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Burg Herzberg Festival In The Land Of Milk And Honey 14.07. - 17.07.2005 Teil 2
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Prolog:
Love, Sex & Rock 'n' Roll?
Love, Peace & Happiness?
Blumenkinder, Flower-Power, Antikriegsbewegung?
Anarchie, alternative Lebensformen, Ökobewegung?
Rastafari, Jesuslatschenträger, buntes Strick-, Stoff- und Tücherpatchwork?
Räucherstäbchen, Wasserpfeifen, Indianerzelte?
Kifferblick, Biervernichtungslallen, sonstige Ausfallerscheinungen?
Psychedelische Rockkaskaden, Bühnennebel, Schlagzeugsoli?
Wer mit diesen Begrifflichkeiten auch nur entfernt etwas anfangen kann, dürfte nicht zu den Hipstern dieser unserer Gesellschaft gehören und ist mit Recht ein wenig stolz darauf.
Alles Begriffe von vorvorgestern? Alles olle Kamellen?
Leute, lasst euch nicht von unserer medialen und (gesellschafts)politischen Vernebelungsmaschinerie des Post-Kalter-Krieg-Zeitalters blenden, auch in Zeiten der forcierten Ellenbogengesellschaft, des angeblich alternativlosen Neoliberalismus und der hemmungslosen, völlig deregulierten Globalisierung haben alle diese Begriffe in ihrer Gesamtheit eine Daseinsberechtigung und führen zu einer entspannten aber nicht unspannenden, friedlichen wie fröhlichen Gesellschaft mit den üblichen und auch unüblichen Tücken des Alltags. Sie ergeben insgesamt eine absolut friedvolle Wohlfühlatmosphäre und entfernen unser Seelengemüt meilenweit von der kalten Endzeitstimmung einer vom Kapital forcierten Negativkampagne.
Und die Überschrift zum Ganzen, quasi als heimliches Motto, liefert die globalisierungskritische Bewegung namens 'Attac': Die Welt ist keine Ware!
Wie ich darauf komme?
Ganz einfach, zwischen dem 14. und 17. Juli 2005 konnten die Auswirkungen all der oben angeführten Begrifflichkeiten in einem kausalen Zusammenhang im Lande des 'Milk And Honey' bestaunt werden, und das ausgerechnet im Hoheitsgebiet eines Roland Kochs!
Oh ja, es war das Abtauchen in eine (vermeintlich?) bessere Welt, das Betreten einer anderen Hemisphäre, eine Erlebniswelt der ganz besonderen Art, denn hier haben die Eventmanager unserer Spaßgesellschaft das Potential noch nicht erkannt und selbiges somit noch nicht zu Tode geritten.
Die Rede ist natürlich vom legendären 'Burg Herzberg Festival', seit 1991 auf der Landkarte der besonderen Kulturveranstaltungen, kurzzeitig etwas ins Schlingern geraten und dieses Jahr an alter Stätte triumphal wie Phönix aus der Asche gestiegen!
Ja, die Hippie-Kultur, sie lebt, ob als Nostalgietrip, modisches Accessoire oder gar aus ehrlicher Überzeugung, das diesjährige Happening fand wahrlich nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, 'Attac ', 'Greenpeace ' und ähnliche politische Bewegungen inklusive.
Da wurden gleich am Anfang im Sinne der Mülltrennung zwei Sorten Mülltüten verteilt, da gab es über das Gelände verstreut Müllbehälter in ausreichender Anzahl, jeder noch so hässliche Plastikbecher kostete 1,00 € Pfand, zum Waschen und ähnliches wurde kein Trinkwasser verschwendet und die kulinarischen Verköstigungsstände legten ihren Schwerpunkt auf vegetarische Kost und alternative Getränkeangebote, vom guten alten deutschen Bier mal abgesehen. Das Preisniveau lag dabei gerade noch im erträglichen Bereich, auch der Veranstalter kommt irgendwo um gewisse wirtschaftliche Faktoren nicht herum.
