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Uriah Heep & Nazareth / 04.05.2012, Westpfalzhalle, Zweibrücken
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Uriah Heep & Nazareth
Westpfalzhalle, Zweibrücken
04. Mai 2012
Stil: Rock
Konzertbericht
Review vom 13.05.2012
Boris Theobald
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Nicht schlecht... lange Schlangen vor der Zweibrücker Westpfalzhalle deuteten das große Interesse am Klassiker-Doppelpack an. Geschätzt 1400 Leute guckten ' Heepzareth'. Die Location ist eine Turnhalle, in der normalerweise unter anderem Handbälle geschmissen werden - inklusive aufgebauter Tribüne war die Westpfalzhalle aber ganz gut gerüstet. Das Publikum war ein wilder Mix aus Altrockern und Metaljüngern, die womöglich einst zu den Klängen von "Dream On" oder "Lady In Black" gezeugt wurden - zu einer Zeit, als diese Songs schon lange, lange Klassiker waren. Die Schöpfer des ersteren erschienen beinahe pünktlich um acht auf der Bühne. Doch Nazareth hinterließen bei vielen gespannten Zuschauern am Ende einen zwiespältigen Eindruck. Da war auf der einen Seite das wohlige Gefühl, Legenden bei der Arbeit gesehen zu haben. Und auf der anderen Seite die Enttäuschung darüber, dass es viel zu selten kribbelte und der Auftritt zeitweise halbherzig wirkte.
Nazareth kamen ohne große Show auf die Bühne: lächeln, winken, loslegen. Harter, dreckiger Rock im Mitteltempo war vor allem angesagt. Und im Vergleich zu Dan McCaffertys Stimme ist ein amtliches Reibeisen nach wie vor nicht mehr als eine mickrige Nagelfeile, das musste wohl jeder zugeben, der dabei war! Der coole, klagende Gesang zum lässig gezockten Riff von "This Month's Messiah" war live schon unnachahmlich. Noch beeindruckender war es, wie der Mann bei "Changin' Times" den ersten, irre hohen Ton rausbrachte. Dazu gab es von Jimmy Murrison ein sehr geiles Gitarrensolo. Zum Highlight der Show avancierte sicherlich das makellose "Whiskey Drinkin' Woman", bei dem die Band nochmals den Blues-Faktor erhöhte - hier glänzten Nazareth ganz in ihrem Element. Leider blieben solche Höhenflüge aber die Ausnahme; die Show war oft durchwachsen.
Jimmy Murrison wirkte geistig doch arg abwesend. Dazu meinte er dann auch noch, unbedingt übertrieben 'sleazy' spielen zu müssen - das Ergebnis war, dass es ungenau wurde. Den Gänsehaut-Klassiker "Dream On" versaute er mit seltsamen Dissonanzen. Basser Pete Agnew machte einen soliden Job, ist aber auch keine Rampensau vor dem Herrn; und Sohnemann Lee am Schlagzeug langweilte mit der Zeit mit seiner monotonen Spielweise. Leider wetzte Supercharismatiker Dan McCafferty diese Scharten nur unzureichend aus. Er sagte auf Deutsch, wie sch... sein Deutsch sei. Er witzelte über den Inhalt seiner Flasche ( »Nohoooo! Wasser!!«) und beließ es bei eher halbherzigen Versuchen, das Publikum zu animieren. Wahrscheinlich war er aber angeschlagen; ein paar Probleme mit dem Handling von Atemwegssekreten waren nicht zu übersehen.
Immer wieder höflicher Applaus für den sympathisch auftretenden Frontmann - aber richtig toben wollte die Halle nie. Das aktuelle Album "Big Dogz" wurde umschifft - schade, "When Jesus Comes To Save The World Again" hätte ich gern gehört. Aber gut, die meisten warteten auf Klassiker. Doch ausgerechnet so etwas Dynamisches wie "This Flight Tonight" konnte nicht richtig zünden. Vielleicht lag es mit daran, dass sich die Halle nicht komplett abdunkeln ließ - bis fast zum Schluss war es viel zu hell. Gegen Ende hob sich die Stimmung etwas: Die umwerfende Hookline von "Hair Of The Dog" (inklusive Dudelsack) und der Zugabenteil aus "Night Woman", "Razamanaz" (endlich etwas Wallung im Blut) und "Love Hurts" (Ja! Gänsehaut-Gesang!) versöhnten etwas. Dan McCafferty zu erleben war es auf jeden Fall wert. Der Mann hat großes Charisma; und seine Stimme ist einfach eine Gabe. Aber dem Gesamtauftritt fehlte Energie und Überzeugungskraft - da blieb viel Potenzial einfach ungenutzt.
