Endlich! Nachdem sich die Crippled Black Phoenix auch in Deutschland mit der Veröffentlichung von insgesamt fünf Studio-CDs (eine weitere, unter dem Titel "The Ressurectionists & Night Raider" herausgebrachte Do-CD war die Wiederveröffentlichung des Albums "200 Tons of Bad Luck", ergänzt um acht Bonus-Tracks) sowie durch zahlreiche Live-Auftritte (jüngst u. a. auf der Classic Rock Nacht in Bonn) eine zunehmende Fan-Gemeinde erspielt haben, erscheint nun endlich ein Konzertmitschnitt auf CD.
Endlich auch deshalb, weil das dokumentierte Konzert, ein Auftritt im Blue Note Jazz Club in Poznan (Posen) in Polen, bereits im November 2011 stattgefunden hat. Und schließlich: Endlich auch deshalb, weil bereits im vergangenen Jahr das Konzert auf Vinyl veröffentlicht wurde. Und zwar sind von dem Label Clearview Records zwei LP-Ausgaben unter dem Titel "Live Poznan 201 A.D." herausgebracht worden, eine 3-LP-Box auf durchsichtigem Vinyl sowie eine 6-LP-Box mit lediglich einseitig bespielten, knallorangefarbigen Scheiben; beide jeweils mit tollem Artwork. Beide Ausgaben sind streng limitiert (lediglich 591 bzw. nur 50 Exemplare!) und - soweit man sie überhaupt über elektronische Küsten erwerben kann - dementsprechend sehr teuer.
Bekanntermaßen sind die Crippled Black Phoenix in erster Linie ein Bandprojekt mit zwar einer Stammbesetzung, jedoch stets wechselnden Mitmusikern. Und so war beispielsweise die Keyboarderin und Sängerin Daisy Chapman, die auf dem zum Zeitpunkt des Konzertmitschnitts bereits eingespielten, jedoch erst im Jahr 2012 veröffentlichen, nunmehr bereits vorletzten Studiowerk (Mankind) The Crafty Ape noch mitgespielt hatte, schon nicht mehr dabei und war durch Miriam Wolf ersetzt worden (dafür ist Daisy Chapman bei der aktuellen Tour wieder mit von der Partie gewesen, obwohl sie selbst sich eher als Solokünstlerin verstanden wissen will; auf der deutschen Seite von Wikipedia wird sie bereits wieder als aktuelles Mitglied der Band angegeben). Dafür war in Poznan (noch) der langjährige Sänger Joe Volk mit dabei, an dessen Stelle mittlerweile mit Daniel Änghede der bereits dritte Nachfolger steht.
Das Konzert in Poznan war ein Querschnitt durch die bisher veröffentlichten CDs sowie die Darbietung von Songs, die auf dem bereits erwähnten "(Mankind) The Crafty Ape" demnächst erst erscheinen sollten. Crippled Black Phoenix boten ein Programm, »das nahtlos dort anknüpft, wo Pink Floyd 1975 mit Wish You Were Here aufhörten« (so eine frühere Presseveröffentlichung über die Band, die ich irgendwo entdeckt habe). Aber kann man derartige Klangkompositionen auch live auf die Bühne bringen? Meine Antwort lautet: Ja und Nein! Technisch ist es durchaus möglich, komplexe Klangkompositionen auch live darzubieten, teilweise sicherlich auch durch die Einspielung von programmierten Soundkollagen. Derartige Konstruktionen geben aber den Musikern wenig Gestaltungsspielraum für Improvisationen oder ausufernde Solo-Einlagen, die einen Live-Auftritt zu etwas Besonderem machen (können). Deutlich wird dies vorliegend insbesondere daran, dass die meisten Tracks mit nahezu identischen Laufzeiten daher kommen wie die Studio-Einspielungen; die Differenzen sind meist nur durch die An- und Absagen bzw. Beifallsbekundungen durch das Publikum begründet. Einzige Ausnahme bildet insofern der Schluss-Song, der Doppeltitel "Born For Nothing/Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire", der deutlich länger dauert als die Originaleinspielung auf "The Ressurectionists & Night Raider" (trotz des Verzichts in Poznan auf den hier vorangestellten Gedichtvortrag).
