Rock'n'Roll is Sacrificing
Joon Wolfsberg
Hat die junge Erfurter Musikerin Joon Wolfsberg mittlerweile in den USA und der Schweiz den mächtigen Schatten eines Geheimtipps erfolgreich verlassen, so avanciert diese hierzulande momentan zum kommenden Top-Act handgemachter und Americana-verhauchter Rock-Mugge. Mit RockTimes sprachen Joon und Joe Wolfsberg zum ersten Mal über ihre frischformierte Band, Leidensfähigkeit im Rock'n'Roll-Geschäft und ein strittiges Urheberrechts-Monopol.

Fotos: ©Axel Clemens


Interview vom 03.02.2013


Ingolf Schmock
Rocktimes: Hatten die amerikanischen Musiker einen maßgeblichen kreativen bzw. musikalischen Einfluss auf den auffällig rockigen Sound von Wonderland und könnt Ihr bei kommenden Studioproduktionen weiterhin mit Selbigen rechnen?
Joon Wolfsberg Joe: Dass die Songs etwas rockiger sein sollten, stand unsererseits vorher schon fest, natürlich fiel es uns mit dieser Studiomannschaft erheblich leichter, den anvisierten Sound auch tatsächlich zu konservieren.
Diese Künstler gestalten das Ganze wie Malen nach Zahlen, wir geben das grobe Muster vor und sie malen es quasi musikalisch aus. Zach fungierte sodann als technischer Übersetzer unserer Songvorstellungen, und dirigierte die einzelnen Parts der Studioprofis in die richtigen Bahnen, ohne diese kreativ einzuengen.
Joon: Wir hätten natürlich gern wieder mit dieser reizvollen Mannschaft gearbeitet, aber leider stehen uns die amerikanischen Gesetzmäßigkeiten dabei im Weg. Das Problem ist, wir beanspruchen zwar ein zehnjähriges Aufenthaltsrecht in den Staaten und dürfen dort auch unsere Musik aufnehmen, haben aber dagegen keine Arbeitserlaubnis, was wiederum bedeutet, wir können dort nicht auf Konzerttournee gehen.
Dadurch sind wir dazu 'verbannt', in Deutschland zu touren, eine Angelegenheit, die wir künftig mit Freuden absolvieren möchten. Im Übrigen wären unsere amerikanischen Musikerkollegen sehr gern mit uns in Deutschland aufgetreten. Geschuldet den enormen Kostenfaktoren und den noch fehlenden Credits bei den Konzertveranstaltern, mussten wir davon leider absehen.
Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir irgendwann wieder mit diesen Musikern, welche offiziell durchaus noch als unsere Band gelten und unter der Regie von Zach Allen, arbeiten werden.
Rocktimes: Woher beziehst Du deine Inspirationen für die Songs und Texte und wie wichtig sind dir Songs wie "Darkness", mit einem klaren politischen Statement?
Joon Wolfsberg Joon: Wir verfolgen das ganze Jahr über die Themen, die die Menschen bewegen, gehen aber auch mit offenen Augen durch die Straßen und notieren nachhaltige Begebenheiten, um diese später in einem Song zu verarbeiten. Wir schreiben die Songs erst, wenn unsererseits tatsächlich ein neues Studioalbum geplant wird. Zuerst entstehen die Gitarrenakkorde, gefolgt von den Gesangsmelodien und zu guter Letzt der Text. So lassen sich Textzeilen, welche anfänglich aus haltlosem Fantasie-Englisch bestehen, und Melodieläufe stimmiger gestalten.
Der richtige Text entsteht erst am Schluss, wenn das Songgerüst völlig im Einklang mit meinen Gesangslinien steht. In der Regel sollten die Songs auf einer akustischen Gitarre überzeugen, erst dann besitzen diese das Potenzial fürs Publikum, im Studio lässt sich das Ganze im Nachhinein nicht mehr zurechtbiegen, allenfalls nur ausschmücken.
