Konzeptalben und Rockopern kann man im Sleaze- und Glam-Bereich normalerweise lange suchen. 'Solch kopflastige Werke haben in dieser Stilrichtung ja auch nichts verloren', mag jetzt der ein oder andere denken - und hat damit ja auch gar nicht mal sooo unrecht. Bei dreckigem Rock'n'Roll erwartet normalerweise niemand ein ambitioniertes Konzept. Doch nachdem Mötley Crüe im vorigen Jahr ihrem Album Saints Of Los Angeles einen übergeordneten Plan zugrunde legten und zuvor schon W.A.S.P. mit "The Crimson Idol" (1992) eine zusammenhängende Geschichte erzählten, entschloss sich auch die junge Formation Crash Street Kids, bei ihren Texten über die üblichen Klischees hinwegzublicken und sich für ihre Scheibe "Transatlantic Suicide" eine spannende Handlung auszudenken...
Doch halt! Der 'Transatlantische Selbstmord' ist mitnichten das Debüt des Vierers, sondern bereits das dritte Werk, das die Geschichte des fiktiven Rockstars The Kid erzählt! Denn schon die beiden Vorgänger "Let's Rock And Roll Tonite" (2006) und "Chemical Dogs" (2007) widmeten sich dieser Thematik. Somit waren die Crash Street Kids, was Konzeptalben angeht, zumindest eher dran als die mächtigen Mötley Crüe.
Wie dem auch sei, die Story von The Kid neigt sich auf "Transatlantic Suicide" ihrem Ende zu. Im Booklet ist ein Abschiedsbrief abgedruckt, und auch der Albumtitel an sich deutet auf den letzten Akt hin. In diesem letzten Teil der Trilogie ist The Kid gezwungen, sich zwischen seinen Glaubensgrundsätzen und dem Leben an sich zu entscheiden...
Die musikalische Untermalung für dieses dramatische Ende lässt sich als Mix aus David Bowies Ziggy Stardust, Mott The Hoople, den New York Dolls, Humble Pie, Alice Cooper, Kiss und den Ramones charakterisieren. Diese legendären Gruppen sind nämlich die Haupteinflüsse der Crash Street Kids, welche ihre Wurzeln somit komplett in den 1970ern zu haben scheinen. Dementsprechend mischen sie klassischen Glam Rock mit Power Pop sowie dezenten Punk-Anleihen und stehen mit diesem Klangkosmos heutzutage ziemlich allein da.
Ein Pluspunkt für die Kids also, denn sie machen ihre Sache unglaublich gut! Die Songstrukturen sind absolut schlüssig und griffig. Hier wird weder verkopft zur Tat geschritten, noch mit Langeweile geglänzt. Diese Jungs verzetteln sich nicht, sondern packen den Hörer von der ersten bis zur letzten Sekunde! Hier ist Abwechslungsreichtum garantiert, was sich gleich beim Opener "The Engineers" zeigt: Nach einem sanften Intro, das an Queen und The Who erinnert, starten die Kids in einen energiegeladenen Punk-Part ein, der einen mit voller Wucht aus dem Sessel reißt.
Mit der zweiten Nummer, "Do You Still Believe In Rock And Roll", hat man dann plötzlich einen richtigen Hit am Start, der sich gnadenlos in den Gehörgängen einnistet! Die Hanoi Rocks lassen grüßen, und auch The Sweet schauen mal zur Tür herein. Oh ja, ich glaube immer noch an den Rock'n'Roll, so lange noch Kracher wie dieser hier geschrieben werden, Jungs! Der Vierer rockt hier glammig-punkig vor sich hin, dass es eine wahre Freude ist!
Im weiteren Verlauf der Scheibe glänzen die Crash Street Kids mit ausgefeilten Arrangements und vielschichtigen Strukturen. "Destroyer" ist, entgegen dem Titel, eine perfekte Pop-Nummer, und "The Zero" sowie "We Kill Tomorrows" schöpfen ordentlich aus dem gut gefüllten Hookline-Topf. Höchster Mitsing-Faktor garantiert! Die Piano-Ballade "Berlin" (mit saucoolem Tempowechsel am Schluss - The Whos Tommy lässt grüßen!) muss ebenso hervorgehoben werden wie natürlich das Song-Monster "Dressed In White", das mit ganzen vier Abschnitten aufwartet und intelligenterweise am Schluss noch mal die Melodie von "Do You Still Believe In Rock And Roll" aufgreift - "Tommy", die Zweite!