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Uriah Heep
Und was für einen Gegensatz dazu boten Uriah Heep! Die Band hatte von Anfang an Power wie ein explodierender Vulkan und legte eine Spielfreude an den Tag, die ihresgleichen sucht. Schon beim Einsteiger "Against The Odds" spielte sich die Truppe in Ekstase; und Front-Blondling Bernie Shaw wirbelte wie ein tasmanischer Teufel umher, was der Qualität seines Gesangs keinen Abbruch tat. Das grenzte schon an Perfektion. Bei "Sunrise" und am Schluss von "July Morning" stieß er sogar Schreie aus, die andere Sänger mit Mitte 30 so allmählich im Kellerschrank verstauen. Er sang sogar die ganz hohen Tonspuren der Studioaufnahmen, während die gewohnt bärenstark singende Band den 'normalen' Gesang übernahm. Kaum zu fassen, aber Bernie Shaw und Konsorten überzeugten noch mehr als im Jahr zuvor.
Die Band hielt immer wieder die Spannung hoch, sei es mit magischen Nummern wie "Gypsy" oder gnadenlos rockenden Stücken wie "Too Scared To Run". Apropos "Too Scared To Run"... wer hätte schon damit gerechnet? Die Band hatte auf der Setlist bei den älteren Stücken einiges ausgetauscht, um nicht auf jeder Tour dasselbe Programm zu bieten! So 'fehlten' im Vergleich zu 2011 "Stealin'", "Rainbow Demon" oder "The Wizard" (ooooh!) dafür überraschten Uriah Heep mit "All My Life" oder dem Uralt-Anti-Kriegssong "Come Away Melinda", inklusive Anekdote von Bandboss Mick Box. Der kam mal wieder enorm sympathisch und bodenstänig rüber - ein idealer Ruhepol neben dem aufgedrehten Bernie Shaw - ein Typ zum Knuddeln! Wenn sich Mick Box bei den Leuten bedankt und erklärt, dass sich keiner vorstellen kann, wie dankbar die Band für die Unterstützung und jedes gekaufte Ticket ist, dann glaubt man ihm das!
Und die Zuschauer gaben der Band diese Zuwendung mit euphorischem Beifall zurück. Uriah Heep verdienten sich das am laufenden Band. Alle typischen Trademarks kamen überwältigend gut rüber, vom verwunschen-schönen Satzgesang über Mega-Hooks bis hin zu den technischen Großartigkeiten, die auch Prog-Fans mit den Ohren schlackern lassen. Fans der 'Generation Dream Theater' müssen Uriah Heep unbedingt mal gesehen haben - ohne den Live-Beweis glaubt ohnehin keiner, auf welchem Niveau die spielen, Wahnsinn! Und wer sich längst davon überzeugt hat, aber die Band noch nicht mit Drummer Russell Gilbrook kennt: unbedingt nachholen! Er macht die Stücke noch komplexer und wuchtet ins Intro von "Gypsy" mal eben eine Portion Double Bass mit rein.
Dass Uriah Heep immer wieder Neues zu bieten haben, bewiesen sie nicht zuletzt mit den großartigen Nummern vom aktuellen Album "Into The Wild". Der Titeltrack ist ein dramatischer Gänsehaut-Epiker, der den Klassikern in nichts nachsteht. Und "Nail On The Head" zeigt, wie die Band auch heute noch prägnante Rock-Ohrwürmer schreibt, die ganze Hundertschaften vor der Bühne zum Wippen und Tänzeln bringen. Gesungen wurde auch - die "Lady In Black"-'Aaah-aah-aahs' aus mehr als 1000 Kehlen. Im Zugabenpart pries Mick Bock (mal wieder) "Free 'n' Easy" als einen der ersten Heavy Metal-Songs aller Zeiten an, obwohl er gar nicht sooooo gut sei (da grinste er, der kleine, graue Witzkeks, haha!) und lud alle Frauen zum Headbangen auf die Bühne ein. Auch ein paar langhaarige Herren folgten dem Aufruf. Immer wieder ein Hingucker!
Der gesamte Uriah Heep-Auftritt war ein einziger Höhepunkt und endete in Partystimmung. Ganz großes Handwerk, ganz großes Feeling und ganz große Lust, sich den Fans zu zeigen. Zwischen Band und Zuschauer passte kein Blatt. Und ganz entgegen anfänglicher Befürchtungen sorgten die Turnhallen-Tontechniker in der Westpfalzhalle für einen richtig starken Sound. Nicht auszudenken, wenn Nazareth und nicht Uriah Heep am Schluss gespielt hätten. Es war zwar toll, den Doppelpack erlebt zu haben; aber live on stage - Stand: 2012, zumindest hier - spiel(t)en Nazareth (trotz starken Albums!) in der 2. Liga und Uriah Heep in der Champions League. Husch, ab, ins Stadion!
Danke schön an Roland Nilles von Kultopolis für die problemlose Akkreditierung.
Line-up Uriah Heep:
Bernie Shaw (lead vocals)
Mick Box (guitar & vocals)
Phil Lanzon (keyboards & vocals)
Trevor Bolder (bass guitar & vocals)
Russell Gilbrook (drums & vocals)
Line-up Nazareth:
Dan McCafferty (lead vocals)
Jimmy Murrison (guitar)
Pete Agnew (bass & vocals)
Lee Agnew (drums)
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