Ein Blues Rock-Konzert im Sitzen? Eine seltsame Vorstellung! Und doch zog Joe Bonamassa die Massen an; denn der 34-Jährige, längst international einer der angesagtesten Genre-Spezialisten, fand seinen Weg nach Saarbrücken! Und die Stuhlreihen im E-Werk in Saarbrücken-Burbach, einer ziemlich beeindruckenden, zu Kulturzwecken umgebauten Ex-Industrieanlage, waren bestens besetzt. Auch, wenn Herr Bonamassa nach Meinung vieler inzwischen vom Club- zum 'Edel'-Blueser geworden ist - ein Sitz-Blueser ist er noch lange nicht. Sein Konzert war mitreißend und erfüllte am Ende auch aus 'halbhoher' Zuschauerperspektive alle Erwartungen! In Erinnerung bleiben somit neben dem zugegebenermaßen etwas plattgesessenen Gesäß ein sensationeller Blues-Mann und ein schweres Bier-geografisches Missverständnis...
Los ging es mit Stoff vom (noch) aktuellen Dust Bowl-Album: Der "Slow Train" rollte herein, ein tonnenschwer beladener Blues-Zug im schleppenden Dreivierteltakt. Die Band zeigte gleich, was für einen durchdringenden, harten Groove sie drauf hat. Bonamassa, ganz der Edel-Blueser im halblegeren grauen Anzug mit Hemd, aber ohne Krawatte, zauberte gleich drei Soli im ersten Stück. Und seine Stimme brannte sich schon ab den ersten Tönen ganz fest ins Bewusstsein der Zuhörer ein. Anschließend zog er mit "Last Kiss" sofort das Tempo an. Ein erdig groovender Drive der Rhythmussektion und eine Gitarre, die so laut im Vordergrund ihr Klagelied sang wie keine Gitarre auf keinem Konzert, das ich je zuvor besuchte!
Das Gary Moore-Stück "Midnight Kiss" wurde dann zur ersten ganz 'großen' Nummer im Programm. Langsam und mysteriös kam das Stück 'angeschlichen'; das violette Scheinwerferlicht verstärkte den passenden Eindruck der schwer melancholischen Nachtszenerie. Bonamassa überzeugte mit diesem warmen, weichen und auch in wehmütigen Stimmungen dennoch sooo präsenten Gesang, der sich urplötzlich in kraftvoll-expressive Spitzen steigert ... Das ist es! Ist der Blues nicht immer noch ein Klagelied? Genau das transportiert dieser Joe Bonamassa! Ein Musik gewordenenes Psychogramm des Seelenschmerzes. So wechselhaft und unberechenbar und echt, wie Emotionen nun mal sind!
Genau so war Bonamassa an diesem Abend am Überzeugendsten - mit Stücken, die zwischen Elegie und brachialer Power hin- und herwechselten. "Sloe Gin", zum Beispiel, eines seiner eingängigsten Stücke. Oder The Whos "Young Man Blues" - bestechend: Bonamassas völlig freistehende Gesangs-Spots, brachial durchtrennt von lupenreinem Hard Rock. Oder "Song Of Yesterday", wo Bonamassa im Solo zusätzlich so enorm das Tempo anzog ... Hierbei konnte er sich auf seine Mannen verlassen. Drummer Tal Bergman mit seinen kultig aussehenden Silberlocken zeigte eine lässige Körpersprache und schlug seine Trommeln sehr hart und mit viel Körpereinsatz an. Und Basser Carmine Rojas hatte bei seinen cool brummelnden Basslines immer Blickkontakt zum Chef.
Und der Kontakt des Chefs zum Publikum? Die Distanz zum Sitz-Volk drohte schon bestehen zu bleiben. Nach dem dritten Song gab es gerade mal ein erstes 'Thank You'. Okay, Bonamassa ist auch nicht als Laberbacke bekannt. Aber was dann nach der Nummer Sechs kam, das sollte hängen bleiben! Er begrüßte Saarbrücken und meinte, er sei ja sechs, sieben Jahre nicht mehr hier gewesen. Und er habe gesehen, dass die Geschäfte schon geschlossen hätten. Okay. Und er habe die »Bitburger world headquarters« in der Stadt gesehen. Aber die würden ihr Bier ja ohnehin woanders brauen und hier in der Zentrale nur das Geld einsammeln ... 'Tschuldigung, Herr Bonamassa. Aber Saarbrücken is nix Bitburg. Nicht mal ein bisschen. Die Halle schwieg ungläubig und viele Konzertgänger schauten einander fragend bis amüsiert an - manche guckten auch auf die großen Werbetafeln für Karlsberg Bier an der Wand...
