»Bitte nicht füttern« hieß es im Orchestergraben des Münchner Gärtnerplatztheaters. Statt des üblichen Orchesters hatten dort diesen Sommer die Pfälzer Prog-Metaller von Vanden Plas Platz genommen und ihr Konzeptalbum Christ 0 zum Besten gegeben, während Sänger Andy Kuntz auf der Bühne die Hauptrolle der Rockoper spielte. Als musikalischer Leiter war es der Job von Keyboarder Günter Werno, die Metalsongs theatertauglich zu machen. Nach der Rückkehr von Vanden Plas aus der Bayern-Metropole haben wir uns mit dem Saarländer unter den Pfälzern unterhalten.
RockTimes: Hallo Günter, erstmal vielen Dank, dass Dir die Zeit für RockTimes nimmst! Wie war der Betriebsausflug nach Bayern?
Günter: Es war ein Riesenerfolg, aber auch viel Arbeit! Wir waren ein bisschen gespannt, ob wir die Erwartungen würden erfüllen können, die an uns gestellt wurden - als Resumee kann man aber sagen, das haben wir auf jeden Fall geschafft. Von übertroffen mag ich nicht sprechen, aber die 15 Vorstellungen waren mindestens zu zwei Dritteln gefüllt, die Zuschauerresonanz war sehr groß. Und es gab was Besonderes, das haben mir die Techniker vom Staatstheater gesagt: es gibt normalerweise im Münchner Gärtnerplatztheater nie Standing Ovations - und bei uns gab es das bei jeder Vorstellung zum Schluss.
RockTimes: Welche Sorte Mensch ist denn zu den Aufführungen gekommen? Nicht nur das klassische Theater-Stammpublikum, oder?
Günter: Das war auch da, zum Teil! Aber es war auch etwas jüngeres Publikum da, es waren auch Schulklassen da. Es war total gemischt, so von 14 Jahren bis 60, oder auch über 70. Vereinzelt waren sogar Leute mit Kindern drin, das war für die eine Szene vielleicht nicht so angebracht...
RockTimes: Du meinst den etwas anzüglichen Solo-Auftritt von Villefort, der sich mit Prostituierten vergnügt...
Günter: Ja, ja, diese Pseudo-Nacktszene halt... bei der ich gerne auf der Bühne gestanden hätte! (lacht)
RockTimes: Im Pfalztheater Kaiserslautern habt ihr ja schon einige Rockopern und Musicals realisiert. Dort habt ihr ein Heimspiel. Aber in München haben euch die Leute ja nicht gekannt. Wie erklärst du es dir, dass ihr das Zielpublikum tatsächlich angelockt habt?
Günter: Das Gärtnerplatztheater hat natürlich gezielt Werbung gemacht. In der U-Bahn liefen zum Beispiel Plakat-Laufbänder, auf denen "ChristO" gezeigt wurde. Und das hat die Leute, glaub ich, schon neugierig gemacht. Vielleicht hätte man da sogar noch mehr machen können, dennoch sind wir sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten, unsere Musik in dieser großen Stadt auf die Bühne bringen zu können. Und es gab auch eine Menge Leute, die nur wegen uns kamen. Wir hatten zum Beispiel in der vorletzten Show zwei Vanden Plas-Fans aus Australien, die extra wegen dieser Show gekommen waren und in München dann noch Urlaub gemacht haben. Und das Witzige war, die beiden hatten sich nicht gekannt. Die kamen unabhängig voneinander, haben sich dann in München getroffen und festgestellt, dass sie beide aus Australien sind, sogar beide aus Sydney!
RockTimes: Das Staatstheater am Gärtnerplatz ist ja eher traditionell ausgerichtet. Wie ist es ausgerechnet im feinen Gärtnerplatztheater überhaupt zur Inszenierung einer Rock-Oper gekommen und warum warum dann ausgerechnet "ChristO" von und mit Vanden Plas?
Günter: Andy Kuntz hat 2006/2007 in Augsburg sehr erfolgreich den Judas gespielt in einer super Inszenierung von "Jesus Christ Superstar" unter dem damaligen Intendanten Ulli Peters. Andy Kuntz hat sich in Augsburg einen regelrechten Kultstats erspielt, war sehr beliebt und musste sogar auf der Straße Autogramme geben. Ulli Peters ist seit dieser Saison der neue Chef vom Gärtnerplatztheater. Er hat Andy sozusagen mitgenommen und uns im Gepäck und hat uns vor anderthalb Jahren gefragt, ob wir was schreiben würden. Andy hatte natürlich die "Christ 0" im Gepäck und gesagt, diese CD ist dafür produziert, dass wir sie irgendwann mal auf die Bühne bringen.
RockTimes: Was war genau dein Job als musikalischer Leiter von "ChristO", wie macht man Progmetalsongs operntauglich?
