Seit einiger Zeit hatte ich einen Plan, denn es hieß, dass das letzte Konzert von AC/DC ihrer Black Ice-Tour in Berlin stattfinden sollte. Logisch, dass ich als 'Icke' und Fan der australischen Band, diesem Gig unbedingt beiwohnen wollte! So hätte sich für mich der Kreis optimal schließen können, denn ich war ja schon am 26. Oktober 2008 bei der Ur-Aufführung mit dabei. Mittlerweile wird allerdings gemunkelt, dass in Spanien noch zwei Termine nachgelegt werden.
8.00 Uhr, der Wecker schellt. Zeit zum Aufstehen um unseren Gästen ein leckeres Frühstück zu servieren, denn unsere 'Antreiberin' Linda hatte schon am Vorabend durchsickern lassen, dass wir unbedingt um 14.00 Uhr vor den Toren des Olympiastadions sein sollten, um uns gute Plätze zu sichern. An sich kein Problem, wenn wir nicht erst vor ein paar Stunden (3.00 Uhr morgens) vom AC/DC-Fantreffen nach Hause gekommen wären! Und zwischen dem Verzehr köstlicher Wurst- und Nutella-Brötchen, schafft es die verrückte 'Gleichstrom-Wechselstrom'-Braut uns zu überreden, dass, wenn wir uns bereits um 12.00 Uhr am Stadion einfinden würden, wir in jedem Fall einen Frontplatz sicher hätten. Zu protestieren erscheint mir sinnlos, doch kann ich wenigstens noch einen zweiten Pott Kaffee rausschinden, den ich sehr langsam schlürfe.
12.00 Uhr, die verschlossenen Türen des Stadions stehen direkt vor unseren Nasen.
Was soll's, wir sind nicht die einzigen Verrückten, die sich die Strapazen aufladen, um ganz nah dabei zu sein. Nach den folgenden vier Stunden, in denen wir auf dem Asphalt, liegend, sitzend, stehend oder einfach nur vor uns hindösend die Sonnenstrahlen genießen, kommt endlich Bewegung in die nun doch stark versammelte Fangemeinde. Allerdings ist die Organisation alles andere als optimal und man lässt uns noch mal glatte 20 Minuten in der prallen Sonne stehen!
16.00 Uhr, Startschuss zu einem Massensprint um die begehrten Frontplätze. Da macht sich mein jahrelanges Lauftraining bemerkbar und ich lasse mich von nichts und Niemanden aufhalten, um im Schlussspurt einen der ersten Plätze zu ersprinten. Dass letztlich unsere komplette Truppe den Sprung aufs 'Treppchen' schafft, vor allem unsere etwas älteren Rock-Miezen Conny und Margrit knapp hinter mir stehen, verdient meinen Respekt! Das unser 'Kücken' Linda immer noch taufrisch wirkt, ich dagegen so langsam jeden Muskel und Knochen meines Körpers spüre, stimmt mich nachdenklich! Ach ja, die Leipzigerin ist ja auch ein Viertel-Jahrhundert jünger, als mein geschundener Körper!
18.00 Uhr, erste Vorband Boon, die mit ihrem Einheitsbrei bei uns kaum punkten kann und deren Konzertende eher wohlwollend registriert wird. Während sich die Dänen Volbeat für ihren Auftritt vorbereiten lechzte ich jedem vollen Bierhumpen hinterher und schaue neidvoll zu, wenn der Endkonsument sich das köstliche Nass die Kehle runterschüttet. Ich verzichte freiwillig auf den begehrten Gerstensaft, aus Sorge irgendwann aufs Klo zu müssen. Ich WILL meinen Platz einfach nicht mehr hergeben…
Volbeat versteht es, die verbleibende Wartezeit als sehr schnelllebig zu empfinden und hinterlässt einen guten Eindruck!
20.30 Uhr, das Stadion ist proppevoll und die Stimmung hervorragend, sogar so gut, dass die Fans zu einer La-Ola-Welle anschlagen, die unaufhörlich ihre Runden dreht. Bis, ja bis aus heiterem Himmel der "Rock'n'Roll Train" per Video-Clip ins Stadion brettert und dieses von einer Sekunde zur anderen in ein Tollhaus verwandelt! Mein kritisches Augenmerk ist zunächst auf die 63-jährige 'Schiebermütze' Brian Johnson gerichtet, der bis zum Ende des Gigs keinerlei konditionelle Schwächen verrät, auch wenn seine Stimmbänder nicht immer mitspielen. Angus, der sich diesmal in weinroter Schuluniform präsentiert, läuft ebenfalls von Anfang an auf voller Betriebstemperatur, sprintet in gewohnter Manier von einer Seite zur anderen, demonstriert seinen 'Duck Walk', kriecht zum Teil auf Knien und schreddert die schrillsten Töne aus dem Gitarren-Korpus seiner Gibson SG. Während Bandkopf Malcolm und Bassist Cliff Williams ihre Außenpositionen nur zum Refrain-Gesang verlassen, beackert Phil Rudd unermüdlich sein Kraftwerk!
