Mit der 'Gruftmucke' ist das bei mir so eine Sache – wie ich sie empfinde, ist sehr von meiner Stimmung abhängig. Waren es in der Vergangenheit eher mal saisonale Schwierigkeiten wie die sonnig-heitere Jahreszeit, so war es diesmal eher meine individuelle Großwetterlage, die mir den Sinn nicht so unbedingt nach Grabgesängen stehen ließ.
Da aber andererseits der Winter vor der Tür steht und sich garantiert noch irgendwo in der Düsternis meines Gewölbekellers ein geeigneter Tropfen Rotwein finden würde, um mich auf die Morbidität der Musik einzustimmen und einzulassen, sich außerdem der Andrang der Kollegen doch sehr in Grenzen hielt, landete die Scheibe schließlich doch bei mir.
Und nachdem der Rest des üppigen CD-Pakets durchgehört war, lag sie noch in der Plastikumhüllung, um dann mit dem Gedanken »na gut, halt mal reinhören«, in den Player zu wandern. Wo sie jedoch für eine sehr positive Überraschung sorgte, denn am hellgrauen Wintertag schallten mir Töne aus den Boxen entgegen, die mich freudig überrascht aufhorchen ließen.
Das "Nachtidyll – Ein idyllisches Zwischenspiel" bietet Akustikversionen, überwiegend von den bisherigen E.w.i.G.-Alben. Und so unplugged und klassisch durch Streicher verstärkt, zeigen sie sich von einer ganz anderen Seite. Sommerhits zum Cocktailschlürfen am Pool oder 'Halligalli auf Malle' sind die Songs natürlich nicht - der schwere, doomig-schleppende Grundrhythmus und der morbide Touch bleibt ihnen erhalten. Leichte oder gar seichte Kost ist durch die Akustikbearbeitung auch nicht daraus geworden, aber insgesamt ist das Album bestimmt etwas leichter verdaulich als die Vorgänger.
Dabei ist es aber an keiner Stelle anbiedernd oder massenkompatibel. Es könnte dennoch durchaus Leute ansprechen, die bisher Eden weint im Grab sicher nicht auf dem Zettel hatten – beim Opener "Gespenster-Revue im Theater Obszön" mit seinen Jahrmarktanklängen fällt mir da gerade - warum auch immer - Wolfgang Ambros (gefühlte 100 Jahre nicht mehr gehört) mit seinem "Zentralfriedhof" ein. Neben den Streichern, die hier wie das Tüpfelchen aufs 'I' passen, begeistert mich der Gesang. Größtenteils klar gesungen, zeigt die Stimme von Alexander Paul Blake alias Sascha Blach sich hier von der Seite, die bisher eine eher untergeordnete Rolle spielte. Dabei kann sie Gänsehäute ohne Ende erzeugen, mit ihrer Tiefe und dem leicht heiseren Timbre.
Einen dicken fetten Kloß im Hals beschert mir die akustische Version von "Ein Requiem in Sepia", das mir auf der Geysterstunde I nicht weiter aufgefallen ist, mich hier aber einfängt. Ein Lied, das von toten Kindern handelt, ist kein leichtes Thema. Doch dieser Song stellt für mich ein würdevolles, angemessenes und sehr berührendes Requiem dar. Vor meinem inneren Auge sehe ich dabei alte Kindergrabsteine mit Engelsfiguren auf Friedhöfen oder vergilbte Photographien und spüre genau diese ziellose Melancholie, die mich bei jenem Anblick ergreift. Gegenüber der "Geysterstunden"-Version gewinnt in meinen Ohren die Akustische sehr an Tiefe und Sensibilität. Eigentlich wäre jetzt eine Schweigeminute passend, würde aber vermutlich den Eindruck einer defekten CD erwecken.
Weiter geht es mit "Menschliche Trauer", die musikalische Bearbeitung eines Georg Trakl-Gedichtes aus dem Herbst des Einsamen-Album. Eindringlich und intensiv wird die expressionistische Lyrik von der Musik ergänzt? Gestaltet? Wie auch immer, sie ist weit mehr als bloße Untermalung.
Exklusiv auf diesem Silberling findet sich "Kali Yuga", das Zeitalter des Verfalls und Verderbens in hinduistischer und buddhistischer Lehre. In 'E.w.i.G.'er Lehre kommt hier eine Weltuntergangsvision, die im Raub von Freiheit und Fantasie gipfelt.
Auch "Nächtliche Melancholie" ist exklusiv auf "Nachtidyll" zu finden. Morbid und düster-getragen die Melodie, schwarzromantisch-lyrisch der Text, der sich aber – wie die anderen E.w.i.G.-Lyrics auch – wohltuend vom sonst so weitverbreiteten 'reim-dich-oder-ich-fress-dich'-Eintopf abhebt.
Als Bonustrack gibt es eine (nicht akustische) Coverversion von Das Ichs "Kindgott", die im bereits bekannten Eden weint im Grab-Stil umgesetzt ist. Ob sie verkünden soll, dass das 'akustische Zwischenspiel' ein solches bleiben soll? Ich persönlich fände das sehr schade, denn mir gefallen die 'unplugged Grabgesänge' ausgesprochen gut...
Line-up:
Alexander Paul Blake (Gesang, Gitarre, Bass, Tasteninstrumente)
Marco Eckstein (Gitarre)
Andrei Alexandru (Gitarre)
Zeus X. Machina (Schlagzeug)
Gastmusiker:
Aline Deinert (Geige)
Markus Freitag (Cello)
Tracklist |
01:Gespenster-Revue im Theater Obszön (Akustik)
02:Ein Requiem in Sepia (Akustik)
03:Menschliche Trauer (Akustik)
04:Kali Yuga (Akustik, neuer Track)
05:Friedhof der Sterne (Akustik)
06:Moritat des Leierkastenmanns (Akustik)
07:Undine (Sey Meyn Schutzgeyst)(Akustik)
08:In ein altes Stammbuch (Akustik)
09:An die Nacht (Akustik)
10:Untergang im Rosenmeer (Akustik)
11:Nächtliche Melancholie (Akustik, neuer Track)
12:Kindgott (Das Ich-Coverversion, Bonustrack)
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Externe Links:
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