Es gibt Momente im Leben, die rundum perfekt sind. Man lächelt... ist glücklich... der Kopf ist leer und die Sorgen und Probleme sind kurzzeitig vergessen. Einer dieser besagten Momente war am vergangenen Freitag. Nach einer sehr anstrengenden Woche saß ich morgens müde und verschlafen mit meinem Frühstück vor dem Rechner und checkte gerade meine E-Mails, als mir der Müslilöffel mit einem lauten Scheppern in die Schüssel stürzte und die Milch zur Flucht zwang. Es hatte doch noch geklappt! Mit Herzklopfen las ich die englischen Zeilen, die mir verhießen, dass ich am Nachmittag beim Meet & Greet mit meiner Lieblingsband dabei sein würde. Einige mit Spannung erfüllte Wochen waren vergangen, jedoch kam keine Rückmeldung bezüglich des kleinen Contests, bei dem ich mitgemacht hatte und so legte ich dieses Thema irgendwann gedanklich beiseite und dachte mir: 'Nun, man kann ja nicht immer Glück haben, was soll's.' Umso erfreuter blickte ich nun auf diese verheißungsvollen Zeilen und hüpfte sogleich laut jubelnd durch meine Wohnung - der Nachmittag konnte kommen!
Ein paar Stunden später befanden wir uns (an Bord: die beste Konzertbegleitung der Welt - Hallo Mutti!) auf dem Weg nach Dresden zum Messegelände. Eigentlich wollten wir zuerst unser Hotelzimmer beziehen, um dann in Ruhe pünktlich unsere Position vor den Eingangstoren einzunehmen, jedoch brachte diese Neuigkeit eine Planänderung mit sich, weshalb wir gleich zur Messe fuhren. Nach einigem Suchen und Wundern, wo genau denn der Eingang zu finden ist sowie netten Hinweisen der Securities, die fleißig die Zäune sicherten, während andere Mitarbeiter begannen, erste Würstchen auf der Grillplatte zu platzieren, fanden wir uns schließlich doch noch an der richtigen Stelle ein. Diese war entgegen aller morgendlichen Ankündigungen nicht wirklich mit Hinweisen bezüglich des Meet & Greets versehen. 'Gar kein Problem', dachte ich mir, 'dann stelle ich mich einfach hier hin und warte mal ab, was passiert'.
Nun... die nächsten eineinhalb Stunden passierte erst mal gar nichts. Obwohl wir uns PÜNKTLICH 16:30 Uhr an der vorgesehenen beschilderten Zone einfinden sollten - OHNE AUSNAHME, versteht sich. Wenigstens kam zumindest irgendwann ein verwirrt blickender Amerikaner vorbei und klebte einen 'Meet & Greet'-Hinweis direkt vor mir auf die Wand. 'Sehr gut, ich bin hier völlig richtig... dann warten wir mal weiter', beschloss ich. Es war ganz schön kalt. Mittlerweile stand ich allein, umgeben von anderen Wartenden, vor der Absperrung - meine Mom hatte sich ins Auto verzogen. Bis zum offiziellen Einlass war es ja noch reichlich Zeit und die Kälte kroch langsam aber sicher durch jede Körperzelle. Endlose Minuten vergingen. Irgendwann blickte ich auf die Uhr und sah, dass wir schon über eine Stunde warteten, ohne dass irgendetwas passiert war. 16:30 Uhr war längst vorüber. 'Die werden das doch nicht einfach absagen, ohne uns zu informieren?!', dachte ich und ein mulmiges Gefühl machte sich in der Magengegend breit. Nach einer weiteren halben Stunde war meine Stimmung - ähnlich wie meine Körpertemperatur - am Gefrierpunkt angekommen. Plötzlich stand meine Mutter neben mir und fragte, ob sie mein dick verpacktes Foto und die Autogramm-Utensilien mit ins Auto nehmen solle. Ich gab ihr alles mit, behielt nur mein Ticket bei mir und besetzte stur weiter meinen Standort - wenn das Treffen schon ausfiel, wollte ich wenigstens noch meinen heißgeliebten Platz in der ersten Reihe ergattern. Circa fünf Minuten, nachdem meine Mom sich wieder in Richtung Auto begeben hatte, kam der Amerikaner wieder. Diesmal weniger verwirrt, sondern etwas unsicher, aber dennoch freundlich blickend. Sogleich fragte er, ob jemand Englisch könne und sagte, das Meet & Greet ginge jetzt los, wir sollten bitte unsere Tickets und Ausweise vorzeigen.
