Es gibt Gitarristen … und Gitarristen. Und es gibt Gitarristen.
Und es gibt Snowy White. Die Reinkarnation eines Peter Green an den sechs Saiten.
Der junge Eric Clapton hatte ihn inspiriert, dieses Instrument autodidaktisch zu erforschen, Blueser wie B.B. King oder Otis Rush, für Clapton himself große Vorbilder, prägten seinen Stil, später kamen Carlos Santana und, selbstredend, Peter Green hinzu, der letztlich so etwas wie sein Spiritus Rector wurde, wunderschön nachzuhören auf dem 1979er Green-Album "In The Skies".
Doch Mr. Terence Charles White, auch Snowy genannt, konnte schlussendlich nicht das gewisse Etwas sein Eigen nennen, um als Solist große Karriere zu machen. Seine Brötchen verdiente und verdient der Brite woanders.
Seit 1976 gehörte er irgendwie zum Pink Floyd-Clan, um deren komplexen Sound vor allem live umsetzen zu helfen. Nach Roger Waters Ausstieg hielt und hält er sich in dessen Dunstkreis auf, quasi als ein David Gilmour de luxe.
Ein weiterer Arbeitgeber war Ende der Siebziger, Anfang der 80er Phil Lynotts Thin Lizzy, bevor er sich 1982 doch selbständig machte.
Bereits ein Jahr später konnte er zumindest in seinem Heimatland mit "Bird Of Paradise" einen veritablen Hit landen, was aber leider eine Eintagsfliege blieb.
Denn Snowy White ist nicht aus dem Holz geschnitzt, wie beispielsweise sein Landsmann Mark Knopfler, der sich nicht nur frech und äußerst erfolgreich bei einem freundlichen älteren Herrn namens J.J. Cale anlehnt, sondern auch für seinen monumentalen Kassenschlager "Brothers In Arms" (der Song) besonders gut bei "Bird Of Paradise" zugehört hatte.
Somit agiert Snowy White fürderhin kommerziell und vom Bekanntheitsgrad her maximal in der zweiten Reihe, was der durchgehenden Qualität seines Outputs aber keinerlei Abbruch tut. Ob nun schlicht unter eigenem Namen, mit seiner Blues Agency oder den White Flames, stets liefert der scheinbar so Unscheinbare im Spannungsfeld von Blues, Rock, Funk, Latin, Fusion, Jazz und Pop Qualitätsware ab, die durch seine Live-Darbietungen noch locker überboten wird. Es ist wirklich überraschend, aber bis dato ist kein Live-Album im Katalog des Herrn mit dem wunderschönen Gibson Goldtop-Sound (1968 in Schweden erstanden) zu finden, mit Ausnahme der Limited Edition-Ausgabe der 2005er DVD "The Way It Is … Live", welche eine Bonus-CD mit den gleichen Aufnahmen beinhaltet, abzüglich eines Songs. Eine unfassbare Lücke, die jetzt endlich mit "Live Flames" geschlossen wird und erfreulicherweise lediglich zwei Songüberschneidungen offeriert.
Auf dem Silberling finden wir dann auch folgerichtig einen kleinen Querschnitt vorangegangener Werke, allerdings bis auf eine Ausnahme ("Land Of Plenty" vom 1989er Blues Agency-Album "Open For Business") beschränkt auf die letzten zehn Jahre und mit Berücksichtigung lediglich eines einzigen Beitrags aus dem letzten Studioalbum The Way It Is. Einen 'Schwerpunkt', wenn ich es mal so ausdrücken darf, bildet in diesem Fall das fantastische Album "Little Wing" von 1998, da der Opener "I'll Be Moving On", das darauffolgende "That Ain't Right" und der riffende Rhythmik-MOR-Rausschmeißer "That's When I'll Stop Loving You" (nanu Snowy, bist Du dann derart beschwingt?) von selbigem stammen.
