RockTimes: Mittlerweile genießt Du in den Staaten und im deutschsprachigen Raum gleichermaßen einen gewissen Geheimtipp-Status. Wo etablieren sich eurer Meinung nach Singer/Songwriter und ihre Musik am leichtesten, und gibt es hierbei überhaupt Unterschiede?
Joe: Die Singer/Songwriter in der klassischen Form existieren hierzulande im Grunde gar nicht. Der mächtige Einfluss von mittlerweile etablierten und traditionellen Liedermachern, wie beispielsweise Reinhard Mey, die mit ihren meist gesellschaftskritischen oder ironischen Texten für Furore sorgten, dominierte schon immer dieses künstlerische Betätigungsfeld. Es ist schwierig dabei zu unterscheiden, für mich erfüllen zumindest Künstler wie
Bob Dylan oder Jim Groce das Klischee eines typischen Singer/Songwriters.
Joon: Mir ist - insbesondere in Amerika - das Phänomen aufgefallen, dass eine gehörige Anhäufung von gut bezahlten kreativen Leuten existiert, die gegen üppige Entlohnung für andere Songs schreiben, wohingegen in Deutschland die meisten Musiker das selbst übernehmen und auch damit touren. Außerdem bin ich der Meinung, dass in den meisten Fällen dem Künstler von Seiten der Musikindustrie bzw. dem Label, dieses Image einfach aufgedrückt wird. Wir betrachten uns ganz klar als Band, die ihre Songs selber schreibt. Wir sind nicht diese typischen Singer/Songwriter!
Joe: Eigentlich kann man es nicht eindeutig begründen. Es gibt DEN Singer/Songwriter an sich so nicht, zumindest nicht in einer einzelnen Erscheinungsform und unsere deutsche Musikkultur benötigt existenziell so etwas gar nicht.
RockTimes: Wann erwuchs in Dir die unüberhörbare Affinität zum typisch Folk- und Country-verbundenen Americana-Stil?
Joon: Das Interesse für Gesang war schon recht früh bei mir vorhanden, besonders Jazz hatte es mir sehr angetan. Eigentlich begann alles mit dem Wunsch bzw. Bemühen, die Lieder aus dem Musical "Chicago" von John Kander und Fred Ebb nachzusingen. Übrigens bestand anfangs nicht die Absicht, bewusst musikalisch Americana zu propagieren. Das ergab sich rein zufällig während unseres ersten Studioaufenthaltes in Nashville, wobei die Anwesenheit von Dave Roe (letzter Bassist von Johnny Cash)und der regionale Geist der Country-Hochburg letztendlich einen wesentlichen Anteil hatten.
Joe: Die Problematik ist die, dass sich unsere musikalischen Ambitionen stilistisch in die Richtung entwickelt, die uns gerade einfällt. Bei der ersten Studioproduktion standen wir völlig unter dem Eindruck der Nashville-Szene und der mitwirkenden Musiker, beim zweiten hingegen mochten wir es schon etwas rockiger.
Joon: Wir schreiben halt eben immer die Sachen, die uns gut gefallen. Was dann daraus wird geschieht völlig ungeplant. Kurzum, wir möchten uns musikalisch in keine feste Genre-Schublade schieben lassen.
RockTimes: Joon, wann ergab sich für Dich die erste Initialzündung für Musik? Erzähle uns etwas über Deine frühen musikalischen Gehversuche bis zum Schreiben der ersten eigenen Songs.
