Im kleinen Örtchen Finkenbach im Odenwald stand Mitte August 2014 das mittlerweile 32. Finkenbach Festival auf dem Plan. Eine beachtliche und Respekt abverlangende Zahl ist das, sodass wir es uns natürlich auch dieses Jahr nicht nehmen lassen wollten, darüber zu berichten. Zum ersten Mal machte sich eine kleine RockTimes-Fraktion aus dem Südwesten der Republik auf den Weg, nachdem in den Jahren zuvor immer unser Gastschreiber Carlo Reßler berichtet hatte. Mit dem Wetter schienen wir am Freitag Glück zu haben, denn neben ein paar Wolken strahlte doch immer wieder auch die Sonne auf die ca. 750 anwesenden Musikfans. Glück... dachten wir... Nach dem Betreten des Festivalgeländes reichte die Zeit genau so lange, um sich noch ein Getränk zu besorgen und ein paar Meter weiter in Richtung Bühne zu gehen, bevor der Himmel seine Schleusen in derartiger Vehemenz öffnete, dass wir trotz Flucht unter einen Sonnenschirm (der selbstverständlich hoffnungslos überfordert war) innerhalb weniger Minuten bis auf die Knochen nass und durchweicht waren. Open Air-Festivals sind schon was Herrliches...
Leidtragende dieses Starkregens war natürlich auch die erste Band am Freitag, die bereits vor über vierzig Jahren in Hamburg entstandene Gruppe Faust. Die machte aber wirklich das Allerbeste daraus und konnte mit ihrem (durch gleich zwei Schlagzeuger und einem Gitarristen als Trio agierend) sehr perkussivlastigen Sound durchaus viele Freunde gewinnen. Der Songtitel des Abends ging dann auch entschieden an den Dreier, der den Wasserfluten mit dem beschwörenden "It's A Rainy Day, Sunshine Girl" aus dem Jahr 1972 zu trotzen versuchte.
Nachdem sich das durch mitgebrachte Ersatzklamotten (Danke fürs Mitdenken, Sabine!) runderneuerte bzw. wieder trockene RT-Duo nach kurzer Abwesenheit wieder auf dem Gelände eingefunden hatte, standen dann sehr bald die englischen Shooting Stars von The Brew auf der Bühne. Die legten erstmal (O-Ton Jason Barwick: »Sorry, wir haben im Moment noch ein paar Probleme, unser Equipment wieder trocken zu bekommen!«) etwas bedächtig los, steigerten sich im Verlauf des Gigs aber immer mehr. Und dennoch sprang der Funke nie wirklich auf den Rezensenten über. Das sind schon klasse Musiker und auch die Bühnenshow war sehr agil, trotzdem war ich aufgrund der vielen Vorschusslorbeeren fast schon etwas enttäuscht. Bezüglich der beiden Coverversionen wirkte Whole Lotta Love als einfach schon zu oft gehört, wogegen die Version von Hawkwinds "Silver Machine" schon wieder richtig Spaß machte. Was am Ende beim Autoren-Team blieb, war allerdings ein sehr gespaltener Eindruck.
Ganz anders dagegen Kraan, die es mit tollen Songs und sehr viel Atmosphäre schafften, trotz sehr wenig Gesang wesentlich mehr Spannung, Reibung und Freude zu verbreiten. Proggiges traf hier immer wieder auch mal auf einen kräftigen Schuss Funk, während die jazzigen Anteile nur sehr vereinzelt Einzug in die Nummern hielten. Für mich die absolute Überraschung und der Gewinner des Freitags, an dem der Regen kam und ging. Sehr schade, denn ansonsten hätten garantiert auch noch deutlich mehr Fans den Weg auf den Sportplatz gefunden. Und wer sich bis dahin noch nicht ausgiebig sattgehört hatte, der wurde zum Abschluss der ersten Nacht mit weiteren neunzig Minuten von Bröselmaschine in die Federn geschickt.
