Julian Sas / 04.10.2013,05.10.2013
Maschinenhaus, Berlin, Kulturbastion, Torgau
Rocktimes Konzertbericht
Julian Sas
Maschinenhaus Berlin, Kulturbastion Torgau
04. und 05. Oktober 2013
Konzertbericht
Stil: Blues Rock


Artikel vom 19.10.2013


Mike Kempf
Als ich am Sonntagmorgen des diesjährigen 5. Oktober Tenny Tahamata als letzten der Julian Sas-Band nach einem sehr ereignisreichen, emotionsgeladenen Wochenende verabschiedete, überkam mich viel Wehmut. Warum das so war, dafür bedarf es von meiner Seite aus einer ausführlichen Erklärung.
Julian SasEs war der 16. April 2009, als ich Hollands Blues Rock-Ass Sas im Berliner Quasimodo zum ersten Mal live erlebte und für mich bereits damals feststand, dass dieser Gig auf keinen Fall der letzte sein sollte, den ich von Julian und Co. geboten bekam. In der Folgezeit kam es zu einem Radiointerview bei ALEX-Berlin, dem ich eher zufällig beiwohnte und als der Moderator mit dem Abspielen der Musik beschäftigt war, nutzte ich die Gelegenheit ihn per Telefon um ein RockTimes-Interview zu bitten. Ich kann es nicht genau beschreiben, doch während unseres Telefonats muss zwischen mir und Julian etwas passiert sein, denn von diesem Tag an riss der Kontakt nicht mehr ab und spätestens nach einem weiteren RockTimes-Frage- und Antwortspiel entwickelte sich eine für mich außergewöhnliche Freundschaft. Doch bei aller Verbundenheit zwischen mir und Julian betrat er und seine Band seit 2009 keine einzigen Meter Berliner Boden, geschweige denn eine Hauptstadt-Bühne. Das musste irgendwie zu ändern sein und so half mir meine Kontaktdatenpflege, in der auch Wolf Spors vom Cafe Garbaty vertreten ist, meinen lang ersehnten Wunsch in die Tat umzusetzen. Einen Anruf später war es letztlich Wolf zu verdanken, dass sich die niederländischen Blueser am Tag der deutschen Einheit auf den Weg nach Berlin, genauer gesagt, zum Kesselhaus/Maschinenhaus machten, um am darauf folgenden Tag die Berliner Fans in Verzückung zu versetzen.
Julian SasBevor ich nun meinen Tourbericht beginne, entledige ich mich meiner RockTimes-Dienstkleidung und berichte von nun an nur noch getreu unserem Motto: Von Fans für Fans. Denn als solcher fühlte ich mich in erster Linie an diesem ersten Oktober-Wochenende und ich kann behaupten, dass es auch mein Kollege Holger so empfunden haben muss, zumindest was den Freitag anging. Die Uhrzeiger signalisierten uns 17:00 Uhr und genau zu diesem verabredeten Termin stand das holländische Trio pünktlich vorm Eingang des Clubs. Nach einer herzlichen Begrüßung stand für Holger und mich fest, dass wir beim Tragen des zum Teil extrem schweren (wenn ich nur an die Marschall-Boxen denke) Equipment halfen, denn das Bewältigen der ca. dreißig steilen Stufen mit dem Extragewicht, war nun wirklich nicht ohne. Dabei zeigte sich Drummer Rob Heinje von uns allen am fittesten und er beeindruckte mich mit seinem durchtrainierten Körper, der sich am besten mit dem eines Hochleistungsschwimmers vergleichen lässt.
