 Auf diesen Konzertabend war ich besonders gespannt. Zwar hatte ich den schottischen Sänger und Gitarristen Miller Anderson schon mehrmals live gesehen, allerdings immer in anderen Band-Besetzungen. Und jedes Mal hinterließ er bei mir einen nachhaltigen Eindruck, obwohl er sich, ganz wie es seine Art ist, sowohl bei der Spencer Davis Group, bei der inzwischen seit fünfzehn Jahren aktiv ist, als auch beim British Blues Quintet, komplett in das jeweilige Bandgefüge einpasste und nicht sonderlich im Mittelpunkt stand. Genau so scheint es der sympathische Musiker zu lieben, denn das Unauffällige war schon immer seine Stärke, obwohl er in den meisten Bands fast immer ein bestimmender Faktor gewesen ist.
 In diesem Fall lag die Sache aber ganz anders. Miller Anderson bildete das Zentrum der Gruppe. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, obwohl auch seine Mitstreiter nicht von Pappe sind. Als zweiter optischer Anziehungspunkt fungiert seit Jahren der ehemalige Bassmann der Edgar Broughton Band Kris Gray, der neben seinem exzellenten Spiel auf den dicken Saiten auch immer wieder mit schrägen Tanzeinlagen und ständigen Animationen für richtig gute Stimmung sorgte. Allein sein Bühnen-Outfit, ganz in schwarz mit knallroten Schuhen, farblich passend zu seinem Bass, war ein echter Hingucker. Dieser Mann weiß genau, wie man das Publikum in seinen Bann zieht.
 Auch Frank Tischer an den Keyboards und Klaus Schenk am Schlagzeug beherrschen ihre Instrumente perfekt. Beide sind ebenfalls schon längere Zeit in der Miller Anderson Band tätig und auch auf der aktuellen Live Doppel-CD From Lizard Rock zu hören, die im Jahr 2008 bei diversen Gigs in Deutschland mitgeschnitten wurde, und nun auf dieser Tour promotet werden soll. Dieser Silberling war auch der eigentliche Hauptgrund für meinen Konzertbesuch. Vom ersten Ton an war ich beim Reviewen dieses Albums fasziniert von jedem einzelnen Song. Vor allem die Vielseitigkeit der Musik hinterließ einen unheimlich starken Eindruck. Vom ersten Hördurchgang war mir klar, dass ich diese Band mit diesen Songs unbedingt live hören musste.
 Und meine hohen Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Der schon auf dem Tonträger hervorragende Sound wurde an diesem Abend auch auf der Bühne der Bluesgarage perfekt erreicht. Glasklar kamen die Instrumente aus der Anlage. Auch in Richtung Lautstärke war die Feinabstimmung optimal eingepegelt. Konzerte mit so hoher tontechnischer Qualität sind mir bisher noch nicht all zu oft untergekommen, sieht man mal von den Auftritten von Wishbone Ash ab, bei denen es auch in den meisten Fällen nichts auszusetzen gibt. Selbst die sensiblen, leisen Parts waren in jeder Kleinigkeit eine absolute Freude für die Ohren, wenn man mal davon absieht, dass auch bei diesem Gig wieder mal etliche Leute nur durch permanentes Dazwischenquatschen unangenehm auffielen. Aber das kennen wir inzwischen ja schon zur Genüge.
 Besonders beeindruckend empfand ich die Leichtigkeit, mit der Miller Anderson seine Songs darbot. Ohne jede übertriebene Showeinlage schüttelte er seine Kompositionen nur so aus dem Ärmel, als wäre so ein perfektes Gitarrenspiel die leichteste Sache der Welt. Ganz schnell war wieder dieses besondere Feeling zu spüren, das mich schon auf der Live-CD in seinen Bann gezogen hatte. Schwungvolle Rocksongs wechselten sich mit intensiven Bluesstücken ab, wobei Anderson selbst so alten Gassenhauern wie "Hoochie Coochie Man" und Robert Johnsons "Ramblin' On My Mind" seinen persönlichen Stempel aufdrückte. Ganz still wurde es im Saal, als er am Ende des ersten Sets im Alleingang seine Ballade "Borderline", sowie Tim Hardins "If I Were A Carpenter" vortrug. Genau bei diesen beiden Songs wurde deutlich, über welch hervorragende Stimme Miller Anderson verfügt. Es herrschte absolutes Gänsehaut-Feeling.
 Im Großen und Ganzen bot der Gig fast alle Titel der aktuellen CD auf. Lediglich die rein akustischen Nummern wurden ausgelassen. Dafür gab es Songs aus fast allen Epochen der langen Karriere des schottischen Musikers, wobei allein die Keef Hartley Band mit drei Stücken vertreten war. Und genau hier gab es mehrere ganz starke Orgeleinlagen von Frank Tischer, die er auch sichtlich genoss. Mehrmals konnte sich Miller Anderson entspannt auf das Schlagzeug-Podest setzen und seinen Keyboarder bei der Arbeit beobachten. Es ist schon echt stark, wenn man so gute Begleiter hat, die durch gekonnte Improvisationen jeden Titel dehnen können, ohne dass Langeweile aufkommt. Und eine gesunde Länge hatten alle Songs durch die Bank weg.
 Die weitere Setlist bestand neben neueren Eigenkompositionen natürlich auch noch aus dem Titelsong des Albums "The Boogie Brothers", den Miller Anderson zusammen mit Kim Simmonds und Stan Webb als Mitglied von Savoy Brown aufgenommen hatte. Des Weiteren erlebte die Bluesgarage auch den T. Rex-"Boogie" aus seiner Zeit mit Marc Bolan, denn auch hier war der vielseitige Anderson eine Zeitlang unter Vertrag. Wenn jetzt noch ein alter Mountain-Klassiker gespielt worden wäre, dann hätten wir an diesem Abend wohl die wichtigsten Stationen in der Karriere dieses großen Musikers abhaken können, wenn wir mal die Spencer Davis Group außen vor lassen, mit denen Miller Anderson zum Ende des Jahres auch wieder in Deutschland aufschlagen wird.
 Als mit "Spoonful" die Zugabe mit einem weiteren Standardwerk verklungen war, herrschte die einhellige Meinung im Saal vor, Miller Anderson ist auch mit seiner eigenen Band nach wie vor eine feste Größe in Sachen anspruchsvoller Rock- und Blues-Musik. Dieser abgekochte Profi weiß genau, was er einem verwöhnten Publikum bieten muss, um bei seinen Fans zu bestehen. Und trotzdem sammelte er durch seine bescheidene und nette Art immer noch Pluspunkte dazu. Dieser großartige Musiker ist auch nach Jahrzehnten 'on the road' immer auf dem Teppich geblieben und nicht abgehoben und steht dabei zu jeder Zeit für absolut perfekte und geile Musik. Dieser 130 Minuten lange Gig schrammte haarscharf an einer 'Hot Stuff'-Bewertung vorbei. Aber dazu wären mindestens zwei Zugaben nötig gewesen - und die gab es leider nicht…!
Miller Anderson (vocals, guitar, harp)
Kris Gray (bass, backing vocals)
Frank Tischer (keyboards, backing vocals)
Klaus Schenk (drums)
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