Warren Zevon / The Wind
The Wind Spielzeit: 45:15
Medium: CD
Label: Artemis Records, 2003
Stil: Rock

Review vom 22.01.2010


Markus Kerren
Im Herbst 2002 wurde Warren Zevon von seinem Arzt mitgeteilt, dass er sehr bald sterben wird. Auf zwei bis drei Monate wurde seine Lebenserwartung diagnostiziert, wurde doch eine seltene und besonders aggressive Form von Lungenkrebs bei ihm festgestellt. Ganz sicher ein Befund, der jeden Menschen erst mal ganz gehörig aus der Bahn wirft. Umso erstaunlicher, dass Zevon bereits wenige Tage später von seinem finalen Lebensziel, ein letztes Album aufzunehmen, sprach und sich auch umgehend an die Arbeit machte. Warren war Zeit seines Lebens ein sehr willensstarker Mensch gewesen und so weigerte er sich, entgegen allen Umständen, nicht eher abzutreten, bevor dieses letzte Werk, "The Wind", fix und fertig im Kasten war.
Da ich den Musiker Warren Zevon und sein Werk sehr, sehr gerne mag, kann ich mir dieses Album - einfach wegen der damit in Verbindung stehenden Umstände - nicht immer anhören. Manchmal haue ich die Scheibe auch in den Player und muss dann nach ein paar Tracks wieder abbrechen, da ich dann einfach zu melancholisch werde. Wobei das gar nicht mal mit den auf "The Wind" befindlichen Songs zusammenhängt. Zumindest nicht mit allen, denn Zevon war auch bei diesem Songzyklus weit davon entfernt, einen auf Opfer zu machen, mit dem Schicksal zu hadern und auf die Tränendrüse zu drücken. Eine ordentliche Anzahl an Titeln, die dann aber doch granatenmäßig unter die Haut gehen, sind allerdings schon vertreten.
Angefangen mit dem Text des Openers "My Dirty Life And Times", der einen nachdenklichen Blick zurück auf Bruchstücke seines eigenen Lebens wirft. Musikalisch geht das allerdings richtig schön nach vorne, Don Henley (Eagles) macht hinter der Schiessbude Dampf und Ry Cooder legt ein ordentliches Pfund am elektrischen Sechssaiter hin. Ach ja, das Line-up dieses Albums… Zevons Gesundheitszustand sprach sich natürlich wie ein Lauffeuer in Musikerkreisen rum und so ließ es sich natürlich keiner seiner alten Weggefährten nehmen, dem einzigartigen Musiker und Zyniker eine letzte Ehre zu erweisen. Namen gefällig? Bruce Springsteen, Jim Keltner, Joe Walsh,
Tom Petty, Emmylou Harris, David Lindley, Dwight Yoakam, Steve Gorman (Black Crowes), Jackson Browne, T-Bone Burnett, John Waite, Sohnemann Jordan Zevon und, und, und… Das Line-up spricht Bände für die Wertschätzung, die Zevon bei seinen Kollegen genoss.
Wer hier nun aber mit einem Superstar-Treffen rechnet, bei dem auf name dropping spekuliert wurde, der liegt daneben. Es gibt kein einziges Duett, keiner der großen Namen hatte auch nur die Spur von Ego ins Studio mitgebracht. "The Wind" ist einfach nur ein weiteres, ganz normal großartiges Zevon-Album. War der erste Track schon sehr stark, dann geht bei "Disorder In The House" so richtig die Post ab, wenn Bruce Springsteen seine Gitarre zum Qualmen bringt und auch klasse Background Vocals beiträgt. Man hört die Musiker während des Songs lachen und sich ein paar Worte zurufen, was die Vermutung nahe legt, dass die Nummer 'live im Studio' eingespielt wurde. Sehr geil!
