An diesem Freitagabend verschlug es uns exakt an den Ort, an dem wir genau zwei Wochen zuvor einem geilen Konzert von Eric Sardinas & Big Motor beiwohnen konnten, denn in der Kulturscheune in Salzgitter-Lebenstedt war das nächste Highlight in unserer Region angesagt.
Eigentlich sollte Jon Lords Blues Project auf der Bühne stehen, aber da der Namensgeber vor Kurzem an Krebs erkrankt ist und inzwischen eine Therapie begonnen hat, musste schnellstmöglich ein adäquater Ersatz gefunden werden, um die Tour fortsetzen zu können. Heraus kam dabei das Blues Project feat. Brian Auger. Sicherlich auch eine sehr interessante Konstellation, denn dieser Mann ist ebenfalls seit Jahrzehnten eine feste Größe in der Rockmusik, man denke nur an die glorreiche Zeit mit Julie Driscoll, in der solche unvergessenen Hits wie "Road To Cairo" und "This Wheel's On Fire" entstanden. Bis heute ist der 70-Jährige mit seinem Oblivion Express auf den Bühnen der Welt unterwegs.
Auch ohne den ehemaligen Deep Purple-Keyboarder verspricht es, eine guter Abend zu werden, denn Augers Mitspieler rekrutieren sich aus der Crème de la Crème der britischen Bluesrock-Szene. Da ist zunächst mal Miller Anderson (guitar, vocals, harp), der unter anderem mit der Keef Hartley Band in Woodstock spielte, und danach bei Mountain, Savoy Brown und dem British Blues Quintet spielte. Heute ist er bei der Spencer Davis Group aktiv und tourt außerdem noch mit seiner eigenen Band durch die Lande.
Maggie Bell galt als das 'europäische Gegenstück zu Janis Joplin' und war eine der genialsten Sängerinnen der sechziger und siebziger Jahre, wobei sie mit ihrer Band Stone The Crows die größten Erfolge erzielte.
Bassist Colin Hodgkinson begann seine Karriere mit Alexis Korner und spielte danach bei Back Door und Whitesnake. Außerdem musizierte er zusammen mit Frank Diez. Heute ist er ebenfalls sowohl mit dem British Blues Quintet und der Spencer Davis Group unterwegs.
Zoot Money an den Keyboards ist bekannt für seinen musikalischen Mix aus Jazz, Soul und Blues. Er arbeitete auch mit Alexis Korner, war Mitglied der Animals ist heute bei British Blues Quintets, bei dem außerdem noch Frank Diez, der Miller Anderson an der Gitarre ersetzte, und Drummer Colin Allen dabei sind.
Mit Drummerlegende Pete York, Original-Schlagzeuger bei Spencer Davis und eine Hälfte der 'kleinsten Bigband der Welt' Hardin & York schließt sich der Kreis dieser großkalibrigen Besetzung.
Die Kulturscheune war sehr gut gefüllt als um 20:00 Uhr Ralli Lewitzky (seines Zeichens Schlagzeuger von Holde Fee und Fee) die Bühne betrat. Mit einer launigen Vorstellung der einzelnen Bandmitglieder eröffnete er den Konzertabend. Zunächst spielte sich das Blues Project noch ohne ihre Sängerin mit zwei Titeln warm, wobei der "Hoochie Coochie Man" doch ziemlich 'geschliffen' daher kam. Da haben wir schon ganz andere Kaliber des Songs gehört! Doch alles kein Problem, denn dann kam sie: 'the one and only Maggie Bell'. Sogleich brandete stürmischer Applaus auf, denn, obwohl inzwischen auch äußerlich etwas älter geworden, verfügt sie immer noch über diese herausragende Stimme. Natürlich musste gleich am Anfang der Free-Klassiker "Wishing Well" aus der Anlage, der ja auch für die schottische Sängerin einen der größten Erfolge darstellt. Auf jeden Fall war schon jetzt klar, dass Maggie der Mittelpunkt des Abends werden und bleiben würde.
Wie nicht anders erwartet, spielte jeder der Künstler einen Song, mit dem man ihn eindeutig identifizieren konnte. Bei Colin Hodgkinson war es natürlich der Robert Johnson-Klassiker "Walking Blues'. Hier zeigte er sein individuelles Können an den vier dicken Saiten. Es ist jedes Mal eine Freude für das Publikum, dieses Werk live zu erleben, obwohl ein anderer Titel mal ganz sinnvoll wäre, denn schließlich ist er inzwischen Standard in der Setlist bei allen Formationen, mit denen der Bassmann aufläuft.