Julian SasNach dieser 'Trainingseinheit' erholten wir uns ein wenig und beobachteten die Band beim Soundcheck. Es fiel mir auf, dass Julian zahlreiche Positionswechsel betrieb und dabei immer die Deckenhöhe per Augen- und Gehörmaß abschätzte. Das einzige auftretende Problem, der unzureichende Stromkreis im Maschinenhaus, ließ sich nur mit einem Seitenwechsel von Tenny und Julian lösen, denn des Gitarristen Klampfen schrien nach mehr Power aus der Steckdose. Holger nutzte seinen uneingeschränkten Freiraum fürs Einfangen zahlreicher Impressionen und ich ließ mir zwischendurch von Julian den Orlemans-Amp zeigen, den er sich ausgeliehen hatte, weil er selbst seinen eigenen bei einer Jamsession mit Rob 'zerschossen' hatte. Tja, die holländischen Bluesrocker halten zusammen. Zwischen dem Signieren der mitgebrachten Tonträger und einigen intensiven Unterhaltungen verging die Zeit wie im Fluge und bevor die Berlin-Show begann, fragte ich Manager Ed Bos, ob er ausreichend CDs eingepackt habe. Im Nachhinein war meine Frage nicht ganz unbegründet, denn nach dem Gig hatte Ed alle Hände voll zu tun, um die Fans mit diversen Sas-Tonträgern zu versorgen, die natürlich auf Wunsch von der Band mit Autogrammen geschmückt wurden.
Julian SasZiemlich pünktlich um 21:00 Uhr und ohne großes Brimborium startete die Kapelle in Sekundenbruchteilen von null auf hundert und hatte keinerlei Probleme die Fans voll und ganz auf ihre Seite zu ziehen. Leider gab es unter den begeisterten Zuschauern einen, der meinte, er müsse in reiner Selbstdarstellung jeden Song, auch während der Präsentation der Tracks, kommentieren. Zwar ließ sich die Band davon nicht aus der Ruhe bringen, doch für die Fans, die den Gig genießen wollten, war er einfach nur störend! Nun gut, der Rest der Zeitzeugen wussten sehr wohl mit dem Liedgut der Band etwas anzufangen und es verging kein einziges Lied, das nicht mit frenetischem Applaus der Fans endete. Da ich die Band am nächsten Tag nach Torgau begleitete, will ich auf diesen von der Band erfolgreich gestalteten Gig nicht weiter eingehen. Stattdessen bereitete ich mich darauf vor, dass Holger und mir noch eine weitere Arbeitsschicht in Form vom Abräumen sämtlicher Sas-Band-Gerätschaften bevorstand. Das Sas-Team bot mir an, dass ich am nächsten Tag in ihrem Tourbus nach Torgau mitfahren könnte. Wow, so eine Chance bekommt man nicht oft im Leben und es war einfach nur logisch, dass ich zusagte. Von da an schwirrten meine Gedanken völlig wirr im Kopf umher und bescherte mir eine schlaflose Nacht.
Julian SasAls die ruhelose Nacht endlich vorbei war, musste ich 'nur noch' meiner Frau Conny am Frühstückstisch klar machen, dass sie mich zum Estrel (Deutschlands größtes Hotel - im Bezirk Neukölln gelegen) bringen sollte und sie anschließend allein nach Torgau fahren müsse. Ein Glück, dass Conny viel, sehr viel Verständnis für mein 'Hobby' aufbringt, sonst könnte ich mir solch einen Luxus kaum leisten.
Julian SasIch war die letzte Person die den Bandbus betrat und schloss hinter mir die Tür. Vorne steuerte Tenny das Gefährt sicher über Autobahnen, Bundes- und Landstraßen. Auf dem Beifahrersitz platzierte sich Ed, während Rob den hinteren linken Platz, ich den rechten Außensitz und Julian den mittigen Platz in Beschlag nahmen. Während der folgenden Stunde unterhielt ich mich überwiegend mit Julian, der perfekt Deutsch spricht, über dieses und jenes, über Gott und die Welt und natürlich über viel Musik. Dabei schien seine Aufzählung von denjenigen Künstlern mit denen er schon zusammen musizierte schier endlos und es waren fast alle Größen der Blues Rock-Szene der Gegenwart und der Vergangenheit, dabei. Er hatte zu vielen unserer Themen meist eine kleine witzige Anekdote parat, die ich mit großem Interesse gierig in mein Inneres aufsog. Tenny steuerte weiterhin gekonnt den Tourbus nach Torgau, während Rob fleißig Notizen in ein Heft kritzelte, die, wie mich Julian aufklärte, ausschließlich für die Bandarchivierung dienten. Richtig spannend wurde es, wenn sich Ed umdrehte, irgendwas im schnellen Holländisch erzählte, Julian mit gestenreicher Mimik fortsetzte und die Dialoge meist mit einem kräftigen, herzhaften Lachen Robs endete. Obwohl ich, wenn die Jungs kaum zu bremsen waren, fast nichts verstand, genoss ich ihre Konversationen in vollen Zügen. Da sie sich mir gegenüber äußerst locker verhielten, ließ es mich schlussfolgern, dass sie meine Anwesenheit voll akzeptierten. Zu gern hätte ich Ed über sein Managerleben ausgefragt, doch er konnte kaum Deutsch und ich kein Holländisch, somit beschränkte sich unsere Unterhaltung mehr auf Gestiken und ich merkte, dass der Mann sehr viel erlebt und zu erzählen gehabt hätte. Zwischendurch fragte mich Rob: »Alles klar, Mike?«. »Ja Rob, ich fühle mich bei Euch pudelwohl!«.