Dafür sorgten genau diese Veranstalter für einen absolut reibungslosen Ablauf, alle kamen irgendwie unter, die Polizeipräsenz hielt sich in erfreulichen Grenzen, es gab relativ viele Dixie-Klos mit täglich zweimaliger Leerung, es wurde für Brötchenversorgung am Morgen gesorgt und die Security-Leute direkt am Eingang des Musikgeländes behandelten die Leute nicht wie sonst üblich als potentielle Schwerverbrecher, sondern achteten eigentlich nur darauf, dass nicht massenweise Getränkeglasflaschen und Dosen aufs Gelände mitgenommen wurden, dagegen waren Plastikflaschen, egal welchen Inhalts, gar kein Problem, was auf sonstigen Festivals mittlerweile unverschämter Weise völlig undenkbar ist.
Und mittendrin gab's natürlich auch Musik, die gehört schließlich genauso dazu, wie der süßende Honig in die Milch (zumindest bei Halsschmerzen!).
Aber hier haben sich die Zeiten doch etwas gewandelt.
Die gewaltige Ausdifferenzierung der Popular(rock)musik machte auch vor den Peace-Jüngern nicht halt und kam daher mit einem bunten musikalischen Potpourri auf die Festivalbühne, die kleiner und nicht ganz so bunt war, wie ich mir das im Vorfeld vorgestellt hatte. Aber sie reichte in Relation des eigentlichen Konzertfestivalgeländes aus und war mit einer Soundanlage versehen, die zu keinem Zeitpunkt des Konzertmarathons zu größeren Beschwerden Anlass gab.
Hier haben die Verantwortlichen wirklich ausdrücklich formidable Arbeit geleistet!
Es fehlten allerdings jedwede Videoleinwände, was ein bisschen schade war, denn die Konzerte wurden häufiger mit diversen Videokameras begleitet, um Bilder für ein späteres 'Rockpalast'-Special im 'WDR ' zu liefern (12.09.2005, 01.00 Uhr!).
Hier wären natürlich schöne Bilder aus gesicherter Entfernung möglich und wünschenswert gewesen, schließlich konnte sich der geneigte Musikfreak nicht tagelang ununterbrochen direkt vor der Bühne tummeln und die in ausreichender Anzahl vorhandenen Getränke- und Eßspezialitätenbuden wollten auch ihren Umsatz machen.
Die Konzerte (Donnerstag):
Da viele FestivalteilnehmerInnen bereits am Mittwoch angereist waren, steckten genauso viele am Donnerstag direkt am Eingang des sehr schönen Festivalgeländes (Campen auf'm Berg, Konzerte quasi im Tal) im Stau, so dass auch einer der weitgereisten RockTimes Redakteure gerade noch rechtzeitig kam, um die italienischen Jam-Psychedelic-Blues-Southern-Rocker von W.I.N.D. zu sehen, natürlich nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen deutschen Combo von Ralph Siegel, die irgendwann mal beim ehemaligen 'Grand Prix de Eurovision de la Chanson' oder so ähnlich mitgeträllert hatten.
Nein, hier spielten ein Bluesrocktrio der alten Cream -Schule auf und entführten die alte Dame Bluesrock in die psychedelischen Sphären von Jam- und Southernrock, um sie aber jederzeit elegant, kompetent und virtuos wieder zum Blues hin zurückzuführen. Eine Meisterleistung!
Anfangs, bei der TV-Aufzeichnung, noch mit angezogener Handbremse, später wie ein entfesselter Wirbelsturm, wobei sich insbesondere der Gibson-Saitenhexer Jimi Barbiani hervortat und stellenweise seinem Vornamen alle Ehre erwies. Die zunächst etwas schleppenden Publikumsreaktionen verwandelten sich spätestens bei der furiosen Interpretation des alten Allman Brothers Schlagers "Whipping Post" zur brodelnden Dampfmaschine und ich hatte bereits jetzt den ersten Kandidaten für den Titel 'Guitarist Of The Festival' auf dem Zettel.
Es folgte die Wiesbadener Youngster-Band Amber Light, für viele laut dem Gästebuch der 'Burg Herzberg' Website ein Highlight des gesamten Festivals und somit erster Anwärter für den Titel 'Newcomer Of The Festival'.
Diese Formation ging im Vergleich zu W.I.N.D. deutlich weniger blues- und groovelastig ans Werk und präsentierte psychedelischen, von Pink Floyd oder Porcupine Tree beeinflussten Rock, für nicht wenige der favorisierte Sound, nicht so für die Ohren eines ermatteten Redakteurs. Aber mensch kann sich ja auch nicht für alles interessieren.