Joon: Ich habe mit sechs Jahren angefangen, Klavier zu lernen und nebenbei in diversen Schulchören gesungen. Nach vier Jahren verlor ich das Interesse an den Tasten und entdeckte für mich das Schlagzeug, an dem ich mich etwas später kurzeitig bei einer Heavy Metal-Band austoben durfte. Leider zog ich mir irgendwann eine Fussverletzung beim Snowboard-Fahren zu, welche meiner überschaubaren Schlagzeug-Karriere ein unumstößliches Ende bereitete. So ergab es sich, dass ich an einer staatlichen Musikschule in Erfurt den Gesangsunterricht besuchte (ganze sechs Ausbildungsjahre, alles in allem insgesamt zwölf Jahre) und mich währenddessen von meinem Papa in die Grundkenntnisse für das Gitarrespielen einweihen ließ. Musikalisch orientierte ich mich in dieser Zeit an Künstlern wie Ray Charles, Johnny Cash, Bob Dylan, Stevie Wonder, den Beatles und quer durch die umfangreiche Musikhistorie. Irgendwann, ich glaube mit fünfzehn, verstritten wir uns heftig miteinander und unter dem Einfluss dieser traurigen Situation, schrieb ich meinen ersten Song.
Joe: Das stimmt, wir beide sind wie siamesische Zwillinge, benehmen uns nicht typisch wie Vater und Tochter, sondern leben auf Augenhöhe und behandeln bzw. sehen uns beide als musikalische Partner. Dieser Song fungierte damals quasi als Instrument, um meine kontroverse Meinung zu überdenken und unseren unnützen Konflikt zu schlichten.
RockTimes: Seit der ersten Studioproduktion "Made In USA" arbeitet Ihr mit dem renommierten Produzenten und Tonmeister Zach Allen (u. a. Aretha Franklin)zusammen. Wie entstand die Idee und letztendliche Realisierung, diesen hochkarätigen Mann für Euch zu gewinnen?
Joe: Nach unserem missglückten Versuch Anfang 2010, erste eigenkomponierte Songs irgendwie zu veröffentlichen, suchte ich nach einer Lösung und kaufte kurzentschlossen zwei Studiomikrofone für insgesamt 200 Euro und ein Handbuch zum Thema 'Wie nimmt man Songs professionell auf', um das Aufnahmevorhaben selbst in die Hand zu nehmen. Im Frühsommer des gleichen Jahres, Joon hatte gerade ihr Abi erfolgreich bestanden, gingen wir es an, in einem kleinen und völlig (Schall)unisolierten Raum, unserem improvisierten 'Heimstudio', die Songs aufzunehmen. Leider hatten wir die Rechnung ohne die Vögel gemacht, die jeden Tag bis gegen 23 Uhr für eine geräuschvolle Kulisse sorgten, so dass uns nur ein schmales Zeitfenster zwischen Mitternacht und 2-3 Uhr morgens dafür zur Verfügung stand. So zog sich der Prozess, nachts aufzunehmen, selbst abzumischen und ein paar Stunden schlafen, über zwei Monate hin, um zu guter Letzt zwölf Songs fertigzustellen. Das Demo-Album "Green Boots" haben wir in einer recht ansprechenden Verpackung veröffentlicht (fast 1000 verkaufte Kopien) und als Mp3 einer US-Musikerplattform zur Verfügung gestellt. Sowohl bei den Amerikanern als auch beim hiesigen Konzertpublikum stießen wir überraschenderweise auf ein ziemlich großes Interesse. Während der Aufnahmen hatten wir irgendwie feststellen müssen, dass sich der Gitarrensound in einem hölzernen Umfeld einfach klangvoller präsentierte und deshalb überlegten wir uns für die nächsten Vorhaben, wie man wohl ein holzverkleidetes Studio realisieren könne. Außerdem waren meine tontechnischen Fähigkeiten für eine professionelle Produktion zu bescheiden, so dass ich zukünftig ein Ideal aus Tonmeister und Produzenten für erstrebenswert empfand.
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Irgendwann im Oktober saßen wir gelangweilt vor dem Fernseher und ich zappte wahllos durchs Programm, bis ich bei der Sendung 'Pop Stars' hängenblieb. Die Akteurinnen, die sich gerade in einem Aufnahmestudio in Nashville, dem Tracking Room befanden, dessen Wände zudem noch komplett aus Holz bestanden, hielten mich im Bann. Ich sah diesen Typen im Studio, der in einer Pseudo-Jury agierte und dessen Name nur kurz eingeblendet wurde. Es war Zach Allen.