NNNEEEEEIIINNN!!! Mein innerer Schrei war vermutlich durch die Schädeldecke hindurch bis in die unendlichen Weiten des Universums zu hören und schreckte dort die Außerirdischen auf.
Sofort zückten die klammen Finger das iPhone und schrieben - für Rechtschreibung und Grammatik war jetzt keine Zeit mehr - einen halbwegs lesbaren Text, dass es nun doch noch losging und sie uns hineinlassen. In Lichtgeschwindigkeit erhielt der kleine viereckige Apfel eine Antwort von der besten Mutter der Welt, ob sie mein Foto schnell wieder zurückbringen solle, woraufhin ich nur noch gelähmt und halb verzweifelt antwortete: 'Wenn du rennst!' Gefühlte 10 Sekunden später schoss eine kleine 53-jährige Frau im Sprinttempo wie ein geölter Blitz über den Platz und zog während des beeindruckenden, olympiaverdächtigen Laufes alle Blicke auf sich, bevor sie mir - völlig außer Atem, aber mit einem breiten Lächeln im Gesicht - meinen dicken Umschlag überreichte. GOTT SEI DANK! Meine Welt war gerettet und ich klebte mir zitternd den 'Rebels & Angels'-Aufkleber in tollem roten Volbeat-Design sichtbar auf meine Jacke und trottete aufgeregt und glücklich der Schlange hinterher, die vom Amerikaner ins Innere der Halle angeführt wurde. Weit gingen wir nicht, man führte uns in das Foyer, wo allerlei kleine Buden standen - auch die Garderobe war hier platziert. Umgehend erhielten wir die Anweisung, uns alle in einer Reihe an der Wand aufzustellen, unsere Kameras startklar zu machen und unsere Autogrammunterlagen bereitzuhalten. Man sagte uns, es würden jeweils zwei der Bandmitglieder kommen. Kurz darauf erschienen auch schon Michael und Jon mit einem überaus netten Lächeln - Michael elegant in Jogginganzug und Mütze gehüllt, Jon wie gewohnt in schwarzen Klamotten. Er gesellte sich ans linke Ende der Schlange, während Michael vorne rechts bei uns anfing und sich bei jedem von uns höflich und sehr nett vorstellte, während er uns die Hand reichte.
Ich war zwischenzeitlich im Himmel angekommen und stand glückselig mit meiner Kamera in der Reihe, beobachtete das Treiben und machte begeistert Fotos. Schließlich stand er mir gegenüber, stellte sich vor, bemerkte jedoch - das war offensichtlich - im selben Moment, dass wir uns schon mal irgendwo begegnet waren, was er jedoch so schnell nicht zuordnen konnte. Da es nicht meinem Naturell entspricht, mich bewusst in den Vordergrund zu drängen, sagte ich nichts weiter, sondern fragte an dieser Stelle lieber höflich, ob er mir mein Foto und das Ticket unterschreiben würde, was er sogleich tat. Ich war auch viel zu aufgeregt, um ein Gespräch zu beginnen, das muss ich ehrlicherweise zugeben. Anschließend machten wir ein sehr schönes Bild und er zog weiter, während sich Jon von links näherte. Das Treiben wiederholte sich, auch von ihm bekam ich mein langersehntes Autogramm, dass ich von nun an wie meinen Augapfel hüten werde, und ein schönes Bild, auf dem wir ganz allein zu sehen sind. Stolz in seiner vollendeten Form erfüllte meinen Brustkorb! Die beiden gingen alsbald mit freundlichen Worten davon und es dauerte nicht lange, bis Thomas und Anders um die Ecke gebogen kamen. Auch hier fielen nette Worte, es wurden Autogramme gegeben und Fotos gemacht. Man lächelte ein wenig um die Wette. Nach dem kurzen, aber sehr schönen Treffen durften wir in der Halle bleiben und ich war begeistert von einem vollkommen leeren Front-of-Stage Bereich, so dass ich sofort meine Position mittig links, an der Absperrung einnahm - allerdings nicht ohne mit etwas Beklemmung an den Pogo zu denken, den ich ein Jahr zuvor beim Berlin-Konzert beobachtet hatte. Damals war ich froh gewesen, nicht ganz vorne zu stehen, sondern mich mehr auf die Seite geschlagen zu haben. Aber die Verlockung war einfach zu groß - ich hielt ihr nicht stand. 