Exkurs:
Es muss überhaupt gesagt werden, dass es bei einem viertägigen Festival mit insgesamt 24(!) Bands, die alle, ob großer Name oder eher unbekannt, um die 90 Minuten(!) spielen durften, manchmal auch länger (für Festivals dieser Größenordnung sehr ungewöhnlich!), völlig unmöglich ist, wirklich jede Band zu verfolgen. Da suchte sich halt jeder seine Favoriten raus, was dann auch angenehmerweise dazu führte, dass es vor der Bühne eigentlich nie totales und unangenehmes Gedränge gab, und es war jederzeit möglich, sich eine Position zu verschaffen, von der aus das Geschehen auf der Bühne bestens zu verfolgen war.
Davon lebte einfach das Ambiente dieser besonderen Veranstaltung, es war eigentlich immer und überall etwas los, ohne je überfüllt zu sein, nur morgens um 6.00 oder 7.00 Uhr, wenn die Sonne bereits anfing zu kitzeln, war mensch bei der morgendlichen Toilette alleine mit sich, der Natur und dem Schnarchen aus Tausenden von Zelten und urigen Campingwagen.
Apropos Sonne, die meinte es dieses Jahr wirklich gut mit den rührigen Veranstaltern und bescherte dem ganzen Festival ein traumhaftes Wetter.
Die Konzerte (Freitag):
So auch am Freitag, als sich der tags zuvor ermattete RockTimes Redakteur mit frischen Kräften zur völlig unüblichen Konzertzeit von 13.00 Uhr mittags auf die nicht vorhandenen Socken machte und die Sonne gnadenlos auf seinen (ungewaschenen) Dötz brannte.
Es waren noch nicht allzu viele Freaks zu dieser Stunde auf dem Musikgelände unterwegs, obwohl sich auf der Bühne eine nicht alltägliche Reunion abspielte, denn die Folk-Art-Progrocker von Audience enterten in ¾ Originalbesetzung (lediglich Ur-Drummer Tony Connor wurde durch John Fisher ersetzt) die Bühne und überraschten mit Brit-Blues rockigen Anklängen der Endsechziger, dominiert durch superbe Akustikgitarren-Licks und Saxophon wie Flötenklängen in bester Dick Heckstall-Smith bzw. Jethro Tull oder Traffic Manier, womit auch schon der musikalische Rahmen dieser Combo umrissen wäre.
1969 brachten sie ihr gleichnamiges Debütalbum auf den Markt, wovon wir auch dankenswerterweise etwas zu hören bekamen, im Oktober des gleichen Jahres spielten sie gar Support für Led Zeppelin. Und nun durften sie 36 Jahre später den ersten vollen Festivaltag einläuten, wo den meisten nach sonst etwas war, aber nicht unbedingt nach einer musikalischen Party vor der Bühne. Sehr schade, denn diese Band ist eine Wieder- oder Neuentdeckung wert!
Anschließend rief für unseren tapferen Redakteur endgültig die Arbeit, denn es stand ein dankenswerterweise vom Tourmanager ermöglichtes (nochmals danke, Kalle!) Interview mit W.I.N.D. an, so dass Mostly Autumn ohne mich auskommen mussten.
Diese wurden übrigens wie wir alle durch ein hochwillkommenes (außer für die Band) Gewitter mit Platzregen überrascht, der vielen zu einer Naturdusche verhalf und die erhitzte Luft etwas abkühlte. 'Woodstock'-Feeling light mit gelegentlichen "no rain, no rain" Rufen, welche wohl von tendenziell duschunwilligen Hardcorefestivalfreaks stammten, für die selbiges nur was für Weicheier ist.
Auch Mostly Autumn kommen im 'Burg Herzberg' Gästebuch trotz dieser Wetterkapriole sehr gut weg, wie überhaupt psychedelisch angehauchter Hard- oder Progressivrock mit diversen Pink Floyd Anleihen auf diesem Festival einen Erfolg feiern konnte, wie es sich der RockTimes Redakteur bisher nicht hatte vorstellen können.
