Die Biermösl Blosn waren eine bayerische Institution.
Allerdings keineswegs 'so typisch bayrisch' mit Lederhosn, Schuhplattler, Jodeln und 'Derbleck'n' (jemandem öffentlich spaßig seine Schandtaten vorhalten) - obwohl sie genau das auf die Bühne brachten. Aber nicht im volksdümmlichen, pseudo-folkloristischen Mutanten-Stadl-Stil, sondern 'echt' - unverfälscht, intelligent, kritisch und dazu noch amüsant und unterhaltsam. Hervorragende, multiinstrumentale Musiker und Kabarettisten, die in bester Tradition mit Spott-Liedern in Mundart vor allem die CSU mit ihrem Alleinherrschertum, aber auch die zum allgegenwärtigen Lobbyismus ausgewachsene Vetternwirtschaft im Land oder die katholische Scheinheiligkeit aufspießten und gegen Umweltzerstörung, EU-Bürokratismus, Subventions-Bauernfürstentum, Energiemonopolismus oder bierselige Heimattümelei und Folklorekitsch ansangen. Sie gehörten zur ersten Generation der AKW-Gegner im Land, spielten zusammen mit zahlreichen anderen Bands kostenlos gegen die Wiederaufbereitungsanlage im Oberpfälzer Wackersdorf auf und waren auch das musikalische Sprachrohr der bayerischen Öko-Bewegung, obwohl sie sich nie instrumentalisieren ließen.
Mit dem Kabarettisten Gerhard Polt fanden sie einen kongenialen Partner und Seelenbruder, ihre gemeinsamen Satire-Programme gehörten zum Besten, was in dieser Richtung auf die Bühne kam. Aber auch solistisch, mit wechselnden Partnern, in verschiedenen Zusammensetzungen, als Teil größerer Theaterensembles, mit unterschiedlichen Thematiken und für ein anderes (nicht immer freiwilliges und weniger begeistertes) Publikum spielten sie und veröffentlichten eine beachtliche Reihe von Tonträgern, Videos sowie Liederbüchern.
Hans, Michael und Christoph Well, drei der 15 Kinder einer komplett musikalischen Großfamilie, begannen vor über 35 Jahren als Biermösl Blosn (Blosn = Clique), benannt nach dem heimischen Biermoos. Zu einer Zeit, als sie mit ihren frechen, anarchistischen Auftritten im tiefschwarzen Bayernland und erst recht in der trachtenvereinsdominierten, erzkonservativen Volksmusikszenerie als Verunglimpfung der Heimat betrachtet und entsprechend behandelt wurden. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die traditionelle Musik aus dem hinterwäldlerischen Dämmerschlaf wieder zu einer zeitgenössischen Form emanzipieren konnte, mit der sich auch sonstige Musikfans befassen wollten. Heute hat gerade im gesamt-bayerischen Raum die Volksmusik einen beachtlichen Zulauf von jungen Leuten, die mehr oder weniger alle in der Spur der Biermösl Blosn sind. Jetzt ist aber Feierabend; verschiedene Ansichten über ihre Rolle im Problem-entspannten Bayern, sie mögen in ihrer Dreierbesetzung so nicht mehr.
Dass sie die letzten beiden (natürlich ausverkauften) Auftritte am 17. und 18. Januar 2012 im Fürther Stadttheater gaben, war auch eine Ehre für ihre große fränkische Fanschar und zeigt, dass sie, trotz aller bayrischen Verbundenheit, mit regionalen Scheuklappen nie was am Hut hatten. Das hat ihnen weit über den Heimatrand hinaus viele Anhänger jeden Alters gebracht. Dazu jede Menge Kleinkunstpreise und die mehrjährige Verbannung aus dem öffentlich-rechtlichen Bayerischen Fernsehen, dem Hofbräuhaus und dem Goethe-Institut. Dieter Hildebrandt, dem großen Kabarett-Kollegen, ist es zu verdanken, dass sie via "Scheibenwischer" wieder auf die weiß-blaue Mattscheibe zurückkamen und nun auch dort entsprechend zum Abschied gewürdigt wurden.
Ob man an der Nordseeküste, im Ruhrpott, in Sachsen, in Südtirol, bei den Eidgenossen, beim tff im thüringischen Rudolstadt (Deutscher RUTH 2005), geschweige denn im 'richtig' fremdsprachigen Ausland auf ihren Touren rund um die Welt, ihre Texte so genau begriffen hat, lässt sich bezweifeln. Aber was sie rüberbringen wollten, das wurde überall verstanden. Sie haben gezeigt, dass echte Volkskunst nicht das Gedudel der diversen Alpenglühn-Fernsehshows mit ihren lodenverkleideten Schlagerfuzzis ist, sondern Herz und Hirn hat, aktuell, gesellschaftskritisch, zeitlos sein kann und drüber hinaus noch Freude macht. Oder andersrum: Dass man auch heute noch mit Mundart-Liedermachertum und Satire in einer traditionellen Volksmusik die Leute im Land erreicht und begeistert. Wirkliche, zeitgemäße Rootsmusic halt, deren Wurzeln tief in das Volksherz reichen. Und Weltmusik, made in the fine Bavarian tradition.
Die Biermösl-Blosn gibt es jetzt nicht mehr, die Well-Brüder werden aber in anderen künstlerischen Konstellationen weitermachen.
Reschpekt, servus und dank'schön,
sagt deshalb auch die RockTimes-Redaktion!
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