Am Anfang stand die Idee. Die hatte der Italiener Umberto Pagnini. Active Heed - Konzept, Musik und Texte - ist komplett seinen Gedanken entsprungen. Und dann kam es zur Umsetzung, an der er - außer vielleicht als Regisseur - nicht mehr beteiligt war. Umberto Pagnini glaubt fest an die Kraft der Kooperation; dass Menschen mit dem gleich musikalischen Spürsinn gemeinsam etwas Besseres produzieren können als einer allein:
»Ich habe nicht darauf gespielt und nicht gesungen, weil ich die richtigen Musiker gefunden habe, die meine Songs besser interpretieren, als ich das selbst hätte tun können.«.
Es sind dies Multi-Intrumentalist Lorenzo Poli, Drummer Giovanni Giorgi, Toningenieur Alberto Callegari und der norwegische Session-Sänger PelleK. Dazu kommen Gastbeiträge der Norwegerin Marit Børresen und von Credo-Frontmann Mark Colton.
"Visions From Realities" ist (natürlich) ein Konzeptalbum. Und schon auf dem Cover geht es ähnlich surreal und traumweltlerisch zu wie in den Texten. Es ist die Geschichte von Forest, wie er auf einer irrwitzigen Reise zwischen Dies- und Jenseits hin- und herspringt und dabei allerhand emotionaler Situationen von größter Glückseligkeit bis zur völligen Verzweiflung durchlebt. Da passt es ganz gut, dass dieses Album nicht aus 'echten' Songs, sondern vielmehr aus einzelnen Episoden besteht, aus songartigen Sequenzen, die die Psycho-Exkursion in viele kleine Kapitel untergliedern.
Nicht nur auf Grund dieser Struktur, auch wegen der bloßen akustischen Eindrücke taugen bei Active Heed Vergleiche zu Ayreons The Human Equation - die verproggte Orgel bei "Now What?", die nahtlosen Übergänge im allgemeinen - und zu Genesis'' The Lamb Lies Down On Broadway. Bei den dramatischen Episoden von "Every Ten Seconds Before" blitzt so ein bisschen dieser halluzinative Trip von "The Cage" durch. Ja, wenn das Hirn des Hörers an einer gewissen Stelle falsch abbiegt, dann geht es mit »Stalacmites, stalagtites ...« weiter. Eine von vielen ganz subjektiven Partikuliärimpressionen!
Zu jenen gehören auch Gedanken an Spock's Beard. Wie man hin- und herpendelt zwischen furios-verproggten, Jazz-getunkten Rockspielereien auf der einen und emotional intensiven und melodisch schön weit ausholenden Singer/Songwriter-Perlen ("FFF Flashing Fast Forward") auf der anderen Seite. Sänger PelleK (hat manchmal was von Göran Edman) zelebriert das ihm Aufgeschriebene sehr hingebungsvoll und beackert die Vokalklaviatur stets mit erfrischend großem Ambitus. In gedrückter Stimmung wie bei "The Weakness Of Our Spinning" überzeugt er ebenso wie in der süßlich-ätherischen Umgebung von "Melting Of Realities" (hat was von Saga) oder der aufgewühlten Stimmung von "Me, One Second Before Johan Robeck".
Besonders gegen Ende wird das Album "Visions From Realities" zunehmend zu dem, was es laut Komponist Umberto Pagnini durchaus sein darf, nämlich einer Art Rockoper. "Usual Plays In Heaven - Be Kind And Talk To Me" hat schon ein paar Musical-Merkmale, bleibt aber so ernergiegeladen und unkitschig, dass man kaum den Balladenstempel draufzudrücken wagt. Und "Our Vast Emptiness" stellt ganz zum Schluss ein beeindruckendes Rockopern-Finale dar. Es bietet zunächst einmal eine griffige Melodic Rock-Hookline an, die sich ohne Vorwarnung in die Hörwindungen gräbt.
Aber "Our Vast Emptiness" ist nicht das vielleicht erwartete Finale, das in feierlichem Pathos zerfließt. Im Gegenteil! Die Spannung nimmt nochmal zu - es wird dichter, es wird lauter, es wird schneller und nervöser, die Hammondklänge mischen immer mehr kleine und große Dissonanzen bei ... bis 20 Sekunden vor dem Ende. Dann kommt eine klitzekleine Reprise des Openers "Flying Like A Fly" mit seiner träumerisch-mirakulösen Yes-Stimmung. Ein würdiger Abschluss für ein spannendes Album, auf dem das Allermeiste ganz plötzlich kommt. Und ja, man wird gern überrumpelt, immer wieder.
Wer sich nun auf den Trip durch die musikalische Welt Umberto Pagninis bzw. seiner Figur Forest machen möchte, der sollte unbedingt vorher reinhören - auf der Homepage prima möglich - denn 'speziell' ist Active Heed allemal. Es sei dabei die Prognose gewagt, dass spätestens beim verrückt-folkigen "Me, Five Seconds Before" die Gäule mit einem durchgehen. Das Teil klingt wie das Highlight einer Hillbilly-Party irgendwo in Kansas und will partout nicht mehr aus dem Kopf raus. Ein Wahnsinn, was Sänger PelleK da an Text verschießt ...
Dies hier ist eine fette Anschaffungsempfehlung für all die Qualitäts-Lieberhaber, die Geheimtipps entdecken wollen. Und dann bleibt es jedem selbst vorbehalten, den sehr eigenartigen Reisereport auf "Visions From Realities" auf seine Weise zu interpretieren. Ein Traum, ein Trip, ein Fantasy-Märchen ... wer diese Rockoper irgendwann mal auf die Bühne bringen will, der braucht vor allem eines: einen kreativen Bühnengestalter!
»Coming from the other side
In this place among the trip
We all move in circles
We all move in circles«
("Every Ten Seconds Before")
Line-up:
Lorenzo Poli (bass, guitars, keyboards, special effects)
PelleK (vocals)
Giovanni Giorgi (drums)
Marit Børresen (additional vocals - #14)
Mark Colton (backing vocals - #1,13)
Tracklist |
01:Flying Like A Fly (2:53)
02:Awake?! (1:53)
03:Now What? (1:34)
04:Me, Five Seconds Before (2:42)
05:With Joy (2:27)
06:Melting Of Realities (3:22)
07:Forest And Joy (3:32)
08:The Weakness Of Our Spinning (2:43)
09:Without Joy (1:44)
10:Every Ten Seconds Before (5:49)
11:FFF Flashing Fast Forward (3:29)
12:If I Will Never Be (4:33)
13:Me, One Second Before Johan Robeck (4:07)
14:Usual Plays In Heaven - Be Kind And Talk To Me (4:48)
15:Our Vast Emptiness (4:40)
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Externe Links:
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