Julian SasNach gut zwei Stunden waren wir in Torgau angekommen und Conny geleitete in allerbester Gendarmenmanier den Bus zum Parkplatz. Auch wenn es mir sehr schwer fiel, mein Anstand befahl mir, der Band bis zum Abend eine Pause von mir zu gönnen. Doch waren sie in der Lage ohne mich, ohne meine Hilfe ihr musikalisches Inventar allein zur Kulturbastion zu schaffen und aufzubauen? Gegen 21:00 Uhr nahmen wir unsere Frontplätze ein und mein Rundumcheck zeigte mir, dass die Band, wie sollte es auch anders sein, natürlich alleine die Bühne angerichtet hatte. Dass ich mich wie zu Hause fühlte, war nicht nur der Verdienst von Hendrik Herder dem Bassisten von Footsteps, der an diesem Abend für den Sound verantwortlich war und sich noch vorab um die Band-Buchungen fürs Hotel kümmerte, sondern auch die herzliche Begrüßung vom Clubchef Uwe. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Euch beide! Des Weiteren sorgten die Leipziger Margrit und Linda, die Norddeutschen Annegret und Rolf sowie meine Berliner Kumpels Tobias mit seinem Daddy, die ich in Berlin gefühlte eintausend Male auf Konzerten angetroffen habe, fast für ein Heimspiel.
Julian SasDiesmal betrat die Band um 21:30 Uhr die Bühne des sehr gut besuchten Clubs der Kulturbastion. Beim Einmarschieren umflog mich umgehend ein Hauch geballter Energie und ich sah bei jedem von ihnen ein loderndes Feuer in den Augen. Es war vor allem Rob, dem ich anmerkte, dass es höchste Zeit war, dass er sein überschüssiges Adrenalin endlich freisetzen konnte. Was er in den folgenden etwas über zwei Stunden an Schlagsalven servierte war sagenhaft. So wie einen Tag vorher in Berlin, hielt er seine Vordermänner mit schlagstarkem Rhythmus auf erhöhter Betriebsbereitschaft und hätte einer von beiden Klampfern versucht vorher die Bühne zu verlassen, sie hätten gegen Robs Trommelwirbel keine Chance gehabt. Deshalb schlage ich dem niederländischen Umweltministerium vor, Mister 'Dynamit' Heinje eine Halbtagsstelle anzubieten, ihn pro Tag 2 bis 3 Stunden an seinem Kraftwerk ackern zu lassen und die damit gewonnene erneuerbare Energie dazu dienen zu lassen, ihr letztes Atomkraftwerk in Borssele abzustellen. Das er seine Power auch sehr soft und trotzdem voller Emotionen eindrucksvoll präsentieren konnte, bewies er beim Hendrix-Klassiker „Hey Joe“, indem am er an seinen Becken einen unglaublichen gefühlvollen Takt vorgab. Rob, das war absolute Spitzenklasse!
Julian SasBei Tenny fiel mir in erster Linie sein Gibson-Bass auf, mit dem gleich zum Anfang des Konzerts zu einer festen Einheit verschmolz. Er zupfte mit einer enormen Lässigkeit die Saiten, passte sich dabei Robs Taktvorgaben hervorragend an und gemeinsam unterbreiteten sie ihrem 'Boss' ein grundsolides Klangfundament, auf dem sich Julian nach allen Regeln der Blues Rock-Kunst austoben konnte. Einige Male nahm ich Tennys Basskünste ganz genau unter die Lupe und stellte fest, dass er einen ähnlichen phänomenalen Groove besitzt wie Chris Chaney, den ich 2008 beim Berlin-Gastspiel von Michael Landau bestaunen durfte. Beide zählen für mich zur Crème de la Crème des Bassspiels.