Ihre ganze Klasse zeigte Maggie Bell auch bei einem Tom Waits-Coversong, dessen Titel ich leider nicht verstanden habe, als sie ihre Pfeifkunst demonstrierte, bei der die selige Ilse Werner, die Älteren von Euch werden sie noch kennen, vor Neid erblasst wäre. Starker Auftritt. Chappeau,http://www.focus.de Mrs. Bell!
"Houston", betitelt nach Miller Andersons schottischem Heimatort und inzwischen fester Bestandteil im Repertoire der Miller Anderson Band, durfte natürlich auch bei diesem Konzert nicht fehlen.
Nach 60 Minuten ging man in eine halbstündige Pause, die zum Signieren der Blues Project-CD (allerdings vom Jon Lord's Blues Project) am Merchandising-Stand genutzt wurde. Gut gelaunt ging es mit etwas Jazzigen in die zweite Phase des Konzertes. Kurz darauf kam mit dem Deep Purple-Song "When A Blind Man Cries" ein weiterer Höhepunkt des Abends, bei dem Miller Anderson zeigte, über was für eine große Stimme er verfügt. Auch seine Gitarrenarbeit und das Orgel-Solo von Brian Auger waren gelungen. Der Titel blieb als besonderer Gruß an Jon Lord im Live-Programm, war aber bei diesem Gig deutlich kürzer als auf der auf CD erhältlichen Live-Aufnahme. Trotzdem natürlich einer der eindrucksvollsten Songs des Abends.
Beim Louis Jordan-Klassiker "Let The Good Times Roll" leistete Zoot Money die Hauptarbeit. Er brachte sein E-Piano förmlich zum Glühen und war auch beim Gesang herrlich anzusehen. Die Grimassen, die er den ganzen Abend über schnitt, waren schon einmalig. Spielfreude pur beim 69-Jährigen, wie auch bei der gesamten Band.
Nun folgte ein Titel, auf den wohl alle Konzertbesucher schon den ganzen Abend gewartet hatten. Brian Auger intonierte nach einem ausgedehnten Vorspiel unter starkem Beifall "This Wheel's On Fire". Doch dieser Klassiker unterschied sich sehr vom Original, bei dem Julie Driscoll erheblich psychedelischer zu Werke ging. Mit Maggies Bluesröhre bekam der Song ein ganz neues Gesicht, was mir persönlich aber ebenfalls sehr gut gefiel.
Die Soul-Nummer "Respect Yourself" von den Staples Singers beendete das wirklich gelungene Konzert des Blues Projects. Hier zeigte Maggie noch einmal, dass sie noch immer über eine gewaltige Stimme verfügt. Die Nummer brodelte und kochte nur so, sodass der komplette Saal begeistert im Takt mitging.
Applaus, Applaus. Die Band ließ sich auch nicht lange bitten und stand für eine Zugabe bereit. Wir hatten schon bemerkt, dass noch kein Spencer Davis Group-Titel unsere Ohren erreicht hatte. Dieser Zustand wurde nun geändert und zwar mit einer knapp 15-minütigen Fassung von "I'm A Man". Jetzt konnte Pete York in einem Drumsolo unter Beweis stellen, dass er mit seinen 69 Jahren noch zu den weltbesten Schlagzeugern zählt. Er quälte die Toms und Becken und vergriff sich sogar an Gottlieb Wendehals' Gummihuhn als 'Tönespender'. Sehr einfallsreich und originell gemacht, zumal auch eine Trillerpfeife zum Einsatz kam.
Mit "Gimme Some Lovin´" wurde ein Ohrwurm der Spencer Davis Group abgefeiert, und schon war der Gig, für uns viel zu schnell, beendet. Wieder mal ging die Formel 'sympathische und spielfreudige Musiker + ein gut gelauntes Publikum = hervorragendes Konzert' auf. Jeder der Musiker hatte seine Freiräume, die aber nicht durch ellenlange Soli überstrapaziert wurden. Die Tastenarbeit war souverän geteilt, sodass es nicht zu einem Keyboard-Marathon ausartete. Man merkte deutlich, dass hier absolute Profimusiker am Werk waren, die über jahrelange Bühnenerfahrung verfügen.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Antje Fischer von der Stadt Salzgitter für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Miller Anderson (guitar, vocals, harp)
Colin Hodgekinson (bass, vocals)
Pete York (drums, vocals)
Brian Auger (keyboards, vocals)
Zoot Money (keyboards, vocals)
Maggie Bell (vocals)
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