Warren Zevon / Same
Warren Zevon Spielzeit: 38:28
Medium: CD
Label: Rhino Records, 2008 (1976)
Stil: Classic Rock


Review vom 14.03.2009


Markus Kerren
Zugegeben, ich bin ein Spätzünder, wenn es um die Musik von Warren Zevon geht. Aber als ich sie dann entdeckte, traf sie mich wie ein Stromschlag! Der im kalifornischen Fresno aufgewachsene Pianist und Sänger besticht mit seinen Songs, die unaufmerksam und nur im Vorbeigehen angehört, möglicherweise wie 'normaler' Mainstream-Classic Rock klingen, durch absolute Einzigartigkeit. Zevon ist anders, singt anders, komponiert anders und intoniert anders als alle seiner stil ähnlichen Kollegen.
Bereits im Jahr 1969 erschien sein erstes Album "Wanted: Dead Or Alive!", das aber bereits kurz nach seiner Veröffentlichung sang- und klanglos wieder in der Versenkung verschwand. Danach folgten Jahre des Songwritings (auch zu dieser Zeit griff so mancher Star schon gerne auf Warrens Kompositionen zurück), Tourneen als Bandleader mit den Everly Brothers und des Wartens, endlich seine eigene Chance zu bekommen. Schließlich war es dank der Mithilfe seines Freundes
Jackson Browne soweit und Zevon enterte 1975 das Studio, um sein gleichnamiges 'zweites Debütalbum' aufzunehmen, das dann 1976 erschien.
Die Scheibe besteht aus elf Songs, die sich an Klasse regelrecht immer wieder selbst übertreffen. Wenn man sich nur mal (weiter unten) die hochkarätige Liste der Gastmusiker anschaut, kann man schon erahnen, welch großen Respekt der Protagonist schon damals in der hochkarätigen L.A.-Szene genoss.
Bereits der Opener "Frank And Jesse James" führt deutlich vor Augen, was für ein ungewöhnlicher und extrem versierter Texter Zevon war. Dazu gesellen sich durch eine klassische Erziehung beeinflusste Piano-Läufe, die einmal mehr aufhorchen lassen und Interesse bzw. die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Konsumenten recht schnell auf die Musik lenken. Auch "Mama Couldn't Be Persuaded" glänzt durch das autoritäre Piano, eine unterstützende, atmosphärische Geige und einer unwiderstehlichen Melodie im Refrain.
Sensible, gefühlvolle Balladen ohne jemals auch nur im Anflug kitschig zu wirken? In dieser Hinsicht bekommt man mit "Backs Turned Looking Down The Path", "Hasten Down The Wind" und "Desperados Under The Eaves" die volle Breitseite verpasst, immer wieder bereichert von einem intelligenten und punktgenauen Beobachtungssinn.
Nicht nur hier glänzt Trumpf Nummer 1 in Zevons Ärmel, der Gitarrist Waddy Wachtel, der später u. a. noch mit Randy Newman und Keith Richards arbeiten sollte. Aber auch die Rocker sind mit "Poor, Poor Pitiful Me" oder "I'll Sleep When I'm Dead" stark vertreten. Wachtel kann sich bei den Soli austoben und Warrens Piano hat ansonsten, trotz vollwertiger Band, die Zügel fest in der Hand. Trumpf Nummer zwei war der (in erster Linie) Musiker, dann Freund und Produzent Jackson Browne, der dem warmen Sound auch genau die richtige Tiefe verpasste.
Immer wieder hochinteressant, wie Menschen und der Rockfan im Allgemeinen bestimmte Songs auffassen. Ein Beispiel? Der auf diesem Album vertretene Zevon-Song "Carmelita", den später auch Willy de Ville für eines seiner Alben aufnahm. Es war im Jahr 2003 bei einem de Ville-Konzert in Stuttgart, als Willy u. a. diese Nummer brachte. Anfangs nur etwas befremdet, wurde mein Erstaunen im Verlauf des Tracks immer größer, als die Pärchen im Publikum damit anfangen, liebestrunken mitzuschunkeln und mit den meisten anderen Anwesenden im Refrain rhythmisch klatschend und tanzend der guten "Carmelita" ihre Ehre zu erweisen.
Sicherlich wussten sie nicht, dass die besungene "Carmelita" kein heißblütiges mexikanisches Mädchen, sondern ein Straßenname in einem herunter gekommenen Teil Hollywoods ist und es sich auch keineswegs um ein Liebeslied, sondern die Gedanken eines resignierendes Junkies handelte, der beschließt, die Spritze ein letztes Mal anzusetzen und sich damit selbst in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Was mag wohl im Kopf eines Musikers vorgehen, wenn er von der Bühne aus zweifelsfrei erkennen muss, dass das Publikum vor ihm inhaltlich offensichtlich einen ganz anderen Track erlebt/abfeiert, als den, den er gerade zum Besten gibt? Irgendwie hat das fast schon was Humorvolles.