Günter: Dazu gehört zu allererst, die Songs in Noten zu setzen. Ohne Noten kann man meiner Meinung nach bei den Proben nicht professionell arbeiten. Wir hatten ja auch den Theaterchor zur Verfügung, von dem ich ein ganz großer Fan bin. Weil unsere Refrains so eingängig sind, eignen sie sich sehr dafür, dass ein Chor ein paar Lines mit übernimmt. Dazu gehört es dann natürlich auch, den Chor zu setzen. Dann wurden noch Sachen dazukomponiert. Stephan [Stephan Lill, Vanden Plas-Gitarrist - Anm. d. Verf.], Andy und ich haben drei weitere Songs geschrieben, um auf der Bühne die Handlung voranzutreiben. Dann muss der musikalischer Leiter auch den Überblick wahren. Bei so einem Haufen von teils sehr egomanischen Solisten ist es schon schwer, die mal zu bremsen, wenn's mit ihnen durchgeht. Wenn es nach denen gegangen wäre, würden die jetzt noch ihren Schlusston halten (lacht). Also man muss solche Leute mal stoppen, aber ich bin saufroh mit ihnen gearbeitet zu haben - alle durchweg superprofessionelle Sänger, schöne fetzige Rockstimmen! Da musste ich die Songs auch an die anderen Stimmen anpassen. Andy singt in seiner Lage, und wenn er jetzt ein Bariton singt, dann muss man die Songs transponieren. Dann kommt man mit den Instrumenten auch wieder auf andere Ideen. Zum Beispiel kam mir beim Arrangieren ein zweiter Teil von "Wish You Were Here" in den Sinn, den es so auf der Platte eigentlich gar nicht gibt.
RockTimes: Mir war aufgefallen, dass die Reihenfolge der Stücke eine ganz andere war als auf eurem Album und dass die Lyrics verändert wurden. Warum?
Günter: Auf der Platte gibt es immer wieder Zeitsprünge hin und her. Auf der Bühne geht das natürlich nicht. Da mussten wir kucken, wie folgen die Songs aufeinander, damit die Handlung auch schlüssig wird. Und die Texte wurden noch etwas griffiger formuliert. Die Texte von Andy auf der CD sind sehr bildhaft. Auch wenn wir aus Songs Duette gemacht haben, müssen Kleinigkeiten geändert werden.
RockTimes: Wer ist auf die Idee gekommen, zusätzlich alte Vanden Plas-Stücke mit einzubauen?
Günter: Es gibt ja in dem Stück ein Verschwörer-Terzett: Danglars, Villefort und Mondego, und dazu wollten wir noch einen neuen Song schreiben. Es sollte ein harter Metalsong werden, der nach vorne geht. Dann wurde die Zeit immer knapper, und dann ist uns eingefallen, wir brauchen gar nix Neues, wir haben "Judas"! Das hat textlich zu 80 Prozent schon so gepasst, dass man das einfach übernehmen konnte. Und "I Don't Miss You" ist sowieso immer eine meiner Lieblingsballaden gewesen. Wir haben es umarrangiert. Auf der Platte ["Far Off Grace" - Anm. d. Verf.] sind es ja nur ein Piano und ein paar Streicher. Wir haben es hier mit voller Band gespielt, und es hat sich herauskristallisiert als die Ballade des Stücks.
RockTimes: Metalband und Theater, das sind ja zwei verschiedene Welten. Lassen sich die miteinander vergleichen?
Günter: Es ist ja für uns ne super interessante Sache, im Theater Musik zu machen. Musizieren im Theater ist was komplett anderes als auf der Bühne. Natürlich sind die Leute im Konzert auch sehr aufmerksam, sie kommen ja schließlich wegen dir. Aber im Theater, da ist es noch mal was ganz anderes. Die Leute sitzen, sie sind alle ruhig, du hast ein sehr, sehr aufmerksames Publikum, was die Sache etwas spannender macht, und dann dazu die Komponente der Darsteller auf der Bühne... Es ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen, aber es ist ne sehr interessante Sache. Auf dem Konzert heißt es schon mal, »ich geh mir mal 'n Bier holen«, das geht im Theater nicht, deswegen gibt's ja die Pause zwischendurch (lacht). Damit will ich sagen, dass uns das Ganze auch wirklich Spaß macht, dass wir reingewachsen sind in die ganzen Produktionen. Und dass es uns auch gar nicht ums Geld geht, wir würden das auch umsonst machen (lacht)...
RockTimes: Wenn du es schon ansprichst, noch diese unmoralische Frage... Prog-Metaller, wenn sie nicht gerade Dream Theater heißen, müssen ja oft finanziell am Hungertuch nagen. Wie kann man's denn mit Rockopern so aushalten?
Günter: Ja natürlich, da draußen steht mein Mercedes, ist zwar nur C-Klasse, aber was solls (lacht und deutet durchs Fenster auf irgendwas, das kein Mercedes und schon gar keine C-Klasse ist). Also das ist unterschiedlich. Die reinen Musiker verdienen ein bisschen weniger, aber auch ganz gut. Als musikalischer Leiter gibt's dann ein bisschen mehr. Und der richtig fette Absahner ist der Andy bei uns als Solist auf der Bühne. Aber Spaß beiseite: wir werden keine Millionäre davon... wenn ne Saison ist, dann kann man ganz gut davon leben, wenn nichts ist, dann wird's wieder kritisch, dann müssen wir kucken, dass wir was anderes machen. Deswegen geben wir ja alle noch Unterricht, sind alle noch Musiklehrer, außer Andy, der hat viel Zeit (lacht).