Völlig euphorisiert griff ich zum Notebook, um den Namen und die E-Mail-Adresse zu googeln und ihm eine im Nachhinein recht naive Anfrage, ob er unser nächstes Album produzieren würde inklusive eines Links unseres Demo-Albums, mailte.
Nur 24 Stunden später bekamen wir die unglaubliche Zusage und Willensbekundung seinerseits, unser kühnes Vorhaben zu unterstützen.
Joon: Hinterher erfuhren wir von Zach, dass ihn meine Stimme an den viel zu früh verstorbenen Sänger Shannon Hoon der Blind Melon erinnerte und er als großer Fan dieser kultigen Band gar nicht anders reagieren konnte.
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Außerdem hatte es sich in den dortigen Musikerkreisen irgendwie herumgesprochen, dass ich für ein Sideprojekt der Black Eyed Peas vormals einen Song komponiert und angeboten hatte, welcher letztendlich aber nicht zur Veröffentlichung gelangte.
Joe: Natürlich musste vorerst noch die Finanzierung abgeklärt werden. Aus eigener Kraft vermochten wir es leider nicht, diese Kosten zu tragen. Zach unterbreite uns daraufhin erst einmal den Vorschlag, sich im Musikerumfeld und deren eventueller Interessenlage, umzuhören. Zuerst meldete sich der ehemalige Bassist von Johnny Cash, und schließlich vergrößerte sich die Interessentenliste mit Weltklassemusikern wie Buddy Hyatt (Pianist bei Toto) oder Peter Frampton-Schlagzeuger Shawn Fichter, fast täglich.
Nun ging es wirklich ans Eingemachte. Wir verhandelten und feilschten quasi um die Finanzierung jedes einzelnen Songs. Mit dem Ziel vor Augen, gingen wir jobben und kratzten alle unseren Ersparnisse und Beihilfen von Verwanden und Freunden zusammen, bis wir die benötigte Summe beisammen hatten.
So kam es, dass wir Anfang 2011 zu den Aufnahmen nach Nashville flogen und das Resultat, unser erstes professionell produziertes Album, "Made In USA", im April weltweit erschien.
RockTimes: Wie kamen die persönlichen Kontakte zu mittlerweile einschlägigen Musikern wie Pearl Jam-Gründungsmitglied Dave Krusen, insbesondere zwei ehemaligen Blind Melon-Mitstreitern zustande und was bewog diese dazu, auf dem aktuellen Album Wonderland mitzuwirken?
Joon: Wie schon gesagt, wurde der Gedanke, mit den Blind Melon-Leuten ins Studio zu gehen, schon während den Aufnahmen zum ersten Album geboren. Aufgrund der Affinität unseres Produzenten für Blind Melon beschäftigten wir uns neugierig mit Musikvideos dieser Band, die durchaus einen gewissen Reiz auf uns ausübten. Im Ergebnis komponierten wir "Blind Melon" als eine musikalische Hommage an diese faszinierende Truppe.
Nach der Veröffentlichung von "Made In USA" bekamen die verbliebenen Blind Melon-Bandmitglieder Wind von dieser Geschichte und bekundeten uns begeistert ihre Bereitschaft, beim nächsten Studioalbum mitzuwirken. Leider befanden sich die reformierten Blind Melon zu diesem Zeitpunkt in der Trennungsphase, einer studierte Jura, der Schlagzeuger wollte nicht, so dass uns nur noch zwei Musiker, nämlich Christopher Thorn und Brad Smith, zur Verfügung standen. Die beiden hatten einst nach Shannons Tod, zusammen mit dem Schlagzeuger von Pearl Jam, Dave Krusen, die Nachfolgeband Unified Theory begründet, weshalb es wohl nahe lag, dass sie uns ihren Kumpel für diesen Job wärmstens empfahlen.
Joe: Letztendlich haben wir diese Musiker aus Los Angeles eingeflogen, was bei einem gewissen Status und Anspruch, welchen diese verständlicherweise genießen, einem finanziellen Drahtseilakt gleichkam. Das wunderbarste Fazit dieser Geschichte ist aber wohl die Tatsache, dass wir mit Shannons Mutter Nel Hoon mittlerweile eng befreundet sind, diese Joon sogar wie eine eigene Tochter behandelt.