"Dressed In White" ist zweifelsohne das komplexeste Stück Musik auf diesem Album. Dieser Titel ist quasi das Herzstück von "Transatlantic Suicide" - eine Achterbahn der Emotionen und ein cleverer Mix musikalischer Einflüsse! Hier wird spielerisch zwischen Laut und Leise gewechselt, die Instrumentalisierung dem Handlungsstrang somit perfekt angepasst. Mal gibt es sattes Gitarren-Riffing auf die Ohren, dann treten auf einmal akustische, sanfte Akkorde auf den Plan. Zarte Streicher sind ebenso vertreten. Klasse gemacht, Jungs!
Doch mit dem reinen Audio-Vergnügen ist es bei diesem Album noch lange nicht getan. Zusätzlich zur CD wartet nämlich noch eine DVD auf den lechzenden Fan, die sowohl eine kurzweilige Band-Dokumentation als auch drei Live-Mitschnitte enthält.
Die Dokumentation "The Making Of 'The Supersonic Star Show'" befasst sich kurz mit den musikalischen Einflüssen der Crash Street Kids, bevor die Band selbst vorgestellt wird. Jedes Bandmitglied wird im Zusammenhang mit der Bandgeschichte kurz präsentiert. Außerdem erfährt der Zuschauer u.a. etwas über die Gründung der Band, über die Geschichte von The Kid und die Entstehung der beiden vorherigen Alben. Natürlich ist diese Dokumentation total subjektiv und mit Superlativen nur so gespickt. Ist aber nicht weiter verwunderlich, wenn sich eine Band selbst vorstellt. Darüber hinaus sollte man übrigens des Englischen mächtig sein, da keinerlei Untertitel anwählbar sind.
Außerdem enthält die DVD Live-Versionen der Songs "Glass Jaw", "Sugar Queen" und "The Deal", die alle in räudig-rohem, ungehobeltem Sound daher kommen. Das flotte "Glass Jaw" wurde im berüchtigten Whisky A Go Go mitgeschnitten, während die anderen beiden Stücke, das schleppend rockende "Sugar Queen" sowie die Ballade "The Deal" von einer Halloween-Veranstaltung stammen. Vom Klangtechnischen her sollte hier wie gesagt niemand Top-Qualität erwarten, dennoch versprühen der höchstens minimal nachbearbeitete Sound und das eher schlechte Bildmaterial ihren ganz eigenen Underground-Charme. In jedem Fall geben sie kurzweilige Einblicke in die energiegeladene Live-Show der Kids, was eine gute Sache ist, um diese Band kennen zu lernen.
Alles in allem ist "Transatlantic Suicide" also ein lohnendes Album geworden, an dem alle Fans von 1970er Glam Rock und Power Pop Gefallen finden werden. Aber auch Hair Metal-Anhänger, Punk- und Classic Rocker sowie generell Freunde von Konzeptalben sollten die Crash Street Kids unbedingt mal anchecken. Diese ambitionierten Jungs haben es nämlich verdient, einer breiten Masse bekannt gemacht zu werden!
Line-up:
Ryan McKay (lead vocals, guitars, orchestral arrangements)
A.D. Adams (drums, backing vocals)
Ricky Serrano (guitars, backing vocals)
Ryan 'Deuce' Gregory (bass guitar, lead vocals - #5)
Tracklist |
CD:
Act 1:
01:The Engineers (4:31)
02:Do You Still Believe In Rock And Roll (3:34)
03:Cigarettes And Starfuckers (3:51)
04:I Disappear (3:16)
05:Destroyer (3:25)
06:The Zero (5:07)
Act 2:
07:We Kill Tomorrows (4:14)
08:Berlin (5:28)
09:Dressed In White (7:20)
I.Termination
II.Dressed In White
III.The Front Row
IV.Thirty Seconds To Window
10:Saturn's Child (1:26)
11:The Kid Is Dead? (4:59)
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DVD:
01:The Making Of "The Supersonic Star Show"
02:Live At The Whisky A Go Go
03:Cooperstown Halloween
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Externe Links:
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