District 97 / One More Red Night - Live In Chicago
One More Red Night - Live In Chicago Spielzeit: 42:46
Medium: CD
Label: Cherry Red Records, 2015
Stil: Prog Rock

Review vom 26.01.2015


Boris Theobald
Progressive Rock ist nicht in diesem Jahrtausend erfunden worden - District 97 sind sich ihrer Wurzeln sehr wohl und sehr gern bewusst. Diesem Bewusstsein huldigte die zauberhaft kreative Band auf dem Album Trouble With Machines, indem Frontfrau Leslie Hunt für den (formidablen) Zehnminüter "The Perfect Young Man" keinen Geringeren als John Wetton zum Duett lud. Nicht nur das: Der Gute stand auch bei einer ganzen Reihe von Konzerten zusammen mit der Band auf der Bühne und man spielte nach dem bandeigenen Set noch eine Reihe von King Crimson-Songs mit dem Ex-'King'. Zu bestaunen war das bei einer Reihe von Auftritten in Deutschland, aber auch in den USA. Das 'Heimspiel' der Band am 17. Oktober 2013 in Chicago haben District 97 für die "One More Red Night - Live In Chicago" mitgeschnitten.
Es handelt sich wohlgemerkt lediglich um den Retro-Part des Abends, also um eine reine King Crimson-Setlist. Die Stücke wurden aus der John Wetton-Ära der Band in der ersten Hälfte der 1970er ausgewählt; er hat auch alle seinerzeit selbst mitgeschrieben. Einzige Ausnahme ist "21st Century Schizoid Man", der erste Song des King Crimson-Debüts "In The Court Of The Crimson King" aus dem Jahr 1969. Der Song 'musste' wohl einfach sein ... und ist natürlich live vor Publikum ein Klassiker, der prima einschlägt. Und der bildet gleich noch eine Ausnahme. Denn man mischt sich in die Originalideen der Stücke kaum ein - District 97 tun den Songs nichts, die wollen sie nur spielen! Die Songs von damals heute.
Und deshalb 'muss' "21st Century Schizoid Man" ein wenig 'anders' klingen. Nicht modern, aber entstaubt, ohne die fiese Verzerrung des Gesangs. Und um ein bisschen (instrumentale) Spielzeit reduziert - schließlich hat man ja auch weniger Instrumente zur Hand als King Crimson Ende der 1960er, beispielsweise kein Saxofon. Ansonsten macht die Band aber nicht viel anders, als es auf den Wetton-Alben "Larks' Tongues In Aspic", "Red" und "Starless And Bible Black" vorgemacht wurde. Der Sound ist sogar erfrischend ungeschliffen und zeitlos. "One More Red Night" klingt beinahe wie ein richtig, richtig gutes Bootleg.
Knarzig, erdig und dreckig verzerrt dröhnt die kantig-proggige Hookline von "One More Red Nightmare" - und der Gesang stimmt nicht immer hundertprozentig, aber ist authentisch. Optisch trägt John Wetton Schlabbershirt und Bierbauch - akustisch ist das ne coole Sache. Bei "The Great Deceiver" zockt die Band einen fixen, lässig-verzwickten Drive, arschtight, aber nicht zu 'clean' im Klang. Nein, man zelebriert auch soundtechnisch die Urzeit des Prog Rock. Auch in gänzlich anderer Gangart, dem wehmütig-gedankenversunken und fast psychedelisch anmutenden "Starless" gelingt District 97 atmosphärische Authentizität.
Sei es nun in der ruhig gehaltenen Gedankenstudie "Book Of Saturday", der dynamischen Energienummer "The Great Deceiver" mit ihrem lässig-verzwickten Drive oder bei sich langsam aufbauenden Prog-Perlen wie "The Night Watch" oder dem teils schräg-experimentellen "Lament" - John Wetton klingt einfach gut und echt. Und man wird das Gefühl nicht los, hinter ihm würden die besten King Crimson aller Zeiten spielen. 'Schade' ist es bloß - wenngleich das nun mal Teil des Programms ist - dass Sängerin Leslie Hunt meist nur Backing-Vocals beisteuert. In den expressiven Momenten von "The Great Deceiver" oder "Easy Money" beispielsweise singen beide zusammen. Bei "The Great Deceiver" oder auch "Lament" hat Leslie Hunt auch kurze Alleingänge.
"One More Red Night - Live In Chicago" ist so etwas wie die Wiederentdeckung eines Stückchens Prog-Geschichte durch eine großartige junge Band mit einem Gastsänger, der nicht nur Gast, sondern auch ein Stück dieser (eigenen) Geschichte ist. Und speziell beim wunderbaren "Fallen Angel" - melodisch ausschweifend und dann plötzlich dramatisch - höre ich mehr als nur einen Einfluss, sondern wirklich auch ein Stück District 97 raus. Deren besagtes Stück "The Perfect Young Man" - mit Studiogast John Wetton - könnte auch irgendwann viel, viel früher, im selben Zuge, entstanden sein.
Line-up:
John Wetton (lead vocals)
Leslie Hunt (lead and backing vocals)
Rob Clearfield (keyboards, additional guitars)
Jim Tashjian (guitar)
Patrick Mulcahy (bass)
Johnathan Schang (drums)
Tracklist
01:One More Red Nightmare (4:41)
02:The Great Deceiver (3:38)
03:Lament (4:19)
04:The Night Watch (5:31)
05:Fallen Angel (5:47)
06:Book Of Saturday (3:07)
07:21st Century Schizoid Man (5:25)
08:Starless (4:47)
09:Easy Money (5:27)
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