Joe: Es gibt Songwriter die schreiben einen Pool mit fünfzig Songs, danach wählen sie die ihrer persönlichen Einschätzung nach zehn brauchbarsten heraus, um diese letztendlich auf ein Album zu platzieren.
Wir dagegen vertreten aber die Meinung, dass du dir mit dieser Einstellung, eine gehörige Anzahl Songs zu schreiben, um im Endeffekt einen geringeren Anteil gute und verwendbare zu generieren, eine gewisse songschreiberische Unfähigkeit unterstellst.
Joon: Joon Wolfsberg Speziell zum Song "Darkness" inspirierten mich befreundete US-Soldaten, die in Afghanistan, mit der felsenfesten Überzeugung an ihre Menschen rettende und Frieden stiftende Mission, ihren Dienst verrichten, um irgendwann zur bitteren Erkenntnis zu gelangen, von den Einheimischen abgelehnt sogar angefeindet zu werden. Spätestens beim ersten tödlichen Anschlag eines Selbstmordattentäters geraten diese Kameraden in einen unausweichlichen und schmerzlichen Konflikt.
Für alle diese, vom humanistischen Missionsglauben bekehrten Soldaten, welche in Wirklichkeit von einem mächtigen Politikum instrumentalisiert werden, haben wir diesen Song geschrieben.
Rocktimes: Eine Konzerttour für dieses Jahr ist in Planung, was wird uns dabei konkret erwarten?
Joon: Wir wollen zum ersten Mal mit einer eigenen Band touren und haben uns ganz speziell für einige Festivals beworben. Unsere Band ist quasi noch ganz frisch, aber die Chemie stimmt und motiviert sind die Jungs hundertprozentig. Ansonsten mögen wir im Voraus darüber noch nichts konkretes vermelden.
Rocktimes: Bei dieser Gelegenheit, erzähle unseren Lesern doch etwas über deine neue Band.
Joon Wolfsberg Joon: Es sind alles junge Burschen, denn ich finde männliche Mitmusiker einfach unkomplizierter, als diskussionswütige Mädchen. Dabei war die Suche nach einer fähigen Rhythmusgruppe natürlich am schwersten, weil diese Instrumentalisten durchaus beschäftigt und selten suchend sind.
Wir begegneten rein zufällig im Tonstudio, wo wir in diesen Tagen die neue CD "Revolujoon" produzieren, einem Praktikanten, der uns bei einem Gespräch offerierte, dass er durchaus einen versierten Schlagzeuger kenne. Dieser stellte uns sporadisch den Kontakt zu einem gerade jobsuchenden Schlagzeuger her, den wir dann nach einer nächtlichen Jamsession glattweg engagierten. Unser erster Bassist allerdings wollte nicht so recht unsere Empathie zu Musik teilen und sein gewissermaßen studentisches Spiel entpuppte sich als zu verkopft, so dass dieser für uns nicht in Frage kam. Außerdem sah er in uns mehr einen zahlungskräftigen Arbeitgeber, als eine musikbegierige Band.
Es gab dann kurzzeitige Überlegungen selbst diesen Job, nebst dem Gesang zu übernehmen, was aber schnell wieder verworfen wurde, so dass wir stattdessen einem lernfähigen 18-jährigen Nachwuchs-Bassisten die Chance einräumten.
Leider hat unser Jüngster nach zwei Live-Auftritten das Handtuch geworfen, an seiner Stelle wird John Idan, einst Sänger und Bassist bei den legendären Yardbirds, vorläufig diese Aufgabe übernehmen.
Joon Wolfsberg Das Stellengesuch unseres Gitarristen Toni, erspähten wir auf einem Web-Portal mit Musiker-Annoncen, dreizehn Jahre Bühnenerfahrung und seine Art, ohne Effektgerätschaften zu spielen, beeindruckte uns doch sehr.