Prinzipiell natürlich ein musikalischer Anachronismus, der in unserer Formatradio und 'MTViva' - Welt überhaupt gar keine Rolle mehr spielt. Die Begeisterung auf dem 'Herzberg-Festival' für diese Art des Musizierens outet das aber ganz klar als Fehler und belehrte auch den lernwilligen Schreiberling eines Besseren.
Etwas düsterer (wie sinnig nach dem Gewitter!), aber nicht minder progressiv machten anschließend die Anekdoten weiter, eine schwedische Band, die sich als grobe Orientierung am Sound von King Crimson orientiert.
Danach folgte dann eine weitere Besonderheit, denn wann bekommt mensch heutzutage schon mal die Vorreiter des psychedelisch, progressiven Rocksounds der Endsechziger auf einer Live-Bühne zu sehen und zu hören, nämlich niemand geringeres als Love, die 1967 mit "Forever Changes" einen Meilenstein dieser musikalischen Ausrichtung veröffentlichten, wenn sie nicht gar Mitbegründer eben dieser Ausrichtung waren.
Sicherlich ein Highlight des Festivals, und der RockTimes - Berichterstatter rockte ehrfürchtig vor der Bühne ab, allerdings nicht ohne sich zu wundern, wie jung doch die Protagonisten dieser Band ausschauten.
Kein Wunder, denn jegliche Originalmitglieder fehlten! Okay, die agierenden Musiker lieferten zweifellos eine feine Leistung ab. Aber eine Frage muss an dieser Stelle erlaubt sein: Wo war eigentlich der angekündigte Arthur Lee? Er wäre zumindest als einziges Originalmitglied das Aushängeschild gewesen und hätte dem Namen Love eine gewisse Existenzberechtigung gegeben. Aber eine Sixtieskapelle komplett ohne Originalmitglieder, das schlägt sogar Lynyrd Skynyrd und wird höchstens von Canned Heat erreicht, die aber wenigstens ihren Drummer der zweiten Stunde dabei haben. Wer hat da wohl die Namensrechte?
Nun ja, darüber konnte sich der etwas irritierte und mittlerweile leicht erschöpte Berichterstatter nicht lange den Kopf zerbrechen
Denn jetzt schloss sich unmittelbar eine weitere Legende des psychedelischen California -Westküstenrocks an, nämlich Big Brother & The Holding Company, jawohl, die Combo, die Janis Joplin anno dazumal groß rausgebracht hatte!
Immerhin standen hier die Gründungsmitglieder Sam Andrew (vocals & guitar) und Pete Albin (bass, vocals) auf der Bühne, verstärkt durch eine vermeintlich neue Janis Joplin, diesmal keine Weiße mit schwarzer Stimme, sondern hier gleich mit beiden Attributen ausgestattet. Trotzdem konnte die sehr gut aussehende junge Dame nicht annähernd an das angestrebte Idol heranreichen, so dass das Pulver der Band doch etwas am Ziel vorbeischoss.
Trotzdem, die Reihenfolge der Acts an diesem Tage hatten die Veranstalter musikalisch stimmig zusammengestellt, wenn auch insbesondere Audience durch den frühen Auftrittstermin in Mitleidenschaft gezogen waren.
Selbiges war der tapfere Festivalneuling mittlerweile auch, die Ohren klingelten, die durstige Kehle war versorgt und spacige Gruppen wie Ozric Tentacles (herrlicher Name) und Space Ritual (das Programm schon im Namen) nicht wirklich des Neulings sein Revier, hier kennen sich andere wesentlich besser aus.
Außerdem war am nächsten Tag bereits um 11.00 Uhr das weitere Programm angesagt. Junge, Junge, da lockte dann doch irgendwann die gemütliche Matte im Campingbus!
Die Konzerte (Samstag):
Natürlich schaffte es der RockTimes Redakteur nicht rechtzeitig vor die Bretter, die die Welt bedeuten, rieb sich in der nun wieder prallen Mittagssonne die verschlafenen Augen und den brummenden Schädel und erwartete als erstes Ereignis die vermuteten Krautrockanheizer für eine Legende dieser Spielart, die im Anschluss folgen sollte, nämlich Jane.
Epitaph nennt sich die Combo, die diesen Job übernehmen sollten und der Jungredakteur wurde gleich wieder auf völlig falschem Fuß erwischt.
