Weto - das sind einige gute alte Bekannte, die sich unter gar nicht so neuem Namen in einem Nebenprojekt, liebevoll als 'Austobe- und Spielplatz' bezeichnet, zusammenfinden, um dort die etwas andere Variante ihrer Musik zu machen.
Die Weto-Belegschaft besteht aus den Schandmäulern Thomas Lindner als Sänger, Martin "Ducky" Duckstein an der Gitarre, Matthias Richter am Bass und Stefan Brunner am Schlagzeug. Dazu hat sich der Regicide-Keyboarder Heiner Jaspers gesellt.
Denn - wie das Leben manchmal so spielt - eigentlich war Weto noch vor Schandmaul da. Bereits 1993 machten Lindner und "Ducky" zusammen mit den damaligen Weto-Mitgliedern Benni und Mick harten deutschen Rock, brachten im Eigenvertrieb zwei CDs heraus und wurden dann vom Erfolg ihres 'Nebenprojekts' Schandmaul überrollt. Anfang 2000 wurde Weto zugunsten Schandmauls vorläufig auf Eis gelegt. Dieses Eis hat die Ideen wohl gut frischgehalten, denn Ende 2006 erschien bei F.A.M.E Recordings "Das 2weite Ich" in der neuen Weto-Besetzung.
Und nun, im August 2011 bringt Weto den "Schattenspieler" raus. Wo bei Schandmaul der Traumtänzer leicht-beschwingte, altertümlich angehauchte Stimmung verbreitet, will Weto 'der Finger in der Wunde sein' - so Frontmann Lindner und zeigt die Schattenseiten unserer Zeit auf:
Fast schon prophetisch erscheint dabei "Krank", ein Song, der angesichts der tragischen Ereignisse in Norwegen vor wenigen Wochen sehr aktuell eine Dimension erreicht, die sich die Weto-Musiker wahrscheinlich selbst in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorzustellen wagten.
»Ich bin nicht krank! (krank) ich bin nur euer Spiegelbild!
Total kaputt, total verzerrt! Mein Blutdurst bleibt nicht ungestillt, ich nehm mir nur was euch gehört! Bin nur total gestört, der sonderbare Stimmen hört! Bin der, der euch zerstört!
Lebt nur weiter völlig unbeschwert!«
Scheppernd-düstere Gitarrenklänge und wuchtige Keyboardteppiche eröffnen "Krank". Die Nummer lebt vom Wechsel zwischen harter düsterer Instrumentierung mit kratzig versoffener Stimme und einem fast freundlichen Gesang mit dem gewissen Touch von Wahnsinn, der so auch musikalisch die 'Dr. Jekyll & Mr. Hyde'-Situation rüberbringt. Der nette unauffällige Nachbar, der in seinem Keller sein dunkles Geheimnis verbirgt - ganz gleich, ob es sich dabei nun um einen Kinderschänder oder 'schlafenden' Attentäter handelt, er spiegelt die Schattenseiten und tiefsten Ängste unserer Gesellschaft wider.
Überhaupt - Schatten und Schattenseiten, sie ziehen sich durch das Album wie ein roter Faden. So auch im Titelsong "Schattenspieler", in dem Schatten - aber auch Licht - die beherrschenden Metaphern sind.
Da liegt jemand ganz am Boden in der Dunkelheit der Depression und erst wenn er wirklich ganz unten ist, kann er den Blick nach oben richten, um das Licht, die Hoffnung wahrzunehmen. Lindners Stimme spiegelt genau die jeweilige Stimmung - die düstere Depression, den Schatten, dunkel und ein bisschen kratzig und dann wieder strahlt hoffnungsvoll leicht und beschwingt, mit poppigen Keyboardklängen und melodiösem Gesang das Licht.
Eine ganz ähnliche Thematik findet sich wieder in "Ausgebrannt", das nicht nur eine sehr zutreffende Schilderung des Burnouts darstellt, sondern zu Beginn auch gleich die häufigsten Ursachen aufzeigt: Die ständige Erreichbarkeit, der Zeitdruck, der im meckernd-flüsternd-atemlos-gehetzten Gesang zum Ausdruck kommt und mit dem antreibenden Chor beim Refrain immer weiter gesteigert wird. Die Veränderungen, die der Burnout mit sich bringt, werden in der Musik widergespiegelt. Die Hetze steigert sich immer weiter und gipfelt schließlich in der erlösenden Lähmung durch die Zwangspause.
Die Gesellschaft und das Individuum und die Auswirkungen der Einen auf den Anderen, das zieht sich durch den Silberling wie ein roter Faden. Neben den ganz aktuellen, sind auch die ewigwährenden Themen Liebe (bei "Zwei Raben"), Leben und Tod ("Was bleibt"), vertreten.
Nochmal ein Sprung zurück zu den gesellschaftlichen Themen:
"Orient und Okzident" beginnt mit Sphärenklängen und orientalischem Einschlag, um eine Lanze für Völkerverständigung und friedliches Miteinander der Religionen zu brechen. Eingängig und melodisch bleibt der Song in den Gehörgängen hängen und dringt hoffentlich auch in die Köpfe derer ein, die dem im Wege stehen.
Soweit zu den Inhalten - doch wie klingt Weto nun? Auf einen ganz einfachen Nenner gebracht ist es ein hartes Schandmaul ohne Mittelalter, dafür aber mit leichtem Industrial-Einschlag. Lindners Gesang zieht sich markant durch die Scheibe und wird mit harten Gitarren und Keyboards, die von poppig bis hin zu schnellen Beats reichen, unterstrichen.
Ein wenig greifen sie das Strickmuster auf, das sich - auch in kommerzieller Hinsicht - bereits beim unheiligen Grafen bewährt hat und unterlegen eher gefällige Lieder mit harten Beats, die die Nummern gekonnt vor dem Abdriften in allzu schnulzige Gefilde bewahren.
»Glaubst Du Dir selber noch?
Oder weißt Du schon, dass Du nur noch der Lobby dienst,
und jetzt sonderbarerweise soviel mehr verdienst. «
So fragt Weto in "Glaubst du noch" - in meinen Augen beweisen sie mit dieser Scheibe höchste Glaubwürdigkeit. Ich nehme den Jungs das ab, dass sie diese Themen aus einem persönlichen Interesse angepackt haben, weil es ihnen ein wirkliches Bedürfnis war.
Ein richtig starkes Album, das durchaus radiokompatibel ist und dennoch heiße, aktuelle Eisen anpackt. Der "Schattenspieler" ist mein persönlicher Anwärter auf das Album des Jahres 2011.
Line-up:
Matthias 'Hiasl' Richter (Bass)
Stefan Brunner (Schlagzeug)
Martin "Ducky" Duckstein (Gitarre)
Thomas Lindner (Gesang)
Heiner Jaspers (Keyboard)
Tracklist |
01:Eiszeit
02:Feuertanz
03:Was bleibt
04:In das Licht
05:Orient und Okzident
06:Glaubst du noch
07:Krank
08:Schattenspieler
09:Reise
10:Ausgebrannt
11:Zwei Raben
12:In das Licht (Radio ed.)
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