Joe: Wir hätten es nie für möglich gehalten, dass wir eine unseren Ansprüchen genügende regionale Band zusammenbekommen, umso mehr wähnen wir uns glücklich, drei Erfurter und einen Eisenacher am Start zu haben. 'Rock'n'Roll is Sacrificing', lautet eine maßgebende Attitüde amerikanischer Musiker, d.h. wenn du nicht leidensfähig bist, sowie keinerlei Demut vorm Leben empfindest, vermagst du keine ehrliche Rockmusik zu machen. Wenn du nicht viel besitzt außer deiner Gitarre und sprichwörtlich nur ein Kleidungsstück auf dem Leib, dann erspürt ein Musiker seine wahrhaftige Verbundenheit zur Musik.
Der Großteil unserer Band jedenfalls, sind diese auch noch recht jung an Jahren, tragen diese Eigenschaften mit Sicherheit in sich. Selbst wir haben uns für die gemeinsame musikalische Obsession sehr oft in Verzicht und Bodenständigkeit beweisen müssen.
Meine Botschaft an junge Bands lautet deshalb: Uberlegt Euch warum ihr eigentlich Musik machen möchtet, wegen des schnellen Geldes, oder aus Liebe zu eurer musikalischen Berufung. Ich halte diesen Leidensweg für die nachhaltige Prägung einer Rock'n'Roll-Band durchaus für sehr wichtig. Selbst nach dem angestrebten Erfolg, sollte man sich nicht zu schade dafür sein, Schwielen an den Händen vom Tragen seines Instrumentenkoffers zu respektieren.
Rocktimes: Fasse doch bitte noch einmal für alle Interessenten die mitwirkenden Musiker eurer kommenden Studioproduktion zusammen.
Joon Wolfsberg Joon: Am Schlagzeug haben wir Micha Mihla, elektrische Gitarre spielt Toni Tonstein, und John Idan bedient, neben Akustik-Gitarre und Piano, hauptsächlich den Bass. Ich singe und tüftle mit Joe gemeinsam an den Songs, welche zusammen mit dem Tonmeister Frithjof Rödel das neue Studiowerk "Revolujoon" im Atomino Studio, Erfurt/Egstedt, produzieren wird.
Rocktimes: Was haltet ihr von der anhaltenden Urheberrechtsdebatte in der Musikbranche und brauchen wir eine diktatorische Institution wie die GEMA?
Joon: Das Thema ist ziemlich strittig, wir haben schon ein Problem mit dem Monopol der GEMA, deswegen nutzen wir als wirkliche Alternative BMI, ein weltweites US-Management für Musikerrechte.
Joon Wolfsberg In den Staaten existieren drei konkurrierende Urheberrechts-Institutionen, die sich deswegen sehr edelmütig und fair mit ihren Künstlern arrangieren. Prinzipiell profitieren diese Managements dann erst von ihren Künstlern, wenn diese selbst erfolgreich verdienen, was bedeutet, die Amerikaner investieren daher sehr viel in Werbung für ihre Schützlinge.
Bei der BMI wird ein gewisser Prozentsatz sämtlicher Gebühreneinnahmen einbehalten, den lukrativen Rest bekommen die Künstler, wogegen die GEMA, mit der fadenscheinigen Begründung späterer Profitmaximierung, die Ihrigen pauschal im Voraus zur Kasse bitten. Von diesem Geschäftsmodell profitieren lediglich die Künstler, die am längsten dabei sind. Vom großen Kuchen erwirtschafteter Gewinne dieses Monopols erhalten die Künstler hierzulande nach wie vor lediglich das kleinere Stück.
Nebenbei hemmt die GEMA, meiner Meinung nach, die Kreativität einiger Künstler, weil sich diese nach wenigen Verkaufsschlagern oftmals auf den komfortablen Finanzpolstern dieser Institution zur Ruhe betten.