( Markus)
Tja, musikalisch hab ich dem, was Markus schreibt, wenig einzuwenden oder hinzuzufügen. Ich habs wirklich bedauert, Faust nur aus der Ferne unterm Sonnenschirm zu erleben, denn das, was durch den Regenplatsch durchgedrungen ist, hat bei mir einige Funken überspringen lassen. Mit The Brew ging es mir ähnlich wie ihm, so wirklich gezündet hat es nicht – vielleicht war es für mich aber auch nur zur falschen Zeit am falschen Ort, zu bluesrockig für dieses Ambiente. Denn das war ein bisschen Woodstock-Feeling geschwängert. Zu bekennenden Alt-Hippies ( »...nüchtern sein ist auch mal eine Erfahrung...«) und Fans der ersten Stunde gesellten sich Farbtupfer aus Kleinkindern, Kindern, jüngeren und älteren Eltern, Freaks und Normalos. Latzhosen und bunte Kleider, Bärte und lange Haare. Und Regenzeugs in allen Varianten und Improvisationsstufen. Gummistiefel und Barfüße, Schirme und Planen sowie Plastiktüten über Schuhen waren zu sehen. Dazwischen wuselten an und zwischen den Ständen die Helfer in gelben 'Finki-Festival Forever'-Shirts. Die freundlichen Finki-Sanis waren einsatzbereit, hatten jedoch nicht wirklich viel zu tun und auch die Feuerwehrler waren während des Festivals überwiegend zum Verkehrregeln im Einsatz. Alle hinterließen den - in Gesprächen bestätigten - Eindruck, dass hier wirklich das ganze Dorf mitzieht. Cool!!!
Am Kaffee- und Kuchenstand (Riesenauswahl, superlecker und alle hausgebacken!!!) war beiläufig zu erfahren, dass die Bauern mit ihren Traktoren die Autos, Wohnwagen und Wohnmobile aus den Campingwiesen ziehen, wenn die es nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Schlamm schaffen sollten. Überhaupt – Gespräche waren immer wieder ganz schnell im Gang. Die Leute waren durchweg freundlich und kommunikativ, hielten aber keinen Kaffeeklatsch vor der spielenden Band. Zuhören und Mitgehen war angesagt!
Gerade in Zeiten der Riesenfestivals mit zig Bühnen und unzähligen Bands hebt sich das überschaubare und entspannte Finki davon sehr wohltuend ab. Es gibt 'nur' eine Bühne, man kann jede Band sehen und in den Umbaupausen, die in der Regel tatsächlich nur etwa eine halbe Stunde dauern, bleibt genug Zeit für Speis und Trank. Hut ab – an den Ständen sind so viele Helfer ehrenamtlich aktiv, dass die Wartezeit wirklich kurz bleibt und man rechtzeitig vor Beginn der nächsten Gruppe wieder vor der Bühne sein kann. Was sich durchweg gelohnt hat.
(Sabine)
Der Samstagmittag begann gegen 15:00 Uhr erstmal gaaanz entspannt mit Embryo und deren sowohl cooler, als auch abgedrehter World Music. Ganze sieben Leute standen (oder saßen) auf der Bühne, während die Spielgeräte munter nicht nur zwischen, sondern immer wieder auch während der Stücke getauscht wurden. So war Marja Burchard gleich an drei Instrumenten aktiv, während die Gesangstechnik von Mik Quantius (immer wieder mal mit dem Zeigefinger im Mund) die Bezeichnung 'progressiv' nun wirklich mehr als verdient hat. Die Songs waren fast durchgängig sehr relaxt, trotzdem aber auch sehr interessant und spannend. Eine echte Erfahrung... Anschließend waren Marblewood aus der Schweiz 'am Apparat' und lieferten eine blitzsaubere Blues Rock-Show mit deutlichen psychedelischen Einschüben ab. Als Gast hatten sich die Eidgenossen einen alten RT-Bekannten, nämlich Winnie Rimbach-Sator von Space Debris, eingeladen, der den Sound der Schweizer nach den ersten Nummern noch ein gutes Stück mehr verfeinerte. Neben den Songs ihres Debütalbums gab es auch noch feine Coverversionen von "Have You Ever Loved A Woman" und The Mule auf die Ohren. Eine sehr vielversprechende Band, die einen super Auftritt hinlegte.