Aber zurück zum Album: Jeder einzelne Track auf "Warren Zevon" ist ein Klassiker, wobei ich jedoch zwei außergewöhnliche Schmuckstücke noch besonders hervorheben möchte. Etwa in der Mitte des Albums befindet sich ein musikalischer Schatz namens "The French Inhaler", bei dem Zevon durchaus zynisch aus dem Leben in der Bar-Szene Hollywoods erzählt, es u. a. um ein Groupie (die selbstverständlich 'Schauspielerin' ist) geht und er ganz nebenbei auch noch einen mindestens genauso harten wie ehrlichen Blick auf seine eigene Situation wirft. Das Ganze verpackt in einen kompositorisch sowie vom Arrangement her höllengeilen Song, bei dem ich es bisher noch nie geschafft habe, ihn ohne eine Gänsehaut auf dem Rücken anzuhören.
Ja, und dann ist da noch "Mohammed's Radio". Auch hier haben wir es mit Songwriter-Kunst auf dem allerhöchsten Niveau zu tun, sowohl von der Musik wie auch den schon beißend sarkastischen Lyrics.
Die Texte des Albums sind insgesamt abwechselnd von scharfsichtiger Beobachtungsgabe, tiefen Gefühlen oder fast schon satirischem Zynismus geprägt (»…weißt du, der Dorfpolizist hat auch so seine eigenen Probleme… und du kannst dich schon mal drauf gefasst machen, dass er seinen Frust an dir ablassen wird…« ). Aber der Kalifornier hat auch keine Probleme damit, sich selbst ganz gehörig auf die Schippe zu nehmen ("'Poor Poor Pitiful Me"). Insgesamt ist "Warren Zevon" ein kleines Kunstwerk und ohne Übertreibung eine Inselplatte.
Mit dem bereits vom werten Kollegen Ulli vorgestellten Nachfolgewerk Excitable Boy kam dann, zumindest in den USA der große Erfolg, und der Song "Werewolves Of London" von dieser Scheibe läuft auch heute noch auf den amerikanischen Classic Rock-Stationen rauf und runter.
Aber selbst wenn "Warren Zevon" noch nicht ganz so eingängig bzw. leicht zugängig als das Durchbruch-Album ist, so ist es dennoch um keinen Deut schlechter. Warren Zevon hat sich damit zumindest in meine All Time Faves eingereiht und wird von dort wohl auch nicht mehr verschwinden. Essenziell!!
Auf dem Rhino-Label wurde mittlerweile übrigens auch eine Expanded Version mit einer zweiten CD veröffentlicht, die jede Menge willkommene 'work in progress'-Tracks beinhaltet. Davon, liebe Freunde des guten Geschmacks, werde ich mir garantiert nach dem nächsten größeren Zahltag eine Ausgabe besorgen. Und ich weiß bereits jetzt, dass ich dieses nahezu luxuriöse Vergnügen nicht bereuen werde!!
Line-up:
Warren Zevon (lead and background vocals, piano, rhythm guitar - #10, harmonica - #8)
Waddy Wachtel (guitars, background vocals)
Bob Glaub (bass)
Larry Zack (drums)
Jackson Browne (slide guitar, piano, harmony vocals - #2, 3, 10, 11)

With guests:
Gary Mallaber (drums - #3, 8)
Marty David (bass - #3)
Roy Marinell (bass - #8)
David Lindley (banjo - #1, fiddle - #1,5, slide guitar - #4, 7, guitar - #9)
Lindsey Buckingham (harmony vocals - #5, 7)
Stevie Nicks (harmony vocals - #7)
Glenn Frey (harmony vocals - #6, 9)
Don Henley (harmony vocals - #6)
Jorge Calderon (harmony vocals - 8#)
Bonnie Raitt (harmony vocals - #10)
Rosemary Butler (harmony vocals - 10)
Phil Everly (harmony vocals - #1, 4)
J. D. Souther (harmony vocals - #2)
Bobby Keyes (saxophone - #5, 7, 10)
Jai Winding (piano, organ & synthesizer - #5, 10)
Tracklist
01:Frank And Jesse James
02:Mama Couldn't Be Persuaded
03:Backs Turned Looking Down The Path
04:Hasten Down The Wind
05:Poor Poor Pitiful Me
06:The French Inhaler
07:Mohammed's Radio
08:I'll Sleep When I'm Dead
09:Carmelita
10:Join Me In L.A.
11:Desperados Under The Eaves
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