Denn was Heinz Glass (guitar, vocals), Achim Wielert-Poret (drums, vocals), Bernd Kolbe (bass, lead-vocals) und Cliff Jackson (guitar, lead-vocals) da auf der Bühne veranstalteten, hatte ich bisher nicht unter der Schublade Krautrock im Gehirn abgespeichert gehabt. Ich hörte mit wachsender Begeisterung klassischen, geilen 70er Hardrock der kompetenteren Art, mit hochinteressanten 'Gibson Les Paul' und 'Fender Stratocaster' Vergleichen, mal spielte eine Rhythm und die andere Lead, mal genau andersherum, immer hervorragend zusammengehalten durch einen rhythmischen, elastischen und behänden Bass und einem stoischen Schlagwerker, den nichts aus der Ruhe zu bringen schien. Eine Wohltat nach all der psychedelischen Schwerkost, hier war nun mitten in der Mittagshitze der Rock 'n' Roll ausgebrochen und ich konnte einen ersten Anwärter für meine persönliche 'Discovery Of The Festival' notieren.
Im Anschluss wurde es bei Peter Panka's Jane deutlich ruhiger und tatsächlich krautrockig, die Orgelklänge schwebten über das Gelände, schwere Riffs donnerten dem nunmehr sehr zahlreichen Publikum entgegen, Hymnen wurden ausgebreitet, der Rock 'n' Roll zu Grabe getragen.
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Und dann kamen sie!
Sie?
Jawohl, drei junge Leute aus Stockholm enterten die Bühne, obwohl, halt, zunächst eigentlich nur ein langhaariger 1971-Rockmusiker-Lookalike, barfuss und mit einem Ungetüm bewaffnet, das schon George Harrison mit Begeisterung ab ca. 1966/'67 in den Sound der Beatles einbrachte und es sich vom Meister Ravi Shankar lehren ließ.
Auf diesem Gerät folgte nun ein minutenlanges Solo als Intro zum Auftritt einer Formation namens Siena Root, die vom RockTimes Jungredakteur auf Grund einiger Vorschusslorbeeren mit Spannung erwartet wurden.
Kaum war Mr. KG West fertig, kamen Bassist Sam Riffer (sein Name sollte sich alsbald als Programm herausstellen) und Schlagwerker Love H. Forsberg hinzu, KG West begab sich an ein mir bisher völlig unbekanntes Gerät (auch das muss besser werden!) und erzeugte darauf synthetische Orgelklänge irgendwo zwischen Moog und Hammond B3, Riffer schmiss seinen groovenden Riffbass an und Love haute mit Verve auf Felle und Becken, dass schon jetzt die Mähne flog. Wiederum ein langes Instrumental, und ich notierte bereits jetzt die Anmerkung 'Courageous Band Of The Festival'.
Mal ehrlich liebe Leute, wer fängt denn heutzutage ein Konzert als vollkommen unbekannte Gruppe mit zwei ellenlangen Instrumentals an?
Bassist wie Drummer schienen übrigens optisch ebenfalls direkt einer Zeitreisemaschine entstiegen zu sein. Aber nicht nur die Optik, auch die Musik entführte mitten in die rockmusikalischen Zeiten Ende der 60er/Anfang der70er des letzten Jahrhunderts, und das mit einer geradezu frappierenden Authenzität.
Hier erklang eine verblüffend werkgetreue Schnittmenge aus Cream, Deep Purple und Uriah Heep in der bisher besten Soundqualität des Festivals, was vor allem für das Schlagzeug galt. Spätestens als Love sein Instrument mit zwei brennenden Fackeln wie ein Berserker traktierte und sich darüber hinaus auch getraut hatte, ein langes Drumsolo zu spielen, kam für den begeisterten RockTimes Rock 'n' Roller noch ein weiterer Eintrag ins Notizbuch hinzu: 'Best And Spectacular Drummer Of The Festival'!
Erwähnung sollte noch finden, dass die Gruppe in Abwesenheit ihres regulären Sängers und Organisten nach den beiden erwähnten Instrumentals mit der Gastsängerin Sanya operierten, die mit toller Stimme dem Ganzen noch eine etwas andere Würze gab. Kritiker mögen beklagen, hier werde schamlos die Historie der Rockmusik geplündert, ohne eigene Kreativität und Originalität zu entwickeln.