RockTimes: In Kaiserslautern, da gab es "Nostradamus", "Abydos", "Ludus Danielis"... die Liste Eurer Auftritte im Pfalztheater in den vergangenen Jahren ist lang. Kann man auch in Zukunft damit rechnen, euch wieder im Theater zu sehen oder zu hören?
Günter: Absolut! Vanden Plas spielt im November "Hair" im Pfalztheater und ich bin wieder musikalischer Leiter. Das ist vielleicht für Metaller ne Lachnummer. Das ist ja gar nicht unsere Musik, aber ich freu mich schon drauf wie ein kleines Kind. So ein bisschen Soul, Funk ist da ja immer drin... das macht super Spaß, wollt ich immer schon Mal spielen! Ich bin gerade dabei zu arrangieren, alles ein bisschen fetziger zu machen. Außerdem bin ich sehr optimistisch, dass "Ludus Danielis" in Kaiserslautern oder sonstwo noch mal aufgeführt werden wird. Das Stück ging relativ zeitig nach der Premiere in den Verlag, Felix Bloch Erben, das ist ein riesiger Theaterverlag. Unter anderem ist da auch Andrew Lloyd Webber mit "Jesus Christ Superstar". Also sind Webber und ich jetzt Verlagskollegen (lacht). Und dieser Verlag ist dazu da, Stücke an die deutschen Bühnen zu bringen.
RockTimes: Heißt das, Vanden Plas liegt völlig auf Eis? Schon auf "Christ 0" mussten die Fans vier lange Jahre warten. Dauerts bis zum nächsten Album wieder so lange?
Günter: Ich glaube nicht, das dürfte ein bisschen schneller gehen! Stephan hat schon einige Songs geschrieben. Ich hab auch schon Ideen für neue Songs, ich glaube drei hab ich jetzt schon. Wir machen es so dass wir die Songs immer erstmal zu Hause fertig produzieren, um sie uns dann zeigen zu können und dran zu arbeiten. Ich schätze mal in nem Jahr könnte es was Neues von Vanden Plas geben.
RockTimes: Gute Nachrichten! Außerdem hattet ihr ja mal eine erste Live-DVD geplant... Letzten Herbst wolltet ihr beim Prog Power USA in Atlanta auftreten und euren Gig mitschneiden. Kam aber alles anders als geplant...
Günter: Ja, ich bin immer noch ein bisschen verstimmt über diese Zöllner! Wir kamen da voller Elan am Flughafen in Detroit an und hatten vom Veranstalter genau wie ein paar Jahre davor, als wir dort waren, die gleichen Informationen und Papiere gekriegt. Und die Zöllner sagten nein, wir müssen erst nochmal checken, was das da für ein Festival ist. Sie hatten dann gesagt, es wären die falschen Papiere. Das Problem war, wir wollten den Gig nur als Promo spielen und hatten entsprechende Papiere, aber der Veranstalter verlange Eintritt, daher wäre das Ding kommerziell. Doppelt unlogisch, denn das Geld, das dort eingenommen wird, kurbelt ja wenn wir kommen die Wirtschaft im eigenen Land an - wir nehmen ja nix mit. Nun gut, sechs Stunden mussten wir Rede und Antwort stehen, Fingerabdrücke Fotos, jeder von uns hat jetzt ne dicke Akte in Amerika! Stephan, Andreas, unser Techniker und ich waren eigentlich schon drin, nur Torsten [Torsten Reichert, Vanden Plas-Bassist - Anm. d. Verf.] und Andy, die wurden kurz mal 'interviewt', beide mit den langen Haaren und Thorsten mit dem Bart... das Personal im Flughafen hat uns dann mit Security wieder gesucht und zurückgeholt. Aber ich war quasi schon in Amerika, zumindest kann ich sagen, in der Zeit war ich schon mal auf ner amerikanischen Toilette (lacht). Es war schrecklich, mit dem nächsten Flugzeug heim zu fliegen, da wurden wir natürlich dann angekuckt als hätten wir was verbrochen. Das war ne super enttäuschende Sache.
RockTimes: Noch eine Frage zu dir persönlich: Du bist ja auch immer wieder als Gastmusiker auf Rock- und Metalscheiben zu hören, beim Consortium Project, D.C. Cooper oder Michael Kiskes Place Vendome zum Beispiel, bist Du auch wieder in irgendwelchen Projekten dieser Art involviert?
Günter: Ja, ich bin jetzt bei "Place Vendome 2" dabei. Ich hab gerade eben noch die letzte Datei runtergeladen. Dennis Ward, der die Scheibe produziert, hat mir eben die Files zugeschickt und ich fang heut Abend noch an, zu arbeiten. Es werden zehn Songs. Ich hab sie als mp3s und zu denen kann ich dann spielen und denk mir was aus.
RockTimes: Ganz schön viel zu tun, aber bestimmt ein toller Job. Danke, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast, und noch viel Spaß mit dem imaginären Mercedes!
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