The Allman Brothers Band / An Evening With... 2nd Set
An Evening With... 2nd Set Spielzeit: 18:04 (Side 1), 22:51 (Side 2), 18:40 (Side 3), 16:09 (Side 4)
Medium: Do-LP
Label: Music On Vinyl (Cargo Records), 2015 (1995)
Stil: Jam Rock


Review vom 11.11.2015


Markus Kerren
Zugegebenermaßen war der Verfasser dieser Zeilen verdammt spät dran, bis er die Allman Brothers Band endlich für sich entdeckte. So geschah es eines späten Samstagabends in den ganz frühen Neunzigern, dass er unvermutet über ein im Fernsehen laufendes "Ohne Filter"-Konzert der Amerikaner stolperte. Die Band hatte sich nach den ganz starken ersten Jahren (noch mit den Anfang der Siebziger verstorbenen Duane Allman und Berry Oakley) sowie einem nächsten (teilweise eher verunglückten) Versuch zu Beginn der Achtziger zum Ende jenen Jahrzehnts gerade zum zweiten Mal reformiert und mit den ganz starken Werken Seven Turns sowie "Shades Of Two Worlds" wieder schwer beeindruckt.
Von diesem "Ohne Filter"-Auftritt wie elektrisiert, befinden sich seither sämtliche Alben der Combo niemals weit von meiner Anlage entfernt. Wer keine Aufnahmen von dem oben erwähnten grandiosen Gig hat (mittlerweile als "Live In Germany 1991" auf DVD erhältlich), kann sich zumindest ansatzweise mit der DVD Live At Great Woods von der Güte der Brothers zur damaligen Zeit überzeugen. Nachdem Live-Aufnahmen vom Dezember 1991 und März 1992 im Sommer jenes Jahres als "An Evening With... 1st Set" erschienen, die sich vor allem auf Songs von "Shades Of Two Worlds" sowie alte Klassiker konzentrierten, wurde im Mai 1995 (USA) mit dem "... 2nd Set" nachgelegt.
Die ABB-Originalbesetzung steht hier erst gar nicht zur Diskussion, aber diejenige zur Zeit dieser Aufnahmen (bzw. die Besetzung von 1989 bis in die zweite Hälfte der Neunziger) mit den verbliebenen Originalmitgliedern Gregg Allman, Dickey Betts, Butch Trucks und Jaimoe sowie den bärenstarken Warren Haynes und Allen Woody sowie dem Percussionisten Marc Quinones war meiner bescheidenen Meinung nach ansonsten die beste, gewaltigste, umwerfendste und brillanteste in der Geschichte der Band. Was sie auf Seite 1 dieses erstmals auf Vinyl erschienenen Livealbums auch gleich eindringlich unter Beweis stellt. Mit "Sailin' Cross The Devil's Sea" und "Soulshine" sind gleich zwei Nummern von der damals aktuellen (sehr starken) Studioscheibe "Where It All Begins" vertreten, unterbrochen nur von dem (auch auf "At Fillmore East" enthaltenen) "You Don't Love Me".
Die zweite Seite 'gehört' im Großen und Ganzen Dickey Betts und seinen Tracks "Where It All Begins" sowie dem Allman Brothers-Klassiker "In Memory Of Elizabeth Reed". Aber wer diese Musiker kennt, der weiß bereits, dass hier niemals eine One Man Show läuft, sondern sich alle ergänzen, gegenseitig herausfordern und in musikalisch immer höhere Höhen treiben. Ein Fakt, den diese beiden Longtracks natürlich noch eindrucksvoller unter Beweis stellen, als die (auch) gesanglich dominierten Songs der ersten Seite. Richtig geil kommt hier "...Elizabeth Reed" mit akustischen Gitarren, seinem allseits bekannnten Swing und den nicht wegzudenkenden Jazz-Einflüssen.
Bei der Willie Dixon-Nummer "The Same Thing" hat Warren Haynes seinen Auftritt vor dem Mikro, den er in gewohnt starker Form meistert. Die göttlichen Gitarren von Betts und Haynes, Woodys allumgreifender Bass, das Spiel von sage und schreibe drei 'Drummern' und als Ergänzung die Tasten von Gregg Allman sind mitreißend. Ein ganz besonderes Schmankerl gibt es obendrein mit der (von Allman gesungenen) Dickey Betts-Nummer "No One To Run With", einem der Highlights des damals aktuellen Studioalbums "Where It All Begins".
In meinen ganz frühen Teens bin ich mit "Jessica" als Erkennungsmelodie für mehrere Radiosendungen des Saarländischen Rundfunks (das aber immer gerne auch mal ausgespielt wurde) praktisch morgens aufgewacht und abends wieder eingeschlafen. Logischerweise hatte ich damals noch keine Ahnung, von wem diese Nummer überhaupt war, die sich schon lange wie das tägliche Atmen in mein Hirn eingebrannt hat. Hier bekommen wir eine komplette LP-Seite dieses Tracks geboten, der sich von dem angenehm bekannten Grundthema bis in geradezu wahnsinnige Intensivität steigert. Kniefall!
Was für eine geile Veröffentlichung, die auf feinstem 180g-Vinyl noch hundert Mal zusätzlichen Spaß bringt. Mein Tipp: Telefonstecker ziehen, Fernseher in der Ecke stehen lassen, die Liebste (falls sie Lust hat) neben sich setzen, ein Getränk der Wahl öffnen, den Rest der Welt vergessen, Augen schließen und genießen!
Line-up:
Gregg Allman (Hammond organ, keyboards, acoustic guitar, lead vocals -#A-1,2,3, C-2)
Dickey Betts (lead & rhythm guitars, acoustic guitar, lead vocals - #B-1)
Warren Haynes (lead-, rhythm- & slide guitars, acoustic guitar, background vocals, lead vocals - #C-1)
Allen Woody (bass, fretless bass, 6-string bass, acoustic bass, background vocals)
Jaimoe (drums & percussion, background vocals)
Butch Trucks (drums, tympani, background vocals)
Marc Quinones (congas, percussion, drums - #C-1)

With:
Paul T. Riddle (drums - #A-2, D-1)
Tracklist
Seite 1:
01:Sailin' Cross The Devil's Sea
02:You Don't Love Me
03:Soulshine
Seite 2:
01:Back Where It All Begins
02:In Memory Of Elizabeth Reed
Seite 3:
01:The Same Thing
02:No One To Run With
Seite 4:
01:Jessica
Externe Links: