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heißt das Teil. Es ist das dritte Album. Drei Jahre nach dem vorherigen Album, Delayed Reaction.
Erstmals wird Bassist Daniel Avner als festes Bandmitglied geführt - somit bestehen Bolus jetzt offiziell aus dreien. Immer wieder die Drei. Dass sie nicht noch einen festen Triangelspieler mit im Line-up haben, ist alles. Aber dann wären es ja vier ...
Zum zehnten Gründungsjubiläum haben sich die Jungs aus Toronto gewünscht, über sich hinaus zu wachsen, ihr bis dato bestes Album zu machen. Und ja, sie haben eine neue Stufe des musikalischen Seins erklommen. Ich würde zwar nicht sagen, dass Triangulate 'besser' ist als "Delayed Reaction", auf keinen Fall. Aber eines ist es auf jeden Fall: homogener. Bolus sind gereift. Gereift heißt in diesem Fall nicht langweiliger und erwartbarer, sondern tiefgängiger. Draufgängerische, kraftstrotzende Nummern wie "Day Of Discovery" oder "Faced" auf Watch Your Step sind ebenso wenig zu finden wie Stücke mit markantem, wenn auch wunderschönem, an Yes oder Genesis angelehntem Retro-Sound wie "Outside" oder "Push To Exit" auf "Delayed Reaction". Man muss sich auch mal trennen können. Das ist freilich mutig, eröffnet aber neue Wege:
»Standing in one place / May as well be moving back
Standing in one place / Brings out everything you lack
It's time to walk«
("Calibrate")
Eben. Und? Man ist eingängiger geworden - anspruchsvoll eingängig.
Bolus legen dabei nicht etwa noch mehr Wert auf edle Melodien als zuvor - wie auch; da sind kaum Steigerungen möglich. Das bleiben glänzende Edelsteine. Aber irgendwie scheinen die Podeste, auf denen sie ausgestellt werden, noch besser designt, um sie zum Leuchten zu bringen. Wie gleich im Opener "Forward Facing" der Refrain mit seiner öffnenden Melodie heraussticht, das ist phänomenal. Immer wieder arrangieren Bolus zu diesem Zweck auch gekonnt starke Gegensätze. Nach der zarten Strophe von "Smoke In The Mirror" würde man wohl kaum mit einem so energischen und flotten Chorus geschweige denn dem wilden Instrumentalpart rechnen. Und bei der hypnotisch-dynamischen Laid-Back-Nummer "Wake Cycle" nicht mit den atmosphärisch dunklen Effekten, die sich urplötzlich am fluffig-hellen Himmel dunkel zusammenziehen, um im nächsten Moment schon wieder von einem smart groovenden Drive pulverisiert zu werden. Es sind Überraschungseffekte, die zugleich erstaunlich wenig zu Lasten der Zugänglichkeit gehen - zu intuitiv und gänzlich unverkopft sind dafür auch die herrlichen Gesangsmelodien mit dem instrumentalen Unterbau verwoben.
Zum glasklaren, detailverliebten und grundsätzlich nicht allzu heavy ausgelegten Sound der Band kommt ein neues Level der Gesangsakribie hinzu. Das zusammen lässt "Triangulate" oft an Subsignal bzw. späte Sieges Even erinnern. Insbesondere "Calibrate" mit seinem zwischen Lead Vocals und Chorgesang pendelnden Chorus ist hier zu nennen. Auch "Revise", aber das ist mir zu seicht, die elektronischen Effekte etwas too much - ein kleiner Fremdkörper. Aber auch "Severed Ties"; und das ist ein Highlight des Albums. Es jagt dem Hörer melodisch-wohlige Schauer über den Rücken, wenn die energisch wie harmonisch hochspannenden Instrumentalparts nicht gerade den Puls hochtreiben. Neben der so markanten Stimme Nick Karchs (macht das Produkt ' Bolus' exklusiv!) nehmen auch Mat Keselman und Daniel Avner zunehmend an fein ausgetüftelten Gesangsarrangements teil. Wie sich bei "Spurs" diese Mehrstimmigkeit ganz plötzlich und penibel auf den Punkt, Schritt für Schritt aufbaut, das ist ganz groß. Hat dieses Akustik-getriebene Stück 'Songwriter-Rock' (im Stil, nicht im Klang) nicht auch etwas von Styx? Eine Hommage an Tommy Shaw? Ein magischer Hauch von "Crystal Ball"? Okay, nach drei Minuten ebnet ein Flamenco-Part den Weg in ein finales Kapitel frei floatenden Freestyles...
... schließlich wollen Bolus nicht berechenbar werden. Gefahr gebannt. Wer würde schon bei "Pacific Time" mit einem Stück 'modern-proggy' Blues Rock rechnen? Bonamassa lugt durchs Fenster - ein ironisch-unbeschwerter Drive, während die Lyrics mit verschmitzten Metaphern den 'Amerikanischen Träumern' ihren Sand aus den Augen wischen:
»Come, dreamers, get on your knees! / We trust you with our house keys
As long as you touch nothing / And keep the place clean
Come children, give us your time! / Knowledge and brute force combined
With hard work, money grows on trees / But we give no guarantees«
Die schönsten Beispiele für richtig extravangante Songstrukturen bieten der mit neun Minuten Spielzeit klare Längensieger "Downtown Core" mit seiner erstaunlichen Entwicklung von organischer Akustikatmo hin zum beinahe Zep'eskem Hard Rock sowie die völlig unvorhersehbare Prog-Perle "The Study Of Madness". Zarter Start mit Akustikgitarre und Banjo, gespenstische Flüster-Backings (passend zu den Lyrics: »Hearing echoes of the past ...«), dann böse Riffs, dann ein heilsam melodischer Refrain. Dreigeteilte Songstrukturen auf "Triangulate"? Jawohl, die drei ziehen das durch. Und immer wieder, daran hat sich auf dem neuen Album nichts geändert, erinnern sie an ihre Landsleute, das Göttertrio Rush (+ x2 = Bolus). Im Handwerk steckt so viel 'Oho', knifflig-pointiert. In den Texten viel 'Aha', subtil und raffiniert. Kanadisch scheint ansteckend. Auch die Entstehungsgeschichte des Albums kommt einem bekannt vor: Die Jungs haben die Zivilisation hinter sich gelassen, sich eine Woche lang ins Landhaus der Karchs verzogen und das neue Album als Ganzes geschrieben. Mit Bolus macht ein weiterer Dreier aus dem Ahornblattland auf sich aufmerksam. Mit dem dritten Album wird die Sache zunehmend chronisch. Bolus sind triumviral.
Line-up:
Nick Karch (vocals, guitars, banjo, keyboards)
Mat Keselman (drums, percussion, vocals, keyboards)
Daniel Avner (bass guitar, vocals)
Tracklist |
01:Forward Facing (5:06)
02:Calibrate (4:16)
03:The Study Of Madness (6:44)
04:Backwards Man (1:33)
05:Smoke At The Mirror (4:08)
06:Wake Cycle (4:02)
07:Revise (4:01)
08:Spurs (4:24)
09:Severed Ties (4:34)
10:Corridor (1:25)
11:Pacific Time (3:58)
12:Downtown Core (8:59)
13:Silence And Sound (4:04)
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