Früher, da war es einfacher, eine Scheibe von Crises einzuordnen: die 1995 gegründeten Würzburger Prog Metaller träumten das ' Dream Theater' mit - die Alben "Broken Glass" und "Balance" waren teils episch vertrackt und technisch hochklassig verspielt. Doch der Traum vom Durchbruch auf der Erfolgswelle der Prog Metal-Überflieger wurde nie wahr. »Crises - Der Name ist Programm« - so beschreiben die Jungs ihre zwischenzeitliche Misere rückblickend selbst - und die bestand meistens daraus, dass jeder Anlauf zu neuem Karriereschwung durch den Ausstieg des Sängers ausgebremst wurde. Trotz mitunter mehrjähriger Berappelungsphasen ließen sie sich aber nie unterkriegen. "Coral Dreams" ist anno 2009 ein überraschend starkes Comeback-Album mit einem absoluten Glücksgriff am Sängerposten, Dominik Eckert.
Die größte Überraschung im Vergleich zu früher: Die heutigen Crises haben mit ihren eigenen Anfängen ungefähr so viel zu tun wie Karl Moik mit dem Headbangers Ball. Die Einflüsse der Band haben sich unheimlich geändert und erweitert, ohne dass man dabei die eigenen Wurzeln verleugnen würde. Härter, dunkler, kompakter und eingängiger ist die Musik geworden - kaum zu glauben, dass sich die gleiche Band mit den Gründungsmitgliedern Ondrej Hurbanic und Thomas Abts dahinter verbirgt. Und doch stecken auch diese übersichtlichen Songs mit dem so stark gewandelten Klangbild voller hochpräziser Gitarren-Bass-Parallelläufe, Rhythmuswechsel und Breaks.
Gut 50 Minuten Spielzeit bei zwölf Tracks - im Bereich Prog Metal fällt schon mal auf: Das ist eine kompakte Angelegenheit. Wobei wir auch wieder beim berühmten Schubladendenken wären. Was ist eigentlich 'Prog'? »Ich finde eine Band ist dann progressiv, wenn sie schwer einzuordnen ist.« meinte zumindest mal Oliver Palotai im RockTimes- Interview. Und das sind Crises - und zwar mehr als je zuvor!
Ein äußerst hartes, zum Teil Thrash-beeinflusstes Riffing prägt die Stücke. Die Gitarren sind tief gestimmt. Der furztrockene, aggressive 'Auf-die-Zwölf'-Klang trägt sogar Alternative-Züge; mittlerweile ist man da aber im Prog Metal-Bereich gar nicht mehr so kleinkariert - eigentlich passt die Ausrichtung der Band zu einem seit Jahren andauernden Trend zur düsteren Heavyness, siehe zum Beispiel auch Symphony X ( Paradise Lost) oder Fates Warning ("FWX"). Die Songs sind ganz überwiegend linear geradeaus komponiert. Doch zugleich stecken sie voller kleiner Details, die 'das Maggi in die Suppe' bringen, wie der Saarländer sagt. Die Riffs haben kleine, aber feine rhythmische Schmankerl eingebaut und sind von tausend kleinen Breaks durchsetzt, bei denen einem das Blut in den Adern gefriert. Technisch spielt man in der Eliteliga: Das Zusammenspiel ist 'as tight as can be', wobei Soli und Parallelbewegungen - sofern vorhanden - sehr prägnant ausfallen und ganz im Gegensatz zum Genre-Krösus Dream Theater überhaupt keinen 'sportlichen' Aspekt beinhalten.
Mit dieser kompakten Härte erinnert die Scheibe zuweilen an Engine, die damit ihrer Zeit einst um Jahre voraus waren, während Crises eher hinterher kommen. "The Chase" steht dagegen den Prog Power Metallern von Symphorce ziemlich nahe: ultramegasuper-heavy mit einem erbarmungslosen Groove und dazu der nahezu geshoutete, wütende und zugleich irgendwie wehmütige Gesang Dominik Eckerts, der den Künsten eines Andy B. Franck nicht nachsteht. Welch ein großartiger Song, übrigens auch mit einem überwältigend leidenschaftlichen Solo - und schon das Clean-Intro besteht zu hundert Prozent aus Gänsehaut und sonst nichts!
Ihre ausgeprägte und angenehm 'proggig'-diffizile Bulldozer-Haftigkeit verbindet die Band auf gelungene Art und Weise mit eingängigen Melodien. "Stormy Weather", "Indifference" und die Power-Ballade "Horizon" sind solche Song-Kandidaten, die mit ihrem kraftvoll-wehmütigen Ausdruck, unterstrichen durch perfekt passenden Computer-Samples unter Anhängern von Kamelot oder Serenity schnell Freunde finden sollten. Das Atmosphärische erinnert zwischenzeitlich tatsächlich noch an die 'alten' Crises! Beim formidablen Opener "Joan" werden kompromisslose Härte in der Strophe und packende, intensive Melodien im Refrain einander ganz wunderbar gegenübergestellt. Ein genialer Rhythmuswechsel lässt diesen Chorus zudem besonders unter die Haut gehen. Ein Song, der alles hat - so muss ein Opener klingen!
Und am anderen Ende? Da fällt das mehr als sieben Minuten lange und im Vergleich zum Rest der Platte doch recht episch aufgebaute "The Blame" aus dem Rahmen. Kein Wunder: Es handelt sich um einen altbekannten (und bärenstarken) Crises-Song vom 1998er-Album "Broken Glass" - neu eingespielt/-gesungen und im direkten Hör-Vergleich ist es erstaunlich, wie ein neuer Sound die Wirkung ein und desselben Stücks so verändern kann. Zu kritisieren gibt's gar nicht viel. Nur eines: Unterm Strich ist der Sound der Scheibe wiederum derart prägnant, dass ein paar der Songs einander vom Feeling her ähneln. "Coral Dreams" ist daher noch nicht perfekt - aber nicht weniger als ein fettes Ausrufezeichen!
Line-up:
Ondrej Hurbanic (guitar, keyboards)
Dominik Eckert (lead vocals)
Pavel Hurcik (bass)
Thomas Abts (drums)
Tracklist |
01:Joan (4:15)
02:Faker (3:15)
03:The Chase (4:51)
04:Stormy Weather (3:20)
05:Horizon (3:41)
06:Coral Dreams (3:45)
07:Hopeless (4:02)
08:Indifference (4:09)
09:All Against Me (4:42)
10:Fighting With Myself (4:35)
11:When You Were Mine (3:37)
12:The Blame (7:13)
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