Coen Wolters Band
15.04.2006, Bremen, Meisenfrei
Coen Wolters Band As The Crow Flies heißt das neue Album der Coen Wolters Band. Es ist der Nachfolger des überaus gut beleumundeten Broken Glass-Longplaydebüts vom niederländischen Saitenmagier, der Leute wie Albert King, Albert Collins, Jimi Hendrix, Stevie Ray Vaughan mit der Muttermilch aufgesogen zu haben scheint, obwohl er doch erst mit 18 Jahren das Spiel auf den berühmten sechs Saiten erlernte. Dies dann aber gründlich und in der Folge eifert(e) er seinem ganz großen Vorbild Chris Duarte nach, immer bemüht, seine eigene Note zu entwickeln. So darf es nicht verwundern, dass das leider etwas in Vergessenheit geratene Duarte-Debüt "Texas Sugar/Strat Magik" von 1994 Coens erste Wahl bei den Inselplatten darstellt.
Coen Wolters BandVor genau einem Jahr sah ich die Coen Wolters Band erstmals live in Aktion. Im Dickicht der Bluesrock-Gitarreros ist es nicht leicht, seine eigene Identität zu finden, wandeln doch fast alle von ihnen letztendlich zu sehr in den Spuren von Stevie Ray Vaughan. Aber Coen schreibt nicht nur seine Songs überwiegend selber, sondern baut sich auch seine eigenen Gitarrenmodelle und -verstärker, ganz im Sinne seines ursprünglichen Berufswunsches, denn er wollte eigentlich Gitarrenbauer werden. Zum Glück greift er nun höchstselbst in die Saiten seiner Entwicklungen und wir kommen so in den Genuss feinster Gitarrensounds.
OsterfeuerAber warum beehrt Coen Wolters die Freie Hansestadt Bremen mit ihrem vorzüglichen Bluesclub 'Meisenfrei' immer genau dann, wenn in selbiger Hunderte Osterfeuer lodern und Zehntausende sich an den Flammen gleichsam ergötzen wie erwärmen, ne Bratwurst genießen und das kühle Pils die Kehle runter fließen lassen? Wer soll dann noch in den Bluesclub pilgern um eine Band zu erleben, von denen der Ottonormalverbraucher (leider) noch nie was gehört hat (und bei der heutigen Medienlandschaft mit ihrer 'The Trend Is Your Friend' - Ausrichtung auch nicht hören konnte!)?
Coen Wolters BandErgo begaben sich zwei fleißige KonzertgängerInnen mit Insiderkenntnissen zunächst mal auf den Weserdeich, um dort mit Blick auf das Weserstadion über den namens gebenden Fluss hinweg einem der größten Osterfeuer der Stadt beizuwohnen, zusammen mit wahren Menschenmassen, die mit kompletter Picknick- und Partyausstattung dem Ganzen einen richtigen Happening-Charakter verliehen. Kaum dass der riesige Holzhaufen entzündet war, verlegten wir quasi als ernste Verfechter eines Kulturauftrags unseren Standort Richtung Bluesclub, genehmigten uns dort ein (?) weiteres Pils und sahen unsere Befürchtungen bestätigt … keine wirklichen Menschenmassen, um dem neuen Stern des (niederländischen) Bluesrock-Himmels zu huldigen.
Coen Wolters BandSelbiger entert schließlich deutlich nach den angekündigten 21.00 Uhr, zusammen mit seinen beiden Mitstreitern Marco Kleinnibbelink (Drums) und Bertus Oostveen (Bass), die Bühne und startet mit "Rocket".