'Zur Not muss ich mich eben rausziehen lassen, bevor die Rippen zerquetscht werden', dachte ich. Ich genoss ein bisschen die Atmosphäre und es dauerte nicht lange, bis die ersten Fans in die Halle gesprintet kamen. Auch Mutti erblickte mich sogleich - das hatte ja schon mal geklappt, sehr gut. Jetzt ging die Warterei los und ich merkte, dass ich vor Stunden das letzte Mal etwas gegessen hatte. Keine so guten Voraussetzungen für einen langen und anstrengenden Konzertabend. Aber das Risiko zu riskieren, meinen Platz zu verlieren wog schwerer und so verbot ich meinem Magen, weiterhin so laut zu knurren. Nach geraumer Zeit des Wartens, mit netter musikalischer Begleitung - unter anderem von AC/DC
- kam die Vorband Clutch auf die Bühne und ich fragte mich umgehend, an wen der Sänger mich erinnerte, kam jedoch nicht gleich drauf. Die Musik war im Großen und Ganzen nicht mein Geschmack, obwohl einige Blueselemente durchblickten, die mir gefielen. Aber der Reiz, die Stimme und das Ausdrucksvolle fehlten mir. Auch wurde mir zu viel geschrien, was ich grundsätzlich nicht mag - mit Gesang hatte das bedauerlicherweise nicht allzu viel zu tun. Darüber hinaus befremdete mich der Sänger etwas, der wie ein Diktator mit eiserner Miene und dunklem Vollbart auf der Bühne stand. Nichts und niemand konnte ihn zu einem Lächeln bewegen, obgleich er sich nach jedem Lied, wenn auch mit versteinertem Gesicht, bedankte. Ha, jetzt war es mir eingefallen! Wie Fidel Castro sah er aus! Das machte die Musik für mich auch nicht besser und so nahm ich die Darbietung, die nicht allzu lange dauerte, stillschweigend, aber respektvoll applaudierend hin.
Nach einem zeitlich beachtlichen Bühnenumbau verstummte endlich die Musik, der Vorhang fiel und Volbeat betraten mit "Hallelujah Goat" die Bühne. Die Halle tobte augenblicklich und meine Befürchtungen begannen sogleich Gestalt anzunehmen. Die ersten Lieder war es noch einigermaßen erträglich, auch die beginnenden Crowdsurfer störten mich nicht. Im Verlauf der Show schob sich jedoch die Masse unaufhaltsam vorwärts, so dass wir, wenn ich mich umschaute, alle in etwa so gequetscht standen, wie die Menschen letztes Jahr bei der Loveparade, als die Massenpanik geschah. Das fand ich alles andere als lustig und fragte mich wieder einmal, weshalb grundsätzlich nicht etwas weniger Leute in den Front-of-Stage Bereich gelassen werden, schließlich gab es auch in Deutschland schon Konzerttote aufgrund solcher Platzverhältnisse. An dieser Stelle möchte ich bewundernd erwähnen, dass meine Mom mich die gesamte Zeit über wie eine kämpfende Löwin beschützt hat und das, obwohl sie mit ihren 53 Lebensjahren dafür selbst enorm Kraft aufbringen musste. Direkt neben und hinter uns standen zwei nette Gentlemen, die offenbar ihre Manieren direkt von Mutter Flodder oder Al Bundy übernommen hatten und drängelten was das Zeug hielt - ein Umstand, der mich irgendwann dazu veranlasste, dem Mittvierziger kräftig gegen den Brustkorb zu hauen, um ihn davon abzuhalten, meine Mutter zu zerquetschen. Das fand dieser wenig witzig und innerlich stellte ich mich schon auf ein handgreifliches Gerangel ein - was nicht das erste Mal gewesen wäre. Er beruhigte sich jedoch wieder, wurde uns dadurch aber nicht weniger unsympathisch. Kurzum: unsere Bewegungsfreiheit war ab einem gewissen Zeitpunkt so weit eingeschränkt, dass hüpfen oder gar tanzen undenkbar waren. Lediglich mitsingen, fotografieren und den Kopf bewegen lag im Rahmen des Möglichen.
