Miles Davis
The Very Best Of The Warner Bros. Sessions
1985-1991
The Very Best Of - 1985-1991 Spielzeit: 75:06
Medium: CD
Label: Rhino (Warner), 2007
Stil: Fusion, Jazz

Review vom 05.03.2007


Norbert Neugebauer
Was macht die Jazz-Legende Miles Davis in RockTimes?
Was machte Miles Davis auf dem Isle of Wight-Festival 1970?
Und was machte Miles Davis in den legendären Fillmore Rockpalästen?

Er gehört/e dazu!
Davis (1926-1991) war nicht nur einer der bedeutendsten Musiker des Jazz überhaupt, er war auch sein wichtigster Neuerer über die Zeit. Als Initiator des Fusion hat er mit seinen Alben "In A Silent Way" (1969) und "Bitches Brew" (1970) die Musikwelt verändert. Noch mehr als der Jazzrock vereinte Fusion unterschiedliche Stile zu einer bis dato nicht gehörten Form, in der Jazz, Rock, Funk, Elektronik und Worldmusic zu einem gleichermaßen brodelnden, wie künstlerisch anspruchsvollen Sound verschmolzen. Und Davis prägte mit seinen verschiedenen Formationen über weite Strecken diese Richtung und nahm dazu immer neue Einflüsse auf, selbst Hip Hop und Metal band er am Ende ein. An seiner Seite spielten nicht nur die besten Musiker der verschiedenen Lager, auch junge Künstler konnten sich unter seiner Leitung profilieren und wurden selbst zu Stars.
Davis war seit der ersten Blütezeit stets auf Tuchfühlung mit der Rockmusik. Ein oft unberechenbarer Exzentriker, modisch Trend setzend, eindeutig progressiv und deshalb auch vom Rocklager akzeptiert - zumindest von einem bestimmten Publikum. Er elektrifizierte seine Trompete und spielte sie mit Wah Wah-Effekt im Stil seines Zeitgenossen Jimi Hendrix.
Neu war auch, dass er die beiden genannten Alben aus einer Vielzahl von Aufnahmen sampelte und damit als einer der Pioniere dieser Studiotechnik gilt. "Bitches Brew" war das erste Album auf Jazzbasis, das eine Goldene Schallplatte einspielte.
In der vorliegenden Zusammenstellung ist die letzte Periode seines Schaffens auf dem Warner-Label dokumentiert, die sehr rock- und teilweise auch poporientiert war. Fusion at it's best mit einem Trompeter (und Keyboarder), der in seiner expressiven Ausdruckskraft wohl bis heute unübertroffen ist. Sein Spiel war so energiegeladen, dass selbst die E-Gitarristen (meist 'Lead-Bassisten') nur Sidemen waren.
Er dominierte zwar die Aufnahmen, aber keineswegs mit endlosen Soli. Er bestimmte Arrangement, Tempo und Melodieführung, setzte dabei jedoch eher Akzente im Leadplay, als dass er voranmarschierte. Auf der Bühne teilte er die Rollen ein und trieb seine Mitspieler zu Höchstleistungen, oft improvisierend im Duett. Verblüffend immer wieder, wie spannungsvoll und gleichzeitig harmonisch seine jeweilige Combo agierte. Herausragend neben dem Maestro selbst, die komplex agierende Rhythmusabteilung. Sein wichtigster Partner in dieser Zeit war der Multiinstrumentalist Marcus Miller, der sieben der Titel komponierte, mit ihm einspielte und produzierte.
Die ältesten Aufnahmen (# 1, 2) sind vom 1986er Album "Tutu", das das Duo fast im Alleingang mittels Sound-Computern aufgenommen hatte. Typische Fusion-Nummern mit viel unterkühltem Groove. Das trifft auch auf die nächsten Titel zu, wobei das mittlerweile schon zum Klassiker gewordene "Mr. Pastorius" am ehesten an frühere Perioden erinnert. Sie stammen aus "Amandla" (1989), bei dessen swingendem Titeltrack eine größere Besetzung, darunter der außergewöhnliche Drummer Omar Hakim, am Werk ist. Die jüngsten Studio-Takes (# 6-8) sind posthum gesampelt auf dem Album "Doo-Bop" (1992) erschienen, die Davis mit dem Hip Hop-Produzenten Easy Mo Bee aufgenommen hatte. Darin tauchen auch Versatzstücke anderer Künstler und Vocals (im tanzbaren "The Doo-Bop Song") auf - der Einstieg in die neue Musik der 90er Jahre.