Darüber hinaus erleben wir meines Wissens vier Premieren. Drei davon bilden einen herbstlich/winterlich angehauchten Instrumentalblock, pianodominiert ( Max Middleton) beim thematisch passenden "Wintersong", rhythmisch dynamisch aufgelockert durch das groovende Zusammenspiel von Bassist Walter Latupeirissa und Schlagwerker Juan van Emmerloot ("The Emmerpeirissa Express") und traumhaft abgeschlossen durch zarteste Saitenstreicheleinheiten beim "Whiteflames Blues".
Das Slowtempo des letztgenannten Titels zieht sich übrigens durch das ganze Set, wird aber immer mal wieder zwischendurch aufgebrochen durch spannende Breaks, wo plötzlich Gevatter 'Rock' sein Recht einklagt. Dieser wiederum ist fest in den Siebzigern verwurzelt und weist unseren Saitenhelden nicht eben als musikalischen Erneuerer aus. Trotzdem klingt nichts altbacken, dafür hat dieses großartige Quartett zu viele Feinheiten im Köcher. Das Set knistert vor Atmosphäre und wir kommen des häufigeren in den Genuss einer floydschen Bluesunterwanderung. Zudem gibt uns Snowy White bei "What I'm Searching For" den Carlos Santana, den zumindest ich seit geraumer Zeit vermisse, und bei der von mir noch unterschlagenen vierten Premiere huldigt er mit "Long Grey Mare" vom Debütalbum Fleetwood Macs (1968) eindrucksvoll seinem großen Idol, freilich ohne große neue Facetten hinzufügen zu können.
Vollends punkten kann diese Veröffentlichung mit einem Referenzklang der Extraklasse! Ich habe lange keine Neuveröffentlichung mehr gehört, mit der die Sonderlingsfraktion der Hardcore-HiFi-Freaks so hingabevoll sämtliche Möglichkeiten der Wiedergabe von Konservenmusik ausloten kann. Dieses im Dezember 2006 im UK von Juan van Emmerloot mitgeschnittene Live-Album ist von selbigem derart exzellent abgemischt und gemastert, dass der viel belächelte Highender eben dieses ins Gesicht gemeißelt bekommt ob der wahnsinnigen Transparenz und Homogenität dieser Aufnahme. Der Herrscher über Felle und Becken hat auch daran gedacht, den wenig eindrucksvollen Sprechgesang des Bandchefs nicht zu sehr in den Vordergrund zu mischen, schließlich ist nicht jeder 1A-Gitarrist auch ein veritabler Gesangsakrobat.
Fazit:
Und wieder einmal kommt eine Veröffentlichung ohne Plattenlabel daher, die nichts weniger tut, als einen Lichtstrahl in die finstere Einöde des musikalischen Chartdesasters des bisherigen Jahrzehnts zu setzen. Wenigstens hat sich für dieses Kleinod ein renommierter Vertrieb gefunden, so dass theoretisch auch die breite Masse davon Kenntnis nehmen darf, dass es neben Mark Knopfler, Eric Clapton, Chris Rea oder Carlos Santana auch noch andere Saitenkünstler gibt, die jedem Musikfreund mit Hang zur stressfreien Rockmusik auf bluesigem Fundament die Tränen der Freude in die Augen schießen lassen. Obendrein bekommen alle überkandidelten Soundfetischisten endlich mal wieder neues Futter, so dass ich, der sich zu selbigen zählen muss, gerne eine Uhr mit draufpacke. Somit sehe ich mich in der komfortablen Lage, 8 von 10 RockTimes-Uhren vergeben zu dürfen.
Line-up:
Snowy White (vocals/guitars)
Walter Latupeirissa (bass)
Max Middleton (keyboards)
Juan van Emmerloot (drums)
Tracklist |
01:I'll Be Moving On (6:16)
02:That Ain't Right (7:16)
03:What I'm Searching For (7:01)
04:Land Of Plenty (6:32)
05:Time Waits For No Man (3:24)
06:A Miracle I Need (8:18)
07:Wintersong (4:19)
08:The Emmerpeirissa Express (3:05)
09:Whiteflames Blues (5:10)
10:American Dream (9:08)
11:Long Grey Mare (4:03)
12:That's When I'll Stop Loving You (5:51)
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