RockTimes: Vielleicht noch einmal zurück zu dem wohl unangenehmen Teil solcher Studioproduktionen, den Finanzen. Wie habt Ihr dies im Endeffekt bewerkstelligt?
Joon: Glücklicherweise gewährte uns Produzent Zach Allen einen freundschaftlich zu betrachtenden Preisnachlass für die Aufnahmen. Die Finanzierung der letzten Produktion allerdings, gestaltete sich bei diesem veranschlagten Etat doch recht schwierig, wäre uns nicht der süße Zufall zur Hilfe gekommen. Wir haben letztes Jahr viel im Norden getourt, weil uns dort die lockere, fast schon amerikanische Mentalität der Menschen gefie. So auch in Bremerhaven, wo wir an den Auftrittstagen einen recht unauffällig gekleideten Typen bemerkten, der uns am letzten Tag, einen Samstag, mit wärmenden Worten 100 Euro in die Hände drückte. Wir wollten es anfangs gar nicht annehmen und übergaben ihm quasi als Gegenleistung wenigstens fünf unserer CDs. Etwa eine Woche später sollten wir in einem kleinen Provinzörtchen unweit von Bremerhaven auftreten, dementsprechend die Besucherzahlen sich in Grenzen hielten.
Joe: Das stimmt, wir haben uns aber zur Maxime gemacht, dass wir unsere Gigs auf jeden Fall abliefern, sollte es schlimmstenfalls auch nur für einen unserer Bewunderer sein. So geschah es, dass unser 'edler Spender' an einem dieser Abende wieder anwesend war und uns nach dem Auftritt zum Essen einlud, was wir, angesichts unseres spartanischen Tour-Speiseplanes, gerne annahmen. Wohl unseren verblüfften Gesichtern über das hochpreisige Niveau der Speisekarte geschuldet, gestand dieser uns an diesem Abend, dass er über mehr Geld verfügte, als wir sicherlich annahmen. Nach dem Essen begleiteten wir ihn noch zum Bahnhof, wo es dann zu einer essentiellen Szenerie wie aus einem kitschigen Film kam. Man stelle sich einen dieser Bahnhöfe aus der Jahrhundertwende mit verzierten Stahlträgern vor. Wir sitzend auf einer Bank und unsere drei Hunde springen umher. Er läuft hin und her und plötzlich beugt er sich zu uns herunter und befragte uns zur Klärung der veranschlagten Studiokosten. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir einen Teil selbst erwirtschaftet, somit noch 2/3 des eingeplanten Geldes offen waren.
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Darauf geschah etwas, mit dem wir nie gerechnet hätten, er bot uns überraschenderweise einen erheblichen Betrag an, was wir erst einmal hinsichtlich einer ungewissen Rückerstattung, dankend ablehnten. Dieser beschwichtigte es dagegen mit seiner Aussage, er vertraue unserem Vorhaben und wolle nicht, dass wir und unsere Musik in falsche Hände geriete und zweifelhafte Verkaufsstrategen uns die Seele abkauften. Erst später erfuhren wir, dass unser kinderloser Förderer schon einige Jahre hart für einen Flugzeughersteller arbeitete und sein Erspartes lieber in menschenbeglückende Künste anstatt einer erneuten Finanzpleite investieren mochte. Den Rest bekamen wir dann auch noch zusammen und so stand unserem Vorhaben und der Reise nach Amerika, nichts mehr im Weg. Übrigens gehört unser edler Finanzier mittlerweile zum engsten Freundeskreis unserer Familie und ihm sind auch die Zeilen auf dem CD-Cover gewidmet, eine codierte Deutung seines Namens und Geburtsdatums.
[Autorisiert von Joon und Joe Wolfsberg]
RockTimes bedankt sich beim Pianola Erfurt für die freundliche Beherbergung.
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