»Ihr könnt ja mal reinhören« meinte Yngve Wieland nach dem Gig in Franks Bodega und drückte uns "The Sadness Of Remembering" in die Hand.
Geht es euch auch so? Für mich ist oft der Weg über ein Konzert der einfachere, um Zugang zu neuer Musik zu finden. Kurz nach den Live-Eindrücken klingt eine Scheibe einfach vertrauter. Zu den Einzelsongs gesellt sich die Erinnerung an die Atmosphäre und Interpretation der einzelnen Nummern.
Erster Eindruck nach dem ersten Durchhören: Die Aufnahme ist insgesamt softer. Sie wirkt vorsichtiger. Oder – vielleicht andersrum betrachtet – die Songs sind durch das Touren und Livespielen nochmal enorm gereift, haben noch einen guten Zacken zugelegt. Und das, wo sie doch von Haus aus schon nicht von schlechten Eltern sind. Mit der CD gibt es ausgiebig Gelegenheit dem nachzuspüren, was schon im Konzert so positiv aufgefallen ist: das Songwriting.
Ursprünglich war Yngve (so hatte er uns erklärt) ein Gitarrist. Genauer ein Blues-Gitarrist, der eigentlich gar nicht singen wollte. Mit seinen Anfängen im Songwriting trat sein Interesse an der Gitarre mehr und mehr in den Hintergrund. Piano und Orgel wurden seine Favoriten für Melodieführung und Soli. Der Gesang wurde zur Notwendigkeit, die Gitarre wurde eher untergeordnet und nicht zum Selbstzweck eingesetzt.
Mittlerweile wendet sich das Blatt wieder ein Stück weit, doch auf der 2012 aufgenommenen "Sadness" wird diese Karte aufs spannendste gespielt. Zu der Zeit bediente noch Ned Cartwright die schwarz-weißen Tasten (inzwischen klimpert James William John Boston die Piano- und Orgeltöne so locker aus dem Handgelenk). Aber so tragend die Keys auch sind – zu keiner Zeit drücken sie sich aufdringlich in den Vordergrund, sondern stehen immer im Dienst des Gesamtarrangements. Das wird bereichert durch ein kraftvoll und doch sensibel gespieltes Schlagzeug (Demian Wieland) sowie einen satten und schön groovenden Bass von Simon Brown. Dazu Yngve an der Gitarre, die zwar nicht ausgiebig soliert, aber auch keineswegs nebensächlich dahergezupft wird.
Und der Gesang? Im Dienste der Songs hat Yngve sich dann doch mit dem Mikro angefreundet – und zwar echt gut. Aber auch die anderen Bandmitglieder kommen zu Wort, respektive Gesang. Mehrstimmig, in bester britischer Tradition. Dazu gesellen sich jede Menge anderer Einflüsse, die mit einer gut lesbaren Handschrift zusammengefügt werden. Von soft in "Weight Of Your Finger" und "Draw A Line" zum countryinspirierten "You'll Be Mine" über das verfremdete "Mr. King", das erstmals zeigt, wieviel Power der Vierer auch entwickeln kann.
Beim Anfang von "Chip On A Shoulder" denke ich zuerst gar an einen Abzählreim. Gesang und Instrumentalparts (geile Mundharmonika!!) wechseln sich im weiteren Verlauf ab und schrauben Tempo und Intensität immer höher. Ein Song zum drin versinken, sich hochwirbeln lassen und dann sanft wieder ein Stück nach unten schweben... bis der nächste Wirbel dich dann wieder packt.
Als kleine 'Verschnaufpause' legt "Quarantine" ein locker flockiges Fundament aus Gesang und Orgel, das die Saxofon-Einlagen des Gastmusikers Adrian Cox umrahmt. Die Finger schnippen mit – mindestens!
Schwarzweißfilm-Atmosphäre durchflutet "Every Man" mit fast schon klassisch anmutenden Pianoparts und sehr fein eingesetzem Cello von Kathleen Ross. Der Song entwickelt wieder eine ganz starke Dynamik, ähnlich wie bei "Chip On A Shoulder". Aber doch deutlich anders, allein schon aufgrund des hier gewählten Stils.
Einen Wimpernschlag später boogie-woogiet "You've Been Released" auch den letzten Popo von der Couch. Wer hier die Füße stillhalten kann, ist hoffnungslos verloren!
"Free From Fear" schlurft angenehm verträumt vor sich hin und lässt die Scheibe zusammen mit "Tell Me A Story" ganz relaxt ausklingen.
Wahrscheinlich ist "The Sadness Of Remembering" kein Album, das seine Qualität sofort offenbart. Nix, was sofort im Ohr hängt, dafür aber eins, das mit jedem Hören spannender wird. Ich bin schon jetzt gespannt wie ein Flitzebogen auf das, was Yngve & The Innocent zwischen ihren Gigs im Studio zaubern und uns im Herbst präsentieren werden.
Für mich ist die ganze Band eine erfreuliche Entdeckung! Reinhören und Konzertbesuch sei euch hiermit dringend ans Herz gelegt!
Line-up:
Yngve Wieland (lead vocals, guitars, bass, harmonica)
Demian Wieland (drums, percussion)
Ned Cartwright (piano, backing vocals, Rhodes, organ)
Simon Brown (bass, backing vocals, guitar)
Special guests
Adrian Cox (saxophone)
Kathleen Ross (cello)
Tracklist |
01:Weight Of Your Finger
02:Draw A Line
03:You'll Be Mine
04:Mr. King
05:Chip On A Shoulder
06:Quarantine
07:Every Man
08:You've Been Released
09:Needle Of A Man
10:Free From Fear
11:Tell Me A Story
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