Jazziger, mit großem 'Gebläse' und Rumpelschlagzeug, dann die shuffelnde Nummer "Trumpet Cleaning" mit seinem Trompeter-Kollegen Michael Legrand, die ebenso wie der nächste, außergewöhnliche Sammel-Track "Siesta/Kitt's Kiss/Lost in Madrid II" als Filmmusik produziert wurde. Letzterer erinnert an Davis' 'Cool Jazz'-Phase, in der er die "Sketches Of Spain" eingespielt hatte.
Die restlichen Aufnahmen sind von verschiedenen Konzerten. "The Pan Piper" und "Summertime" wurden am 08.07.1991 in klassischer Jazz-Tradition mit großem Ensemble eingespielt. Sie stammen vom Montreux Jazz Festival, bei dem Davis regelmäßiger Gast war. Hier ist er bei seinem Abschied zusammen mit dem Quincy Jones Orchestra und der George Gruntz Concert Jazz Band zu hören (Tracks von "Miles & Quincy Live At Montreux").
Die letzten drei Titel finden sich bereits auf "Live Around The World", ebenfalls ein Sampler, der 1996 veröffentlicht wurde. "In A Silent Way" wird leider nur kurz angespielt, dafür bieten "Time After Time" und "Hannibal" noch einmal die Davis-Band in epischer Länge. Was die aus dem Cindy Lauper-Hit im Studio gemacht hatte, war klasse. Aber mit dieser Aufnahme, die über weite Strecken von schrägen und brüchigen Trompetentönen geprägt ist und bei der Davis erst gegen Ende brilliert, kommt der Rezensent nicht klar. Zumal sie in den Liner Notes des Bandkollegen Wallace Rooney als »goodbye to everybody « verkauft werden soll. Sie stammt jedoch von 1989 - was soll also dieser sentimentale Blödsinn? Der Perfektionist Davis hätte sicher weder die Veröffentlichung dieses fehlerhaften Mitschnitts genehmigt und schon gar nicht eine derartig billige Glorifizierung.
Die auch ausgewiesene letzte Aufnahme ist jedoch "Hannibal" und stammt von seinem letzten Auftritt am 25. 08. 1991 in Hollywood. Band und Trompeter sind in großer Form und verbreiten noch einmal ihre Magie. Kurz darauf erlitt der 'Mann mit dem Horn' einen Schlaganfall, fiel ins Koma und verstarb am 28.09.1991.
Die Zusammenstellung ist auch Rockfans mit offenen Ohren zu empfehlen; ein guter Einstieg in das Werk des großen Musikers. Bis auf die Montreux-Aufnahmen und das weitgehend verhunzte Lauper-Stück besteht sie aus hochkarätigen Fusion-Nummern, mit denen Miles Davis eine eigene, intellektuell anspruchsvolle, wie hochenergetische Kunstform geschaffen hat. Der remasterte Sound ist erstklassig, die Instrumente knallen förmlich aus den Boxen.
Ein weiterer Kritikpunkt an diesem Produkt ist noch das Booklet mit dem Begleittext sowie ausführlichen Angaben zu den Titeln. Die Schrift ist so klein und dazu noch weiß auf schwarz, dass sie nur mit großer Mühe gelesen werden kann. Wenn ein Label schon mit dem Nachlass seines Künstlers weiter Geld verdienen will, dann soll es wenigstens nicht am Papier sparen. So ist das Ergebnis schlicht unbrauchbar!
Achtung: Unter dem gleichen Titel "The Very Best Of" sind zuvor andere Compilations der früheren Labels Miles Davis' erschienen. Der Rezensent ist einmal mehr verblüfft ob der Fantasie der Plattenverkäufer.
Tracklist
01:Tutu (Remastered Album Version) (5:15)
02:Splatch (Remastered Album Version) (4:45)
03:Catembe (Remastered Album Version) (5:35)
04:Mr. Pastorius (Remastered Album Version) (5:42)
05:Amandla (Remastered Album Version) (5:23)
06:Mystery (Remastered Album Version) (3:55)
07:Chocolate Chip (Remastered Album Version) (4:38)
08:The Doo-Bop Song (Remastered Album Version) (5:00)
09:Trumpet Cleaning (Album Version) (3:56)
10:Siesta - Kitt's Kiss - Lost In Madrid Part II (7:00)
11:The Pan Piper (Live Album Version) (1:40)
12:Summertime (Live Album Version) (2:54)
13:In A Silent Way (Live Album Version) (1:49)
14:Time After Time (Live) (Remastered Version) (9:58)
15:Hannibal (Live Album Version) (7:22)
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