Ich hätte, meinem intuitiven Erdkundeverständnis vertrauend, noch immer Anchorage in einem sehr nördlichen Teil des amerikanischen Kontinents vermutet. Völlig falsch, Alaska gehört zu den Südstaaten! Neee …?
Wenn eine Band so den 'Spirit of the South' aus allen Poren schwitzt, die gängigen Stile der Americana/No Depression/Red Dirt/New Country/Southern Rock/Texas Boogie-Abteilung aus dem FF raushauen kann und dabei auch noch nebenbei einen beißenden Anti-Kriegshammer über die vom Dollar-Gott erwählte Nation samt Klampfen-Edelschnulze loslässt, dann können wir mal getrost die geografischen Lehrmeinungen beiseite lassen. Dieses Blatt sägt knallhart Lousiana-Zypressen und keine Polar-Fichten!
The Whipsaws sind eine junge Band, die mit ihrem zweiten Album "60 Watt Avenue" die Southern Scene gehörig aufmischen. Als Backing Band für den Singer/Songwriter Tim Easton von ihrer Heimat aus gestartet, landeten sie heuer auf dem SXSW-Festival in Texas, wo sie vom Spürhund des deutschen Blue Rose-Labels von einer Nebenbühne herunter freiweg verpflichtet wurden (schöööne Geschichte auch …).
Und dazu können wir nur gratulieren. Das komplette Band-Line-up ist bei den Song-Credits vertreten, Mastermind ist jedoch klar Sänger und Gitarrist Evan Phillips. Neben Basser Ivan Molesky, dem zweiten Gitarristen Aaron Benolkin und Drummer James Dommek jr. gibt es eine Reihe von Gästen, die helfen, "60 Watt Avenue" zu einer sehr abwechslungsreichen Scheibe zu machen. Zu den weiteren eigenen Instrumenten wie Slide-Guitar (Kettensägen-Version) und Banjo gesellen sich Pedal Steel, Dobro, Keyboard, Harp und Fiddle. Auch die verschiedenen Leadvocals tragen dazu bei. Die Musik bewegt sich irgendwo zwischen den Byrds, Bobby Darin, den Bottle Rockets und den Drive-By Truckers.
Darüber schwebt der Geist von Ol' Neil (sein "Mr. Soul" wird gekonnt gecovert) samt seinem verrückten Gaul. Denen ist das Werk auch namentlich gewidmet und damit haben sich die Anchorage-Jungs wirklich nicht zu weit aus dem Fenster gehängt.
Es findet sich keine einzige durchschnittliche Nummer auf dem Album, allerdings stilistisch geht's ganz schön querbeet durch den südlichen Garten der Musik-Triebe. Trotz des Wechsels zwischen krachenden Rock-Nummern ("60 Watt", "Jessi Jane", "High Tide", "The War", "Sinferno"), satten Blues Rock-Slingern ("Bar Scar"), schönen No-Depression-Balladen ("Coming Home", "Lonesome Joe", "Ode To Shakey", "Seven Long Years") und Country-Schmachtfetzen ("Stick Around", "Amsterdam") gibt es keine wirklichen Brüche. Genre-Puristen mögen meckern, aber irgendwo passt das richtig gut. Und über soviel jugendlichen Mut und dem Können, das da in den einzelnen Sparten gezeigt wird, kann sich der aufgeschlossene Musikfan nur freuen.
Das Ganze ist auch noch abwechslungsreich in Eigenregie produziert und mit einigen netten Gimmicks verziert; am Sound gibt es keine Abstriche - das ballert richtig.
Ich hätt nicht gedacht, dass der Klimawandel inzwischen soweit fortgeschritten ist...
Tracklist |
01:60 Watt
02:Jessi Jane
03:Coming Home
04:Stick Around
05:High Tide
06:Lonesome Joe
07:The War
08:Sinferno
09:Bar Scar
10:Amsterdam
11:Mr. Soul +
12:Ode To Shakey
13:Seven Long Years
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