Joon Wolfsberg Die beiden Umstände, wenn wir nichts verkaufen weil vieles kostenlos ist, oder unsere Musik niemand kauft, weil diese eben ihren Preis hat und deshalb gar nicht erst kennen lernt, halten sich die Waage. Im Grunde genommen möchten Musikfreunde doch nicht die Katze im Sack kaufen und zerstückelte Appetithäppchen im Web erachte ich als eine Nötigung. Deshalb kann man unsere Musik gratis und vollständig anhören, was den Verkauf in keinster Weise mindert, ganz im Gegenteil. Dank unserer US Rundfunk-Tantiemen vermögen wir es, die neue CD aus eigener Kraft zu realisieren. Ich fühle mich auf gar keinen Fall um die Wertigkeit meiner Musik betrogen, wenn diese sich jemand kostenlos anhört oder herunterlädt. Ein neues Auto möchte man anfänglich auch erst Probe fahren, um ein Gefühl dafür zu bekommen und gegebenenfalls zu erwerben.
Joe: Wenn meines Erachtens nach Kunst permanent bezahlt wird, wie es hierzulande üblich ist, stirbt diese irgendwann aus.
Joon Wolfsberg In Amerika dagegen müssen sich die Künstler diesen Status hart erarbeiten, was zu einer natürlichen Auslese und somit zu einem wesentlich größeren Pool an guten Musikern führt. Hier verkommt ein Großteil des Musikgeschäftes zur Beliebigkeit, ist austauschbar, die Wenigsten möchten die CDs von Künstlern teuer konsumieren, deren Namen und Status wenig später völlig in der Versenkung verschwinden.
Wenn wir so großzügig mit dem freien Umgang mit unserer Musik umgehen können, obwohl wir jeden Cent für unsere Projekte benötigen, weshalb vermögen es dann nicht die Millionenverdiener im Musikgeschäft, die es wohl minder schmerzen würde?
Die Majorlabel haben es oftmals versäumt, frühzeitig in die kontinuierliche Entwicklung ihrer Stars zu investieren und versuchen jetzt auf diesem Weg, ihre Gewinne einzufahren.
Rocktimes: Mit Voice Of Germany gibt es mittlerweile ein Gegenmodell zu den üblichen Castingshows. Könntest Du dir vorstellen darin aufzutreten?
Joon Wolfsberg Joon: Dieses Format kam für uns nicht in Frage, wir haben diverse Angebote sogar dankend abgelehnt, weil ich fand, dass die Künstler hierbei nur auf ihre Stimme reduziert, anstatt als ganze Band, wie in unserem Fall, wahrgenommen bzw. akzeptiert wurden. Für den Solisten der hingegen nur auf seine Stimme angewiesen ist, stellt diese Show den kompletten musikalischen Hintergrund und universelle Vermarktung in Aussicht.
Joe: Du wirst einfach extrahiert auf eine Stimme, ein Umstand der uns aber keinesfalls gerecht wird. Außerdem startete die recht einflussreiche Plattenfirma hinter dieser Gesangsshow, den subtilen Versuch, Joon Wolfsberg geradezu preiswert, vertraglich zu übernehmen.
Wir sind businessmäßig genauso aufgestellt wie ein großes Label, daher rücken wir verstärkt in den Fokus solcher Geschäftsstrategien.
Ich behaupte, dass man sich unbedingt genügend Zeit für seine künstlerische Entwicklung einräumen sollte, um sich dementsprechend besser zu positionieren, und mit Hilfe immer neuer Strategien, der künstlerischen Trägheit zu entfliehen.
[Autorisiert von Joon und Joe Wolfsberg]
Rocktimes: wünscht weiterhin genügend Energie für die Verwirklichung musikalischer Visionen und Eures unbeugsamen Rock'n Roll-Aktivismus.
RockTimes bedankt sich bei der Erfurter Kultkneipe 'Zur frommen Helene' für die freundliche Beherbergung.
Joon Wolfsberg
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