Staunen nicht heraus kam, was da an Können und Spielfreude abging. Über Verheyens Grifftechniken konnten selbst die anwesenden Gitarreros nur stauen, bei denen er sogar während des Solospiels mit dem Daumen die hohen Saiten von unten drückte. Spaßvogel Reyes, der bei seinem ersten Auftritt mit der Band noch öfters den Powerdrummer herausgekehrt hatte, untermauerte diesmal den Bandsound mit einem dichten Geflecht komplizierter Rhythmen. Auch bei seinem Solo, letztes Mal noch mit dem Brachialeinsatz der Double Bass Drum, setzte er diesmal auf die subtilen (und entsprechend leiseren) Techniken, was in dem kleinen Saal vom Publikum dankbar aufgenommen wurde. Genauso meisterlich das oftmals co-solistische Spiel von Marotta, der bei "Slang Justice" mit seinem blubbernden bundlosen Bass im Mittelpunkt stand.
Zum Finale beorderte der inzwischen zwar durchgeschwitzte, aber keineswegs geschaffte Carl den Haus-Organisator Stefan Kratofil auf die Bühne, um zunächst einen Gesangspart zu übernehmen. Und hängte ihm schließlich seine Gitarre um, was dem überraschten 'Krato' sichtlich mehr behagte. Der Klampfer der Orange Shakers bekam für seinen respektablen Auftritt reichlich Szenenapplaus. Sowas ist halt auch nur im Club bei entsprechender Stimmung möglich und da die bestens war, gab's auch nochmal reichlich Zugaben samt weiterem Spaßauftritt von Reyes. Anschließend mischten sich die drei Musiker mit ihren Drinks unter die begeisterten Fans, unterhielten sich angeregt und signierten alles, was ihnen unter die Nase gehalten wurde.
Ein Konzert mit einem genialen Gitarristen im Fokus, der unendlich viele Noten in vertrackten Läufen mit Hochgeschwindigkeit in kalifornischer Leichtigkeit blitzsauber spielte, aber trotzdem alles andere als ein verquerer Frickler ist. Komplexe Songs in verschiedenen Stilarten, die großes Können der drei Musiker verlangen, aber dank entsprechender Melodik und Emotion ein Hörgenuss bleiben und kein intellektueller Anschauungsunterricht. Die Kopf und Bauch gleichermaßen bedienen, die trotz aller künstlerischen Feinheiten ohne Ende grooven - Die Carl Verheyen Band live 2009!
Line-up:
Carl Verheyen (guitar, vocals)
Dave Marotta (bass)
Walfredo Reyes jr. (drums, percussion)
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