Für Wochenendausflüge bin ich immer zu haben, vor allem wenn sie im Zusammenhang mit dem Besuch eines Musikfestivals stehen. Zwar heißt es für mich heute, am 22. März, nicht: »Pack die Badehose ein...« (Conny Froboess' Uralt-Schlager aus dem Jahr 1951), sondern eher 'Lade dir deinen Kollegen Holger ein und dann nischt wie raus nach Seelow'.
Da sich mein Kollege für solche Art von kulturellen Kurztrips nicht zweimal bitten lässt, treten wir gegen 16:00 Uhr gemeinsam den Weg nach Seelow an, um uns mit fettem Blues Rock in Form von DeWolff, Julian Sas und Layla Zoe verwöhnen zu lassen.
Die brillante kanadische Blues Rock-Sängerin Zoe hatten wir bereits letztes Jahr am 26. September im Berliner Maschinenhaus der Kulturbrauerei gesehen, ebenso Hollands Blues Rock-Ass Sas am 4. Oktober an gleicher Stätte und allein die Tatsache, dass beide in Seelow ihre Show abziehen wollen, ist schon die Anreise wert.
Zunächst gibt es aber ein herzliches 'Hallo' mit Julian, der uns ausgiebig vom gestrigen Gig in Frohburg berichtet und noch die ein oder andere witzige Geschichte zum Besten gibt. Anschließend checken wir die Räumlichkeiten der Spielstätte und es weht uns ein Hauch von '(N)Ostalgie' um die Nase. Diese Anmerkung ist aber nur im Positiven zu verstehen, denn wenn es auch noch reichlich Utensilien aus vergangenen DDR-Tagen zu entdecken gibt, z. B. alte Schriftzüge an den Türen, versprühen die Fans eine absolut friedliche Atmosphäre und man merkt ihnen die Vorfreude auf das Bevorstehende förmlich an. Richtig auffällig sticht der Imbissstand ins Auge, der voll auf 'Mutters Hausmannskost' setzt und leckere selbstgemachte Wurst- und Schmalzstullen anbietet, die auf unseren Zungen für reichlich Appetit-Pfützen sorgen.
Dass sich mittlerweile wieder Wölfe in Brandenburg ansiedeln, ist absolut begrüßenswert, doch anstatt den Urahnen unseres 'besten Freundes' zu begegnen, heißt es für uns ab 19:30 Uhr, sich DeWolff aus den Niederlanden reinzuziehen. Dabei fällt mir in erster Linie auf, dass das Trio ohne einen Bassisten auskommt. Doch nach gut neunzig Minuten stellt sich heraus, dass das überhaupt kein Problem darstellt, denn das holländische Trio präsentiert auch ohne Tieftonexperten einen Psychedelic Blues Rock der Marke Woodstock, der von mir und Holger sehr wohlwollend aufgenommen wird. In der Tat, die Jungs haben es drauf und die Spezialshoweinlage von Pablo van de Poel, in der er fast aus dem Stand auf die Hammond seines musikalischen Mitstreiters Robin Piso hüpft, können wir nur staunend und mit gebührenden Applaus quittieren. Als er nach anschließendem Gitarrensolo in allerbester Angus-Manier von Pisos Spielgerät herunterspringt, um im finalen Schlussakt noch mal bleibende Eindrücke zu hinterlassen, lässt mich schlussfolgern, dass allein dieser Auftritt die zweistündige Anfahrtszeit rechtfertigte.
Die flinken Roadies sind gut eingespielt, absolut fit und agieren bei der Umbauphase des Equipments im Blitztempo, um die Bühne zeitplanmäßig für eine weitere holländische Band anzurichten - Julian Sas. Als die Combo das Areal betritt, reicht mir ein Blick in ihre Augen, um darin ein loderndes Feuer zu erkennen. Die Band, ständig vom Schlagzeugterminator Heijne angetrieben, lässt für diesen Abend keine Zweifel aufkommen, wer hier Chef im Ring ist. Bassist Tahamata zupft mit äußerster Spielfreude die Saiten seines Fender-Basses und Bandchef Sas singt und spielt die Gemeinde mit unzähligen Solo-Attacken am Rande des Wahnsinns. Als die Band zum Schluss den Hendrix-Klassiker "Hey Joe" in gut fünfzehn Minuten zelebriert, gibt es unter den Fans kein Halten mehr. Mit frenetischem Beifall und lautstarken Zugabenforderungen lassen sie den Verantwortlichen keine Chance, Sas und Co. ohne einen zweiten Auftritt zu entlassen. Nebenbei sei noch erwähnt, dass die Anwesenden noch Zeitzeugen einer Premiere werden. Julian Sas hat, wie er mir nach dem Konzert berichtet, einen Song einem ihm sehr nahestehenden Freund gewidmet. Das mag nun nicht unbedingt außergewöhnlich klingen, doch haben sie das Lied in fünfzehn Minuten so improvisiert, wie es noch nie vorher von der Band so vorgetragen wurde. Somit kommen sicherlich nicht nur die reinen Sas-Fans voll auf ihre Kosten.
Durch die wohl nicht eingeplanten Zugaben, steht die Bühne für die kanadische Sängerin Layla Zoe erst eine Viertelstunde später zur Verfügung. Und es ist klar, dass es für sie und ihre Band nach dem erfolgreichen Sas-Gig nicht einfach werden wird. Doch die rotblonde Langmähne hat noch ein paar Joker im Ärmel. Zum einem ihre außergewöhnlich gut ausgeprägten Stimmbänder, mit der sie ihre Texte - auch wenn ich nur bedingt ein Freund von Vergleichen bin - im Stil von Janis Joplin glänzend vorträgt und zum anderen ihre Performance, mit der sie ihre Songs begleitet und die zum Teil an den Auftritt einer schönen Schlangenbeschwörerin erinnert. Als weiterer Trumpf kristallisiert sich ihr Gitarrist Jan Laaks heraus, der recht oft unter Beweis stellt, welch großartiger Stratocasterspieler er ist.
Letztlich versteht es die Band mit ihrem Konzert den Abend würdig zu beschließen, damit alle Zeitzeugen des Festivals zur vollsten Zufriedenheit den Heimweg antreten können.
Und genau in diesem Moment treten wir mit äußerst positiven Eindrücken die Heimfahrt an und amüsieren uns dabei köstlich, als ich Holger nochmal die Geschichte erzähle, bei der ich Julian noch vor Veranstaltungsbeginn zwei nicht zu erwerbende Tour-Shirts aus den Rippen schneide, die bei mir ungewaschen einen Ehrenplatz einheimsen werden. Damit ich während der frühmorgendlichen Heimfahrt nicht in einen Sekundenschlaf falle, liest mein Kollege aus der DeWolff-Biografie vor, die wir jeweils inkl. Live-DVD und -CD für schlappe 30 € erworben hatten. Ein wahres Schnäppchen.
RockTimes bedankt sich für die Unterstützung von Laylas Bookingagentin Florence Miller und dem gesamten Seelow-Team, die letztlich dafür sorgten, dass wir nicht zum letzten Mal nach Seelow zu einem Blues-Festival angereist sind.
Line-ups:
DeWolf:
Pablo van de Poel (vocals, guitars)
Robin Piso (vocals, Hammond organ)
Luka van de Poel (drums)
Julian Sas Band:
Julian Sas (vocals, guitars)
Tenny Tahamata (bass)
Rob Heijne (drums)
Layla Zoe Band:
Layla Zoe (vocals)
Jan Laacks (guitar)
Gregor Sonnenberg (bass)
Hardy Fischötter (drums)
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