Ich sage, mag sein, aber wenn eine junge Band in der Lage ist, diese Vorlagen zu einem derart fulminant groovenden und rockenden Liveauftritt umzumünzen, dann verdient das Respekt und somit kam noch eine weitere Notiz in meinen Block: 'Most Complet Retro Rockband Of The Festival'. Denn selbst der berühmte Geigenbogen wurde nicht vergessen, nur dass der diesmal vom Bassisten eingesetzt wurde. Diese Truppe hatte aber auch wirklich an alles gedacht!
Wie sollte das jetzt noch zu toppen sein?
Ganz einfach, eine High-Energy - Rock 'n' Roll Combo musste her, die alles in einem Handstreich geradezu hinwegfegt.
Und sie kam, ausgerechnet in Gestalt der in ¾ Originalbesetzung antretenden Ten Years After, wo drei Leute an die 60 oder drüber sind.
Davon war allerdings von Anfang an gar nichts zu spüren, ganz im Gegenteil, es wurde losgelegt, als gäbe es kein Morgen mehr.
Vermutlich angestachelt durch den tollen Auftritt der Jungspunde von Siena Root und dem mittlerweile wieder sehr zahlreich anwesenden Publikum wuchs insbesondere Bassist Leo Lyons mit gewohnt glücklichem Gesichtsausdruck über sich hinaus und schien bei den ersten beiden Stücken sich selbst überholen zu wollen. Grandios, Applaus und ohne Zweifel einen weiteren Eintrag wert: 'Bass Player Of The Festival'!
Da wollte natürlich Alvin Lee Nachfolger Joe Gooch nicht nachstehen, zumal immer noch viele im Publikum etwas hämisch fragten, was denn die ganze Veranstaltung hier ohne Alvin Lee überhaupt solle. Diese Leute wurden schnell eines Besseren belehrt, denn durch den entfesselten Leo Lyons angestachelt gab Joe Gooch auf seiner optisch sehr geschmackvoll zum Hemd passenden Stratocaster so gut wie alles, was dieses Instrument in diesem Bereich der Musik herzugeben vermag. Ziemlich schnell rockte das ganze Publikum genauso entfesselt mit wie die Protagonisten auf der Bühne und ich hatte einen weiteren Anwärter für den Titel "Guitar Player Of The Festival".
Ich muss zugeben, die vier verlangten mir und allen anderen alles ab und anschließend war ich reif fürs Sauerstoffzelt.
Und so war es wiedereinmal von der Festivalleitung sehr gut durchdacht, dass nun der Headliner der Veranstaltung überhaupt, nämlich Manfred Mann's Earthband, folgen sollte.
Und siehe da, der Redakteur von RockTimes lag völlig danieder und die Massen drängelten sich, eigentlich zum ersten Mal, zu Tausenden auf dem Musikgelände.
Oh ja, Manfred Mann und seine Mannen zogen in Deutschland schon immer, ob nun bei Tommy Gottschalk mit Chris Thompson, oder bei den Hippies und Sympathisanten halt ohne Chris Thompson.
Völlig wurscht, erstmals kam eine Art Massenparty in Gang, passend zur massenkompatiblen Musik, es wurde getanzt und geschunkelt, alte Erinnerungen aufgefrischt und sich gewundert, warum Springsteens "Dancing In The Dark" gecovert wurde. Aber vielleicht habe ich mich auch nur alleine gewundert, denn Manfred Mann hat ja bekanntlich auch schon früher Springsteen-Werke außerordentlich erfolgreich vertont.
Und da kamen sie denn auch, die unvermeidlichen großen Drei: "Davy's On The Road Again", "Blinded By The Light" (huhu, Springsteen) und das unverwüstliche "The Mighty Quinn".
Tja, das kennt halt jeder und entsprechend konnte mitgegrölt werden. Irgendwie war das nach all der schweren, anstrengenden Kost auch mal ganz erholsam.
Die kam dann direkt im Anschluss wieder, und zwar in Person der Formation IQ, wirklich schöner Name, denn nun progte es wieder was das Zeug hielt, und der RockTimes Redakteur war nach dem bisherigen 10 Stunden-Marathon völlig überfordert. Ab mit ihm ins Regenerationslager, Prost!