Unterschiede sind daher in erster Linie bei den Vocal-Parts festzustellen, die hier teilweise etwas schwach klingen. Aber vielleicht wurde Joe Volk im Verhältnis zu den Klangkaskaden der Instrumente nur zu schwach aufgenommen. Der Stimmung im Club tat dies jedenfalls keinen Abbruch. Das Publikum schien einen Großteil der Songs bei den ersten Klängen schon zu erkennen und war oftmals sehr textsicher, was vielleicht auch damit zusammen hängt, dass die Band bereits im Frühjahr des Jahres in Poznan - wenn auch in einer anderen Location - aufgetreten war. Vielleicht hatten CBP auch damals schon den Doppelsong "The Brain/Poznan", der erst auf "(Mankind) The Crafty Ape" erscheinen sollte, zum Besten gegeben, denn die Ankündigung des Stückes mit den Worten, dass nach dem ersten Teil auch etwas sehr persönliches präsentiert werde, wurde schon sehr früh mit Beifall kommentiert.
Und überhaupt: Wenn man die Gelegenheit hat, das Album in einer angemessenen - sprich: großen - Lautstärke hören zu können, kommt die Live-Atmosphäre wunderbar rüber. Insofern ist die Abmischung des Konzerts als gelungen zu bezeichnen, da durchaus auch während der Songs das Publikum (positiv) wahrnehmbar ist; man hat sich dankenswerterweise nicht darauf beschränkt, den Master-Sound aufzunehmen, sondern hat auch Mikrofone in Richtung Publikum aufgestellt, so dass auch die Interaktion zwischen Band und Publikum gut wahrnehmbar ist. So soll m.E. eine Live-Aufnahme sein!
Ich könnte jetzt zu jedem einzelnen Lied des Konzerts Anmerkungen machen, was den Rahmen dieses Reviews deutlich sprengen würde. Ich beschränke mich auf "Rise Up And Fight", das ich quasi als Hymne der Band bezeichnen möchte. Schon die Eingangsfrage des CBP-Mastermind Justin Greaves »Ready?« lässt offen, ob er die Band oder das Publikum meint. Letzteres ist jedenfalls von Anfang an mit rhythmischem Klatschen voll dabei, und als der Leadsänger die Titelzeile abwandelt in »Rise up Poznan« kommt das natürlich beim Publikum gut an. Musikalisch steht dieses Stück ohnehin außer Frage.
Doch noch eine Bemerkung zu einem weiteren Track. Habe ich das soeben richtig gehört? Kündigt die Band "Bella Ciao" tatsächlich als 'Polk Song', also als 'Polka' an? Nach mehrmaligem Hören kann ich auch nicht ausschließen, dass ein 'Folk Song' angekündigt wird. Auch das trifft den Charakter dieser Komposition als ein Partisanen-Lied aus dem zweiten Weltkrieg nicht völlig. Bei späteren Konzerten hat die Band diesen noch treffender mit "The Partisan" von Leonard Cohen sowie weiteren Titeln desselben Genres verknüpft. In Poznan wurde er solitär und zudem in einer sehr rockigen Version dargeboten, was dem Publikum offensichtlich sehr gut gefiel.
Den absoluten Schluss des Konzerts bildet - im Anschluss an den schon erwähnten Doppel-Schlag "Born For Nothing/Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire" eine Einspielung vom Band, nämlich ein kurzes Stück von "Burning Bridges", mit dem bereits die CBP-CD "I, Vigilante" beendet wurde. Diese Nummer, die ein bisschen nach Swinging Sixties klingt, stellt ganz sicher keine CBP-Interpretation dar. Wer aber - angesichts der sonst oft wahrnehmbaren Nähe zu Pink Floyd - erwartet, dass es sich um eine Version deren gleichnamigen Liedes von dem Album "Obscured By Clouds" handelt, der irrt. Es handelt sich vielmehr um eine Aufnahme der Mike Curb Congregation aus dem Jahre 1971 (Mike Curb war später u.a. Vize-Gouverneur von Kalifornien!), die ein Jahr zuvor als Titelsong einer WK-II-Film-Klamotte diente; einen Zusammenhang zu dem Repertoire von CBP kann ich allerdings nicht erkennen.
