Sechs Jahre und einen Monat ist es her, dass Amon Amarth im Schlachthof Wiesbaden spielten , damals noch vor Dimmu Borgir, damals noch im alten Schlachthof. Zwischenzeitlich haben wir sie als Headliner in Neu-Isenburg gesehen und nun wieder im Schlachthof. Wobei das mit der Rückkehr dorthin eigentlich nicht ganz stimmt, denn dort wurde mittlerweile gebaut und nicht nur die schwedischen Wikinger waren das erste Mal in dem Neubau, sondern auch wir.
Daher vorweg erst einmal ein paar Worte zur Location. Die neue Halle, die quasi 'um die Ecke' von der alten liegt, ist etwas breiter und dadurch größer. Dies gilt auch für die Bühne, da ist richtig viel Platz drauf, was sich in diesem Fall lohnte, denn es gab die tollen Backdrops und auch etwas Deko - und zwar bei allen drei Bands, nicht nur beim Headliner. Licht und Sound waren ordentlich, auch wenn es mal kleine Schwankungen gab, als ob eine Seite der Boxen mal kurz (wirklich kurz) weg gewesen wäre. Freundliches Personal, genügend Getränkestände, genügend Toiletten und sogar eine Garderobe (die wir jedoch nicht in Anspruch genommen haben) und genügend Platz, denn trotz 'ausverkauft' war es nicht zu überfüllt. Also nichts zu meckern.
Kritische Stimmen gab es im Vorfeld zur Bandzusammenstellung, was natürlich mit der Halle nichts zu tun hat, sondern für die komplette Tour gilt. Nun, Geschmäcker gehen auseinander und ob man die Kombination als reizvoll, weil unterschiedlich oder unpassend sieht, ist Ansichtssache. Wobei es nicht immer leicht ist, genau aufeinander abzustimmen.
Gerade beim Opener Hell, der überpünktlich kurz vor acht loslegte, ist das schon schwierig, wozu würden sie passen? Hier schon mal besser als zu Accept letztes Jahr. Ist natürlich eine undankbare Sache, unter solchen Umständen aufzutreten und neben Begeisterung auch Buh-Rufe zu ernten. Doch das dürften die Briten, über die die Meinungen teilweise ziemlich auseinander gehen, gewöhnt sein. Ich fand sie schon auf dem Rock Hard Festival klasse und hier auch wieder. Leider hatten sie nur eine halbe Stunde und konnten daher nicht alles an Gimmicks auffahren, die Geißel kam dennoch zum Einsatz, die Dornenkrone muss David Bower ja sowieso tragen, da dort das Mikrophon integriert ist. Der Frontmann faszinierte mich live auch dieses Mal wieder, auch wenn der Gesang auf Dauer doch recht anstrengend wirkt. Es wurden vorrangig die eher gradlinigen (nun ja, für viele ist das noch konfus genug) Songs gespielt und weniger welche mit Sprechsequenzen oder atmosphärischen Elementen. Schade, dennoch verständlich bei nur einer halben Stunde Spielzeit. Hoffentlich kann ich Hell irgendwann mit einer Headlinershow und vollem Programm sehen.
Anmerkung von Jens: Normalerweise mag ich hysterische Stimmen, aber an diesem Abend ging mir das Geschrei nach einer Weile auf den Sack. Dennoch, wie von Andrea geschrieben, war es alles in allem eine gute, wenn auch nicht wirklich berauschende Show. Auf dem RHF fand ich die Briten besser.
Kurze Umbaupause, dann nochmal England. Doch statt traditionellem Metal/NWoBHM wie Hell bieten Carcass eine Mischung aus Grindcore und Death Metal. Ja richtig, Carcass gibt es seit 2007 wieder, nachdem sie mal zehn Jahre Pause gemacht hatten und haben sogar eine neue CD, die in passenden zur textlichen Tradition der Band "Surgical Steel" heißt. Auch musikalisch ist noch alles beim Alten: Grunzkeifen und Geprügel/Gerumpel. Also gab es mehr Tempo und für viele der Konzertbesucher interessanteren Krach - der Raum füllte sich. Dieser 'Special Guest' hat einige Leute gezogen..
Wobei ich zugeben muss, dass ich noch nie so ganz den Zugang zu den Hobby-Pathologen hatte - ich finde sie nicht schlecht und kann sie mir anhören - aber halt auch nicht wirklich umwerfend. Sie machten ihre Sache gut, es ist durchaus Abwechslung und Struktur in den Song. Das Backdrop-Motiv mit den Chirurgen-Werkzeugen passte ganz gut zu der ursprünglichen Bedeutung des Namens Schlachthof. Gelegentliche Videoeinspielungen auf kleinen Leinwänden rundeten den optischen Eindruck ab. Nach einer Dreiviertelstunde war alles vorbei, Zugaben gab es wohl aufgrund des straffen Zeitplans nicht. Die Umbaupause zum Headliner war doppelt so lang wie die vorherige, was mit etwa 25 Minuten immer noch recht flott war.