Die Konzerte (Sonntag):
Der Sonntag begann sonnig wie immer, war aber bereits durch eine gewisse Aufbuchstimmung geprägt.
Der wurde im 'Rock im Spreewald Camp' getrotzt, indem die beiden mit Abstand jüngsten BewohnerInnen eine mitreißende Musiksession inszenierten.
Von "Sweet Home Alabama" bis "Country Roads" wurde von zwei Leuten sehr hörenswert und vom Rest sehr schief alles geträllert, was die Akkorde auf der Akustischen mit einer gerissenen Saite alles hergaben.
Das lockte sogar eine kleine Gruppe junger Leute an, die scheinbar ziellos durch das Campinggelände flanierten. Diese Gruppe stellte sich bei näherer Betrachtung doch tatsächlich als Siena Root mit Jungmanagement heraus, die mit großem Hallo ins 'Spreewald-Camp' gelockt und zu einer Tasse Hopfentee eingeladen wurden.
Es entwickelte sich ein interessanter Austausch von Erfahrungen und der RockTimes Redakteur entschloss sich, diese vier unkomplizierten, sympathischen 'Back To The Roots' (ihr Name kommt ja wohl nicht von ungefähr) MusikerInnen zu seiner 'Band Of The Festival' zu küren, ungeachtet der ebenfalls grandiosen Leistungen der vielen anderen MusikerInnen, die dieses Festival zu einem wahrhaft musikalischen Festschmaus hatten werden lassen.
Derart gestärkt, inklusive einer deftigen Grillmahlzeit, ging es herunter zum Grande Finale.
Gerade noch rechtzeitig, um das schräge Bukovina Club Orkestar bewundern zu können, die mit einer illustren Mischung aus Balkan Folklore-Rock und gepfeffertem Ska die Restgemeinde gehörig ins Tanzen und Schwitzen brachten.
Darauf folgte dann der krönende Abschluss, die von vielen heiß herbeigesehnten Tito & Tarantula . Scharf gewürzter Tex-Mex-Rock ließ die Menge zappeln, den RockTimes Redakteur irgendwie aber seltsam kalt, denn irgendetwas fehlte diesem Gewürz.
Der Superhit aus "Dusk Till Dawn" durfte natürlich nicht fehlen und zündete noch am ehesten, der Rest kam meiner Meinung nach relativ substanzlos rüber, sozusagen als blutleere Tarantel, aber vielleicht wäre diese Einschätzung am Donnerstagabend eine andere gewesen.
Epilog:
Es bleibt trotzdem festzuhalten, dass insgesamt ein überraschend gehaltvolles, abwechslungsreiches und doch größtenteils in sich stimmiges, wenn nicht gar homogenes, Programm geboten wurde, hervorragend durchorganisiert, denn auf die angekündigte Reihenfolge war absolut Verlass, was bei solchen Mammutveranstaltungen lange noch nicht selbstverständlich ist.
Auch der Zeitrahmen wurde erstaunlich gut eingehalten, obwohl den Gruppen durchaus mal eine richtige Zugabe zugestanden wurde. Damit tat sich der Moderator auf der Bühne zwar anfangs sehr schwer und erntete stürmische Pfiffe, aber aus Fehlern sollte ja bekanntlich gelernt werden, und das wurde sich auch hier zu Herzen genommen.
Waren das wirklich 4 Tage in einer besseren Welt?
Und wer verdiente sich nun endgültig welchen Titel?
Um ehrlich zu sein, inmitten dieser Musik, die in der 'richtigen' Welt scheinbar völlig negiert und ignoriert wird, außer in entsprechenden Insiderkreisen und inmitten dieser Tausenden friedvollen, fröhlichen, kommunikativen, begeisterungsfähigen und entspannten Menschen habe ich mich pudelwohl gefühlt, tatsächlich ein bisschen wie in einer anderen, wesentlich positiveren Welt.
Da zählen dann auch keine Titel und Auszeichnungen mehr, sie sind wie Schall und Rauch, total unwichtig, das Gesamtergebnis zählt, an dem irgendwie alle, und ich meine wirklich alle, beteiligt waren.
Also weg mit dem Notizbuch, außer der Eintragung für das nächste 'Burg Herzberg Festival': 'Freak City' - ich komme!!!
Love & Peace
Olaf "Olli" Oetken,24.07.2005
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