Verzichten muss man auf der vorliegenden CD-Veröffentlichung des Konzerts überraschenderweise auf "Burnt Reynolds", einen Klassiker jeden CBP-Konzerts. Überraschend nicht nur deshalb, weil die Band diesen üblicherweise als 'Rausschmeißer' bei Konzerten verwendet, da der einfache Refrain vom Publikum gerne nach dem Ende genutzt wird, um durch Weitersingen die Band zu Zugaben zu animieren und die Pause bis dahin zu überbrücken. Überraschend vor allem auch deshalb, weil dieser Song auf den eingangs erwähnten LP-Veröffentlichungen vorhanden ist, er also auch in Poznan gespielt wurde, und trotz genügend Platz auf der vorliegenden Do-CD hier offensichtlich keinen fand.
Doch endgültig verzichten muss auch der Erwerber der CD-Ausgabe von "Live Poznan" nicht auf "Burnt Reynolds". Bei meinen Recherchen zu dem vorliegenden Review entdeckte ich, dass CBP den Konzertmitschnitt, der den LP-Veröffentlichungen zugrunde gelegen hat, auf Bandcamp zum käuflichen Download eingestellt haben (wie übrigens noch zwei weitere Konzertmitschnitte, wobei jedenfalls derjenige vom Konzert in Bern aus dem Jahr 2012 ebenfalls sehr zu empfehlen ist!). Gegen geringes Geld und technisch völlig problemlos kann man sich auf diesem Wege das vorliegende Konzert zumindest für die heimische Datenbank komplettieren.
Zum Schluss noch ein paar Formalien: Das Album erscheint in einem dreiteiligen Digipak mit einem Cover-Bild, das einen im Stil eines IRA-Kämpfers vermummten Mann darstellt mit der Abbildung eines - Überraschung! - verkrüppelten weißen Phoenix und dem CBP-Logo auf seinem Hemd. Auch die Bilder im dünn gehaltenen Booklet sind eher der martialischen Art zuzuschreiben und passen insgesamt zu der Endzeit-Stimmung, die die Band mit ihren Songs abbildet; ansonsten enthält es lediglich technische Angaben sowie die obligatorischen Danksagungen. Demgegenüber sind im Innenteil des Digipaks sowie auf den Rückseiten der CDs sepiafarbene Fotos, die aller Wahrscheinlichkeit nach vom dokumentierten Konzert stammen.
Mein Resumee: Für CBP-Fans ist "Live Poznan" ein absolutes Muss, weil die bisher einzige (s. o.) als CD erhältliche Live-Dokumentation, die zudem sowohl technisch als auch musikalisch wirklich gelungen ist. Für Neu-Einsteiger enthält sie einen Querschnitt über das bisher veröffentlichte Material – quasi ein 'Best-of' der Band – und ist daher auch ihnen zu empfehlen.
Line-up:
Justin Greaves (guitar, backup-vocals)
Joe Volk (vocals)
Ben Wilsker (drums)
Mark Furnevall (synth/keys, backup-vocals)
Karl Demata (guitar, backup-vocals)
Miriam Wolf (piano, vocals)
Christian Heilmann (bass)
Tracklist |
CD 1:
01:Intro / Troublemaker (8:29)
02:Fantastic Justice (7:51)
03:Of A Lifetime (6:07)
04:Song For The Loved (13:10)
05:The Brain / Poznan (7:55)
06:Goodnight, Europe (6:47)
07:The Heart Of Every Country (8:29)
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CD 2:
01:Release The Clowns (5:34)
02:444 (7:40)
03:We Forgotten Who We Are (11:12)
04:Rise Up And Fight (6:19)
05:Bella Ciao (4:31)
06:Born For Nothing / Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire (21:17)
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Externe Links:
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