"Numb As A Statue" eröffnet Warren mit den Worten »Let's do another bad one then…. 'cos I like it when the blood drains from their face…«, bevor die Band (hier mit David Lindley an der Gitarre) in einen weiteren coolen Rocker startet. "Rub Me Raw" ist eine Blues-Nummer mit Joe Walsh in Höchstform an der Slide Guitar. Relativ zu Beginn der Scheibe haben wir mit "Knockin' On Heavens Door" einen Titel, der eigentlich überhaupt nicht geplant war und so spontan wie vortrefflich in nur wenigen Stunden eingespielt wurde. Und obwohl sich dieses Stück bei mir schon tot gedudelt hat, gewinnt es auf diesem Album hier eine noch mal ganz andere Bedeutung und geht ganz schön unter die Haut. Das traurige "She's Too Good For Me" war seiner Ex-Frau gewidmet, die sich nach seinen jahrelangen Eskapaden (Zevon war alles andere als ein Heiliger) schließlich von ihm trennte, was dieser bis ganz zum Ende nicht verkraftet hatte.
Bei "El Amor De Mi Vida" flirtet der Meister dann wieder mit der spanischen Sprache, wie er es auch früher schon, zum Beispiel bei "Veracruz" (von dem Album Excitable Boy) getan hatte. Den nichtenglischen Teil des Gesangs übernahm einmal mehr sein bester Freund und Co-Komponist Jorge Valderon, der übrigens als einziger Musiker auf allen Tracks des Albums beteiligt war. Mit der letzten Nummer "Keep Me In Your Heart" wird es dann doch noch dramatisch für den Fan dieses Musikers mit russischen Vorfahren. Allerdings kommt die Nummer erfrischend unaufgesetzt und ist einfach nur als ein letzter Abschiedsgruss an diese Welt zu verstehen.
Am 7.September 2003 hatte der Krebs dann auch den so widerstandsfähigen Warren Zevon besiegt. Nein, er hatte keine Ruhe gegeben, bis "The Wind" im Kasten war, dessen Veröffentlichung unser Protagonist allerdings nicht mehr erlebte. Ein sehr starkes Vermächtnis hat er uns hinterlassen, der Mann, der schon früh wusste, dass einen das Leben zwangsläufig unter die Erde bringt ("Life'll Kill Ya"), der sich selbst als Pirat in seiner Berufsklasse verstand ("The Mutineer") und der erst schlafen wollte, wenn er tot ist ("I'll Sleep When I'm Dead"). Ich wünsche ihm von Herzen, dass seine lebenslang rastlose, zerrissene und gemarterte Seele letztlich ihre verdiente Ruhe gefunden hat!
Line-up:
Warren Zevon (lead vocals, electric & acoustic guitars, piano, keyboards)
Jorge Calderon (bass, electric & acoustic guitars, maracas, spanish vocals, background vocals)
Joe Walsh (slide guitars - #10)
Jim Keltner (drums)
Bruce Springsteen ( electric guitar & background vocals - #2)
Tom Petty (background vocals)
Emmylou Harris (background vocals)
Don Henley (drums, background vocals)
Timothy B. Schmit (background vocals)
David Lindley (lap steel guitar, electric saz, background vocals)
Steve Gorman (drums)
Billy Bob Thornton (background vocals)
Ry Cooder (slide guitar)
Dwight Yoakum (background vocals)
John Waite (background vocals)
Luis Conte (drums, percussion, congas, bongos & maracas)
Reggie Hamilton (upright bass)
Jordan Zevon (background vocals)
Jackson Browne (background vocals)
T-Bone Burnett (background vocals)
James Raymond (piano)
Mike Campbell (electric guitar)
Gil Bernal (saxophone)
Tommy Shaw (12-string acoustic guitar, background vocals)
Randy Mitchell (slide guitar, background vocals)
Brad Davis (electric guitar, background vocals)
Tracklist
01:Dirty Life And Times
02:Disorder In The House
03:Knockin' On Heavens Door
04:Numb As A Statue
05:She's Too Good For Me
06:Prison Groove
07:El Amor De Mi Vida
08:The Rest Of The Night
09:Please Stay
10:Rub Me Raw
11:Keep Me In Your Heart
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