The Byrds / Dr. Byrds & Mr. Hyde
Dr. Byrds & Mr. Hyde Spielzeit: 52:02
Medium: CD
Label: Columbia Records (Sony Music), 2000 (1969)
Stil: Psychedelic Rock


Review vom 26.01.2010


Markus Kerren
"Dr. Byrds & Mr. Hyde" wird bis heute als das in Fankreisen und auch im Allgemeinen ungeliebteste Album der Mannen um Roger McGuinn angesehen. Warum das so ist, darüber kann ich eigentlich auch nur Vermutungen anstellen, denn an der Musik kann es wirklich nicht liegen. Natürlich hatte die Band, die diese Scheibe aufnahm, außer McGuinn nichts mehr mit dem Quintett zu tun, das die ganze Welt mit ihren Interpretationen der Tracks "Mr. Tambourine Man" oder "Turn, Turn, Turn" verzauberte. Es fehlen die Gesangsharmonien von Gene Clark, David Crosby sowie Chris Hillman und - von vielen Fans als unverzeihlich angesehen - es fehlt die 12-saitige Rickenbacker-Gitarre McGuinns, die das Markenzeichen der Byrds darstellte.
Die Band hatte zum Zeitpunkt der Aufnahmen für dieses Album bereits eine aberwitzige Berg- und Talfahrt hinter sich. Riesengrossen Erfolgen standen als Gegenpol deftige interne Streitigkeiten sowie nach und nach der Verlust aller Originalmitglieder entgegen. Noch schlimmer für den Band Leader McGuinn war, dass er sich beim Vorgänger-Album von dem gerade erst zur Band gestoßenen Gram Parsons die Zügel aus der Hand nehmen ließ. Resultat war das heute als Jahrhundert-Album angesehene "Sweetheart Of The Rodeo". Im Jahr 1968 sah die Öffentlichkeit das allerdings noch ganz anders und die Scheibe war das bis dahin schlecht verkaufteste Byrds-Album überhaupt.
Und gerade weil McGuinn die Kontrolle behalten und sich nicht mehr reinreden lassen wollte, beschloss er, den Gesang mit Niemanden mehr teilen zu wollen. Er stellte eine komplett neue Band zusammen, die aus John York (Bass), Gene Parsons (Schlagzeug, mit Gram weder verwandt noch verschwägert) und Clarence White bestand. Speziell mit dem Gitarristen White (Ex-Muleskinner, Ex-Nashville West) hatte Roger eine absolute Trumpfkarte gezogen. Und selbst wenn "Dr. Byrds & Mr. Hyde" noch über starke Country-Anteile verfügt, wurden doch auch wieder Folk- und Psychedelic Rock-Elemente in den Sound eingebaut.
Ja, was wäre ein Byrds-Album ohne einen Bob Dylan-Song? Für diese Scheibe hatte McGuinn sich das aus der The Basement Tapes-Periode Dylans (mit The Band) stammende "This Wheel's On Fire" ausgesucht. Ziemlich nahe am (damals noch nicht veröffentlichten) Original kommt die Nummer dann auch sehr country-rockig mit schönen psychedelischen Anteilen und Clarence White, der noch öfter sehr positiv in Erscheinung tritt, zeigt hier zum ersten Mal, was er drauf hat. "Old Blue" und "Your Gentle Way Of Loving Me" tendieren dann verstärkt in Richtung Folk, bevor das ursprünglich für den Soundtrack des Films "Candy" geschriebene "Child Of The Universe" astreiner Psychedelic Rock ist. Einer meiner absoluten Favoriten dieses Albums.
Gram Parsons war dann, wenn auch nicht persönlich anwesend, als Co-Komponist zu "Drug Store Truck Driving Man" doch noch auf der Scheibe vertreten. Die Nummer ist übrigens die interessante, selbst erlebte Geschichte, wie sehr man von einem Idol, in diesem Fall ein Radio-D.J., enttäuscht sein kann, wenn man es dann leibhaftig kennen lernt. "Nashville West" ist ein kurzes, aber sehr schönes Instrumental, das White und Gene Parsons 'mitgebracht' hatten.
"King Apathy III" kommt noch mal als eine starke Country Rock-Nummer daher, während die letzten Nummern "Candy" (ebenfalls für den gleichnamigen Film komponiert), das als Single ausgekoppelte "Bad Night At The Whiskey" und das Medley dann die Qualität nicht mehr ganz halten können. Von den Bonus-Tracks sind vor allem "Stanley's Song" (ein Outtake) und die zweite Dylan-Nummer "Lay Lady Lay" (ein alternativer Take zum damals nur als Single veröffentlichten Titel) interessant. Die weitere Version des Medleys erscheint eher überflüssig und "This Wheel's On Fire" sowie "Nashville West" sind zwar eine schöne Ergänzung, kommen in der Album-Version aber besser.
"Dr. Byrds & Mr. Hyde" hört sich zugegebener Massen anders an, als alle Byrds-Alben davor. Aber die Scheibe verfügt fast ausschließlich über hochklassige Songs, viel Atmosphäre, super Musiker sowie eine spitzenmäßige Einspielung und wird deshalb meiner Meinung nach vollkommen zu Unrecht stiefmütterlich behandelt. Auch die Besetzung blieb fast bis zur Auflösung Ende 1972 (nur Bassist John York wurde gegen Skip Battin ausgetauscht) nahezu stabil. Abgesehen von dem großartigen Untitled (1970) gelang den Byrds zwar kein wirkliches Überflieger-Album mehr, aber zumindest mit dem Nachfolger zum besprochenen Album, "The Ballad Of Easy Rider" (ebenfalls 1969), konnten sie erfolgstechnisch noch einmal gut abräumen. Diese remasterte Version von "Dr. Byrds…" verfügt übrigens über einen klangtechnisch einwandfreien Sound, in den man so richtig schön eintauchen kann.
Line-up:
Roger McGuinn (lead vocals, guitars, keyboards)
Clarence White (guitars, background vocals)
John York (bass, background vocals)
Gene Parsons (drums, harmonica, banjo, background vocals)

Mit:
Lloyd Green (pedal steel guitar - #6)
Tracklist
01:This Wheel's On Fire
02:Old Blue
03:Your Gentle Way Of Loving Me
04:Child Of The Universe
05:Nashville West
06:Drug Store Truck Drivin' Man
07:King Apathy III
08:Candy
09:Bad Night At The Whiskey
10:Medley: My Back Pages/B.J. Blues/Baby What You Want Me To Do

Bonus-Tracks:
11:Stanley's Song
12:Lay Lady Lay (alternate version)
13:This Wheel's On Fire (Take 1)
14:Medley: My Back Pages/B.J. Blues/Baby What You Want Me To Do (alternate Version - Take 1)
15:Nashville West (alternate Version - recorded in Nashville)
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