Anmerkung von Jens: Für mich waren Carcass eigentlich der Hauptgrund in den Schlachter zu fahren. Und auch wenn ich nicht unbedingt jeden Tag die Scheiben der Jungs auflegen würde, an diesen Abend haben sie gekillt!!! Schön zu sehen, dass es die Band auch heutzutage schafft so brutal und dennoch so präzise zu shreddern. Für mich das Abend-Highlight!!! Danach hätte ich eigentlich abrauschen können. Aber wenn man schon mal da ist, werden auch die Hobby-Wikinger noch mitgenommen…. denn geile Mucke macht der Haufen ja schon.
So standen Amon Amarth bereits kurz vor zehn auf der Bühne und legten mit "Father Of The Wolf" vom aktuellen Album "Deceiver Of The Gods" los. Beim darauf folgenden Titelsong derselben Scheibe zeigte sich wieder einmal, dass es möglich ist, Gitarrenharmonien mitzusingen…und das nicht nur bei Maiden. So erfolgreich sind die Schweden natürlich nicht, aber für eine (Melodic) Death Metal-Band doch schon recht ordentlich. Der in diesem Zusammenhang geäußerte Kommerzvorwurf ist meiner Meinung nach Unsinn, denn die 'Vorzeigewikinger' haben von Anfang an ihren Stil verfolgt und auch das optische/inhaltliche Konzept dazu, das sonst eigentlich eher im Pagan-/Black Metal-Bereich vorkommt. Dass die Musik mit der Zeit melodiöser wurde, sehe ich als natürliche Entwicklung, aber es gab keinen krassen Stilwandel, um Erfolg zu haben und auch kein Aufspringen auf einen Trend. 'Mädchen-Metal'? Ja, der Frauenanteil ist höher als bei anderen Bands. Hm, ob es daran liegt, dass wenn Johan Hegg seine tiefe Stimme einsetzt, das Ganze etwas 'Knuddelbäriges' hat? Finde ich zumindest - und ich mag es. Gerade das schleppende "Guardians Of Asgaard" finde ich zum Dahinschmelzen…
Neben Grunzballaden gab es natürlich auch genug kriegerische Wikingersongs, eine gute Mischung aus Neu (klar, von der aktuellen Scheibe, außerdem von den beiden Vorgängern) und Alt (erstaunlich viele sogar). Der Frontmann kommunizierte viel (wenn auch nicht ganz so viel wie in Neu-Isenburg) mit dem Publikum, einiges davon auf Deutsch. Was die anderen beiden Sänger an diesem Abend übrigens ebenfalls taten. Man hatte stets das Gefühl, die Bands freuten sich, spielen zu dürfen, das kommt sympathisch rüber. Gerade Amon Amarth muss man zugestehen, eine klasse Live-Band zu sein mit vielen beliebten Stücken, die uns unterhaltsam in die Welt der nordischen Götter und Krieger entführen. Da stört es nicht, wenn eigentlich immer wieder die gleichen Riffs verwendet werden, so lange diese für Stimmung sorgen - und genau das taten sie auch in Wiesbaden wieder.
Dazu kommt eine ansprechende optische Komponente, die Musiker sehen so aus, wie man sich Wikinger vorstellen mag. Es gibt tolle Motive, sowohl als Merch-Artikel, als auch auf dem Backdrops - ja tatsächlich, es gab insgesamt drei verschiedene zu bestaunen (okay, das ist nicht so viel wie bei Maiden - aber immerhin…). Richtig schön fand ich auch die Runensteine, bei denen die Symbole ab "Runes To My Memory" rot leuchteten, später dann blau.
Nach knapp 90 Minuten war erst einmal Schluss nach "War Of The Gods". Nee, dachte ich, die können noch nicht heimgehen, "Twilight Of The Thunder God" war doch nicht gar nicht. Und als ob mein Gedanke erhört worden wäre, zuckten Blitze durch das Dunkel und Theaterdonner grollte - das gewünschte Stück bildete die erste Zugabe. Bei der zweiten, "The Pursuit Of Vikings", wurde das Publikum wieder einmal aufgefordert, mitzusingen:
»Oden! Guide our ships
Our axes, spears and swords
Guide us through storms that whip
And in brutal war«
Danach war ein guter und gelungener, wenn auch nicht überragender oder überraschender Konzertabend endgültig vorbei. Wir haben diesen sicher nicht bereut, auch wenn man unterschiedlicher Meinung über die Bandzusammenstellung sein kann, wobei ich finde, dass jede der drei auf ihre eigene Weise ihre Bedeutung und Wert hat.
Anmerkung von Jens: Alles in allem hat es sich gelohnt nach Wiesbaden zu pilgern. Auch wenn ich den musizierenden Schicksalsberg nun schon einige Male gesehen habe, bei Hegg und Co. wird man nicht enttäuscht, geile Show, tolle Songs und ja, Melodien, die einem noch nach Tagen durch die Lauschlappen schwirren. Was will man mehr???
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