Was bei den meisten, vor allem den neuen Anhängern, fast untergeht, ist, dass Malcolm mit tollen, rhythmischen Klangteppichen auf seiner Gretsch Angus den Weg ebnet, damit dieser bestbegleitet seine Solo-Attacken in die Arena feuern kann! Für mich zählt Malcolm sowieso zu einem der besten Rhythmusklampfer der Welt. Vom Black Ice-Album vernehme ich noch "War Machine", und den Titeltrack "Black Ice". Meine persönlichen Highlights sind wie meist bei meinen erlebten AC/DC-Konzerten solche Klassiker wie "Whole Lotta Rosie", "The Jack", "T N T" oder "Let There Be Rock", die allesamt aus der Bon Scott-Ära stammen. Etwas eigenartig empfinde ich den Strip, den die Band bei "The Jack" einbaut und Angus diesen ungewöhnlich schnell über die Bühne bringt. Witzig aber, wie die Damen krampfhaft versuchen starke Männer zu finden, die sich erbarmen, die Ladys auf ihren Schultern in die Lüfte zu hieven, wohl um die große Chance wissend, von diversen Kameras eingefangen und zeitgleich auf den riesigen Videoleinwänden abgelichtet zu werden! Dabei beweisen einige Damen ihren Mut, raffen ihre Shirts hoch und lassen ihren blanken Busen aufblitzen. Dass Angus immer noch genügend Feuer im Inneren seines schmächtigen Körpers hat, beweist er bei "Let There Be Rock". So haut er den Fans ein fast nicht enden wollendes Solo um die Sinnesorgane, das seinesgleichen sucht! Dabei sich nicht nur dem langen Mittelsteg bedienend, nein, auch die komplette Bühne wird genutzt, um seine Sprintattacken, Zitteranfälle, liegende Bodenkreisel und das Ab- und Besteigen von steilen Treppen gerecht zu werden. In diesem Moment habe ich das Gefühl, dass er seinen letzten Deutschland-Auftritt (zumindest der "Black Ice"-Tour) in vollen Zügen genießt um seinem Anhang die Botschaft zu vermitteln: Mit mir ist noch zu rechnen!
Was gab es sonst noch an Neuigkeiten zu berichten? Nicht viel, was aber nicht negativ zu verstehen ist! Die Setliste war fast identisch mit der vor gut 21 Monaten beginnenden Tour. Ob Video-Clips oder Showelemente, wie das Ranhangeln von Brian an die übermächtige Glocke bei "Hells Bells", das Geballer aus den Kanonen bei "For Those About To Rock", alles schon mal gesehen. Und doch! Es ist schon seit 36 Jahren so. Die Fans lieben die Songs, das irre dynamische Auftreten und ungekünstelte Gitarrenspektakel von Angus, die geballte Ladung Rockpower, die die Band auf jeder Platte und bei jedem Live-Auftritt zelebriert, dass hat mich all die Jahre
immer wieder begeistert. Was mich aber am meisten überzeugte, ist die Tatsache, dass sie ihren unbeirrbaren Weg, kompromisslos gegen alle Widerstände und Kritiker zu gehen, um ihrem Anhang das korrekte Gefühl zu vermitteln: Wir sind für Euch da! Wie ist es sonst zu erklären, dass nach gut dreieinhalb Jahrzehnten die Fans immer noch in Scharen die Stadien füllen und immer wieder die gleichen Songs gefordert werden? Da ist es fast nebensächlich zu erwähnen, dass der Ton diesmal nicht perfekt ausgesteuert ist. Wobei es wohl mehr an meinem Standort liegen kann. Für meinen Frontplatz muss ich eben auf die optimale Klangqualität verzichten. Dafür kann ich die Grimassen und sonstige Einzelheiten sehr gut erkennen. So z.B., als anfänglich Brian ständig sein Mikro wechselt, vermutlich weil er sich selbst nicht hören kann, zumindest spricht dafür, dass er oftmals ein Ohr zuhält.
Nach gut zwei Stunden, als die Messe gelesen ist, registrierte ich nicht nur glückliche Gesichter. Vielen Fans wird bewusst, das könnte der letzte Auftritt der Band gewesen sein, bei dem man live dabei war. Auch mich überkommt dieses Gefühl, ein letztes Mal AC/DC live on stage erlebt zu haben. Verstärkt auch dadurch, dass ich glaube zu fühlen, dass die Band nun froh ist, dass sich fast 2 Jahre Tourleben dem Ende zuneigen. Es wird sicherlich eine längere Pause folgen und ob Brian, wieder um Einiges gealtert, noch mal bewegt werden kann, die großen Bühnen der Welt zu betreten, ich habe da so meine Zweifel.
Dass ich auf dem Heimweg, mit den New York-Gewinnern Margit, Sabine und Harry auch noch den anderen aus der damaligen Truppe Schorch aus Nürnberg wiedertraf, setzt dem ganzen noch das Sahnehäubchen auf! Somit hatten wir genügend Argumente, noch einige 'Pilsetten' zu vernichten. Dabei reifte der Gedanke, uns im Oktober beim nächsten AC/DC-Fantreffen in der Nähe Nürnbergs wieder zu treffen!
Line-up:
Angus Young (lead guitar)
Malcolm Young (rhythm guitar & background vocals)
Brian Johnson (vocals)
Cliff Williams (bass & background vocals)
Phill Rudd (drums)
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