... okay, 'Saarbruecken' war zumindest richtig. Er wusste, wo er war. Irgendwie. Aber er hat wohl trotzdem einiges durcheinandergeschmissen. Doch dann hatte er die schweigende Menge blitzschnell wieder auf Zack gebracht. Er kündigte nämlich den Song aus seinen insgesamt 138 Stücken aus zwölf Alben an, der »the closest thing I had in my life to a hit song« war, aber eben doch kein echter kommerzieller 'Hit' - das war The Ballad Of John Henry - und gab noch ein Versprechen für das im Mai erscheinende Album Nummer 13 ab: »... and I guarantee you folks, there'll be no hit on this either! My promise to you loyal fans.« Das kam natürlich an. Genau so wie die herrlich gefühlvoll 'erzählte' "Ballad Of John Henry" nach dieser denkwürdigen Sprech-Einlage.
An Gitarre und Mikrofon ist ein Bonamassa also definitiv stärker! So ziemlich jeder Song auf seiner Liste war ein Highlight: der vertrackte Mid-Tempo-Groover "Dust Bowl" mit fast floydig-psychedelischen Zwischentönen und ekstatischem Solo, oder der um so straightere, harte 2/2-Boogie "You Better Watch Yourself", und vor allem die Jeff Beck-Adaption "Blues Deluxe". Was für eine emotionale Achterbahnfahrt! Ganz smooth, mit zartem Orgel-Teppich von Keyboarder Rick Melick, der in solch ruhigen Momenten seine wenigen Chancen hatte, aufzufallen. Dazu dieser fast überdreht-ergriffene Klagegesang - so gut, dass es fast wie eine Parodie auf den Ur-Blues wirkte - köstlich! Und mit Szenenapplaus bedacht!
Jawohl - die Stimmung wurde mit zunehmender Dauer des Konzerts intensiver, und sogar etwas 'intimer', wenn auch die Sitzhaltung von uns Bewunderern die Entfernung zur Bühne nie wirklich vergessen ließ. Dennoch: Man lernte Joe Bonamassa in seinen Songs kennen - mit seiner mitgehenden Körpersprache und natürlich der einmaligen 'Sprache' seiner Gitarre(n) und diesem edel-expressiven Gesang ließ er tief und ehrlich in seine musikalische Seele blicken! Und er wechselte dabei noch öfter die Gitarre als die Zuschauer die Pobacke, auf der sie saßen. Mit der Zweihalsigen lieferte er sich zu Beginn des "Young Man Blues" ein echt witziges Duell mit seinem Drummer. Sie schoben einander den Ball schön hin und her - Bonamassa zitierte Stairway To Heaven, Bergman trommelte mit den Handflächen auf seinen Snares und ließ sich sympathisch abfeiern.
Mit der Halbakustischen spielte Bonamassa ein Solo ohne jegliche Unterstützung der Band. Hier sorgte er für herunterklappende Kinnladen, so schnell, wie er mit den Fingern über die Saiten wirbelte. Er touchierte Klassik und Country und spielte zeitweise Lead- und Rhythmusgitarre gleichzeitig - unglaublich! Riesenapplaus. Ganz zum Schluss, zum ZZ Top-Cover "Just Got Paid", holte Bonamassa sogar noch die 'gezackte' Metalgitarre raus, zeigte die Pommesgabel und deutete an, die Leute sollten aufstehen und nach vorn kommen. Das taten sie auch - für einen letzten Song, nachdem zwischendurch schon mal zaghafte Unsicherheit herrschte, ob man vielleicht mal aufstehen sollte ... ? Das Sitzen war gemütlich, aber dennoch gewöhnungsbedürftig. Ohne Stühle hätte das E-Werk sicher mehr gebebt! Doch den fantastischen Eindruck, den der 'Edel-Blueser' nach insgesamt gut zwei Stunden und 20 Minuten hinterließ, hat das keineswegs geschmälert.
Sein Gitarrenspiel ist bewundernswert - zu keiner einzigen Solo-Sekunde hatte er seine Zuhörer verloren. Sein Gesang ist individuell und ausdrucksstark und sorgt einfach für Gänsehaut. Und seine Performance verbindet unbändige, wilde, hart rockende Power (das war ja teils schon Heavy Metal!) mit dem Feeling dieses 'Ursprünglichen', das den Blues atmen lässt. Und da lässt Joe Bonamassa Details sprechen - so taucht beim "Lonesome Road Blues" ein Zitat auf ... stammte das nicht aus Robert Johnsons "Kind Hearted Woman Blues"?! Klasse, der Herr. Ein Erlebnis, ob in Bitburg oder in Saarbrücken ...
Danke schön an Alexandra Dörrie von Another Dimension für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Joe Bonamassa (guitars, vocals)
Carmine Rojas (bass)
Tal Bergman (drums)
Rick Melick (keyboards)
Tracklist |
Slow Train
Last Kiss
Midnight Blues
Dust Bowl
You Better Watch Yourself
Sloe Gin
The Ballad Of John Henry
Lonesome Road Blues
Song Of Yesterday
Steal Your Heart Away
Blues Deluxe
Young Man Blues
Woke Up Dreaming
Django
Mountain Time
Encore:
Bird On The Wire
Just Got Paid
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