Nach der Enttäuschung über The Brew war ich bzgl. der vorab gehörten bzw. gelesenen Lobgesänge hinsichtlich Errorhead (die für die leider verhinderten Quireboys eingesprungen waren) erstmal sehr skeptisch eingestellt. Was sich allerdings als vollkommen unnötig erwies. Ganz starke Band mit richtig guten Musikern, die trotz aller Individualität hervorragend auch gemeinsam funktioniert. Jeder einzelne Musiker ist hier ein Könner vor dem Herrn, wobei Markus Deml an der Gitarre immer wieder ganz besonders hervorstach. Die Songs an sich konnten mich auf Anhieb zwar nicht wirklich total vom Hocker hauen, aber die Performance der Band sprach von eindeutiger Klasse. Und zu meiner Überraschung kam (nach "Have You Ever Loved A Woman" bei Marblewood) auch bei Errorhead wieder ein Song vom Derek & The Dominos-Album zum Einsatz. "Little Wing" (im Original und geschrieben natürlich vom Meister Hendrix) war die gelungene Krönung von neunzig aufreibenden sowie sehr viel Spaß machenden Minuten.
Danach wurde es vor der Bühne dann doch deutlich enger und die Bewegungsfreiheit geringer, stand doch schließlich der Auftritt von Guru Guru an. Die Band spielte einen sehr gelungenen Mix aus alten und neuen Songs, war agil und gut aufgelegt. Mani Neumeier ließ es sich selbstredend nicht nehmen, auch desöfteren (u. a. beim "Elektrolurch" oder "Living In The Woods") an vorderster Bühnenfront aktiv zu sein. Die neunzig Minuten (plus einige Zugaben) verflogen wie im Nu und hinterließen das Publikum nach wie vor mit dem Wunsch nach mehr.
Dann nochmal große Spannung und Vorfreude auf The Pretty Things. Eine legendäre Band, die bereits in den frühen Sechzigern startete, unter Kennern hoch angesehen ist und es dennoch nie wirklich schaffte, ganz groß zu werden. Von der Originalbesetzung sind heute immerhin noch der Gitarrist Dick Taylor (der übrigens auch der erste Bassist der Rolling Stones war, bevor Bill Wyman dann den Viersaiter für ihn übernahm) und der Sänger Phil May am Start. Auch die Briten boten einen ganz starken Auftritt und hatten ein sehr ausgewogenes Programm aus Alt und Neu mit dabei. Ein Hammerauftritt (auch mit einigen Songs aus dem Kultalbum S. F. Sorrow) und eines der absoluten Highlights des diesjährigen Festivals. Den Abschluss machte dann die amerikanische, aber in Deutschland stationierte Band Simeon Soul Charger, deren beide Alben in unserer Redaktion bisher durchweg als hochwertig eingestuft wurden.
Das Finkenbach-Festival hat überzeugt, und das auf allen Ebenen. Sehr geile Bands, super organisiert, sehr angenehme Atmosphäre, wunderschöne Gegend, total relaxte Stimmung ohne jegliche Nervereien oder Aggressionen. Nächstes Jahr sehr gerne wieder!! Und ich bin jetzt schon gespannt, welche geilen Bands Mani Neumeier für die nächste Runde aus dem Hut zaubern wird. See ya next year, dude, see ya next year, Finkenbach!
Unser spezieller Dank geht an Mani Neumeier und das komplette Organisations-Team des Festivals für die sehr freundliche und freundschaftliche Zusammenarbeit.
(Markus)
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