Das war allerdings der einzige negative Aspekt dieses Abends - abgesehen von den bereits erwähnten unmöglichen Konzertbesuchern. Die Band spielte alle "Ausraste-Songs", wie ich sie liebevoll zu nennen pflege und auch den Großteil meiner Lieblingslieder - mir fehlte eigentlich nur "Soulweeper", aber man kann eben nicht alles haben. Die Jungs schauten oft zu uns herunter und ich lachte und scherzte mit Anders, der stets zu Witzen aufgelegt ist und das Glücksgefühl dadurch umfassend zu steigern weiß. Auch hatten wir einen sehr netten Security-Mitarbeiter genau vor unserer Nase, der uns zu Beginn des Konzertes mit einem sorgenvollen Blick die Frage stellte, ob wir denn schon einmal ganz vorne gestanden hätten, was wir mit einem 'Natürlich! Sehr oft sogar!' beantworteten. Dieser Mensch, der, so stellte sich im Nachhinein heraus, noch Bon Scott live in Manchester auf der Bühne gesehen hatte, passte den gesamten Abend sehr gut auf uns auf, zwinkerte uns hier und da verschwörerisch zu und stopfte einmal die charmanten Herren wie Pakete zurück in die Menge - eine sehr nette Geste, wenn auch nahezu unwirksam gegen den gewaltigen Druck von hinten.
Die Jungs spielten knapp zwei Stunden, sangen mit uns 'unsere' Fan-Hymne - 'Thanks' und es war ein rundum gelungener, großartiger Volbeat-Abend. Das Familiengefühl, das für mich so typisch bei dieser Band ist, hatte wieder einmal seinen Höhepunkt erreicht und wurde durch Michaels sympathische Worte des Dankes, die immer wieder zwischen den Songs zu hören waren, noch zusätzlich untermauert. Der schönste Moment für mich persönlich war, als er gegen Ende des Abends den Song "Fallen" ankündigte - das Lied, das er seinem vor noch nicht allzu langer Zeit verstorbenen Vater gewidmet hat. Im Anschluss an seine Widmung küsste er kurz den tätowierten Namen seines Vaters, der sich auf der Oberfläche seiner Finger wiederfindet und stimmte schließlich den Text an. In diesem Moment musste auch ich an jemanden aus meinem Leben denken, der bereits gegangen ist und erinnerte mich an das wunderbare Gespräch vom letzten Jahr, als ich die Band bereits schon einmal getroffen hatte und wir über solch persönliche Dinge sprachen. Dieser besondere Moment ist eine der kostbaren Erinnerungen, die man Zeit seines Lebens im Herzen trägt und an die man sich noch im hohen Rentenalter lächelnd zurückerinnert. Ich bin sehr dankbar dafür.
Nach 20 Songs verabschiedeten sich die Jungs freundlich von uns, dankten den Fans für ihren Support und Jon kam, um einen signierten Schlagzeug Stick in meine Richtung zu werfen, den ich gefangen hätte, was jedoch Dank unserer hochgeschätzten Fankollegen glanzvoll verhindert wurde (das nächste Mal nicht, mein Freund!).
Beschwingt und sehr glücklich fuhren wir anschließend trotz aller Widrigkeiten ins Hotel und ließen den Abend bei einem Whiskey noch einmal kurz Revue passieren, bevor wir nach ausgiebiger Dusche todmüde ins Bett fielen. Lächelnd blickte ich noch einmal kurz auf meine Autogramme, die das ganze Quetschen zum Glück ohne Schaden überstanden hatten, schaute mir die vielen wunderbaren Fotos noch einmal an und schlief zufrieden ein.
'Gesucht und gefunden' gilt manchmal eben nicht nur für die 'Große Liebe'. In meinem Fall gilt es dieser wunderbaren Band, die sich augenblicklich und unwiderruflich in mein Herz geschlichen hat und mit der ich hoffentlich noch viele großartige Momente erleben werde...
Setlist |
Hallelujah Goat
Guitar Gangsters & Cadillac Blood
Mr & Mrs Ness
Heaven Nor Hell
Sad Man's Tongue
The Mirror & The Ripper
Mary Ann's Place
A New Day
The Garden's Tale
The Human Instrument
Radio Girl
Rebel Monster
River Queen
Still Counting
Thanks
A Warrior's Call
Fallen
16 Dollars
I Only Wanna Be With You / Boa
Pool Of Booze, Booze, Booza
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