Ein schöner Einstieg, aber aller Anfang ist schwer, noch rollt der Bluesrock-Express nicht auf Betriebstemperatur. Das wird aber von Song zu Song besser, und bei Hendrix' "Spanish Castle Magic" fegt Coen bereits ziemlich inspiriert über die Saiten und offenbart dabei eine deutliche Fortentwicklung seiner eigenen Note. Neben all der Hendrixe und Vaughans kommt mir allmählich nicht nur wegen der Optik Mr. Paul Kossoff (Free, Backstreet Crawler) in den Sinn, meines Erachtens in diesem Genre nach wie vor eine der ersten Adressen überhaupt, aber leider seit ziemlich genau 30 Jahren im Jenseits spielend (RIP). Sehr angenehm wissen Coen Wolters Gitarrenläufe an die legendär intensive und gefühlvolle wie auch filigrane Spielweise Kossoffs zu erinnern, obwohl die Gitarreneigenbauten doch deutlich mehr 'Fender-Strat' - Gene intus haben, als dass die seinerzeit von Kossoff favorisierte 'Gibson Les Paul' Pate gestanden hätte.
Coen Wolters BandZwischendurch wird immer wieder mal sehr virtuos das Wah-Wah angeschmissen, aber gerade die ruhigeren, besonders intensiven Stücke sind es, die Coen Wolters das Gesicht verziehen und den Körper verbiegen lassen. Das hat wirklich Klasse und macht ihn zu einem Mann der Zwischentöne, was im Genre des Bluesrocks leider viel zu selten der Fall ist.
Es werden einige Stücke seines Debütalbums gespielt, einige vom brandneuen Nachfolger (ohne jeden Qualitätsverlust!) und einige Coverversionen vom Schlage eines "Goin' Down" (Don Nix) oder "Oh Well" (Peter Greens Fleetwood Mac), wo die Groovemaschine doch mächtig dampft. Nicht nur bei diesen 'Abgehnummern' beweisen Marco Kleinnibbelink und Bertus Oostveen, dass sie für Coen Wolters eine echte Bereicherung sind. Sie beweisen freudig goutierte rhythmische Finessen und hauchen diesem relativ ausgelutschten Genre eine immerwährende Spannung ein.
Coen Wolters BandSobald sich dann Coen an seine wirklich unwiderstehlichen Slowblues-Einlagen macht, setzt er diesem Spannungsbogen die Krone auf. So wie es bereits der geschätzte Kollege Joachim Brookes zu berichten wusste, zieht Coen Wolters mit seinem fantastisch ausdrucksvollen Spiel das Publikum in den Bann, es herrscht teilweise wirklich absolute Ruhe, fast ist die berühmte fallende Stecknadel zu hören, um dann langsam aber sicher das Tempo zu forcieren - ja, er bereitet geradezu genüsslich das große Saitenfinale vor und der mit Vorkenntnissen ausgestattete Bluesrock-Fan weiß mit freudiger Erwartung um die bald folgende Explosion, die schließlich frenetisch an der Luftgitarre unterstützt wird. Coen Wolters hat die viel zu wenigen Besucher absolut im Sack, spielt den Set in zwei Teilen und gibt mehrere stürmisch geforderte Zugaben, bis schließlich verkündet werden muss, dass er eigentlich krank ist und nun leider nicht mehr könne.
Tatsächlich, in einem kurzen Gespräch nach dem Gig bestätigte mir Coen, dass er mit erheblichem Fieber auf der Bühne gestanden hätte und er sah dabei wahrlich erschöpft aus. Was für ein Einsatz! Nicht wenige, vor allem erfolgsverwöhnte Möchtegernmusiker, wären garantiert im Bett geblieben. Und Coen lieferte uns stattdessen eine geradezu fiebrige Show - im positivsten Sinne.
Respekt und Hut ab, der Mann hat für die Zukunft wirklich größeres Publikum verdient!


Bilder vom Konzert
Coen Wolters Band          Coen Wolters Band          Coen Wolters Band
Coen Wolters Band    Coen Wolters Band    Coen Wolters Band
Coen Wolters Band, 15.04.2006, Meisenfrei, Bremen, Konzertdauer ca. 140 Min.
Olaf 'Olli' Oetken, 21.04.2006