Julian SasAuch wenn der Gitarrenchamp Sas sich ausschließlich als Teamplayer versteht, stand er natürlich unweigerlich im Mittelpunkt beider Konzerte. Dabei gönnte er seiner Les Paul die meiste Spielzeit, genehmigte aber auch der mitgebrachten Firebird und seiner Gretsch Gelegenheit sich zu zeigen, allesamt der Marke Gibson. Ob mit 'nem Slideröhrchen oder 'nur' mit 'nem Plec bewaffnet, zelebrierte er die Songs mit gewohnten exzellenten Gitarrenläufen und voluminösen Gesang. Oftmals positionierte er sich weit vorn am Bühnenrand, schaute mit fragendem Blick in die Menge, um zu spüren, wie sich die Fans pö a pö am Rande des Begeisterungswahnsinns treiben ließen. Als ich "Shadow Play" vom aktuellen Album Bound To Roll per Kamera einfangen wollte, fällt mir diese fast aus der Hand. Was hatte mein Freund eben gesungen? »Shadow Play... Kempfenstein...«. Hatte ich eben einen Blackout, waren meine Gehörsnerven nun völlig im Eimer, oder durfte ich doch meiner Wahrnehmung trauen? Doch als Conny mir in die Rippen stieß und meinte »Haste jehört? Er hat eben...« wusste ich, dass mein Spitzname eben in einem Live-Song verewigt wurde. Wow, das hatte gesessen und ich musste aufpassen, dass ich nicht vor Begeisterung die Bühne stürmte. Dazu hätte ich, aber auch jeder andere Anwesende des Gigs, mehrere gute Gründe gehabt, denn Sas überzeugte mit grenzenloser Spielfreude, glänzte mit reichlichen Soloattacken, sang inbrünstig sein Textgut und blieb dabei, worauf ich bei Musikern immer besonderen Wert lege, immer glaubwürdig und authentisch. Als Zugaben gab es für die Fans ganz großes Kino! Zuerst gedachte er mit "Bullfrog Blues" seines großen Vorbildes Rory Gallagher, um zuallerletzt bei allen Anwesenden mit "Boogie All Around" die letzten Hemmungen in Orkanstärke beiseite zu fegen. Während der Zugaben entwickelte sich bei mir die Idee, vom Schlagzeugterminator Rob die Sticks zu ergattern. So als könne er Gedanken lesen, drückte er mir diese bei seinem Abgang in die Hände und ich konnte es kaum fassen, bestanden diese etwa aus Teakholz? Kaum zu glauben, dass diese die schwindelerregende Schlagtortur gut überstanden hatten.
Julian SasAls die Torgau-Messe endgültig gelesen war, Rolf noch ein paar Tassen Bier zur Regulierung des Wasserhaushalts orderte, marschierte ich nur mal 'kurz' in den Backstage. Dort entdeckte ich zwar erschöpfte Musiker, doch alle mit zufriedenen Gesichtern. Ich nahm Robs Hände zur Kontrolle in die meinen und stellte fest, dass dieser Schlagzeugvulkan seine Finger weder getapt noch durch Handschuhe zu schützen versuchte. Keinen einzigen Kratzer hatten seine wertvollen Gliedmaßen von seinem Trommelinferno davon getragen – für mich unfassbar! Mit Julian saß ich noch ein gutes halbes Stündchen bei einer gepflegten 'Pilsbrause' und dabei stellten wir fest, dass uns mehr verbindet, als nur das gemeinsame Interesse für Musik. Nun war es für die Band an der Zeit, sich zum Merchandisestand zu begeben. Bei den aufgerufenen Preisen für 10 € je CD und sensationelle 15 € für die Doppel-CD/DVD Dedication waren die Fans, sowie die Berliner, nicht mehr zu halten und die Tonträger gingen so zahlreich über den Tresen, dass sich Manager Ed im wahren Akkord beweisen musste.
Julian SasMeine Freunde und ich waren so ziemlich die Letzten, die den Weg von der Kulturbastion zum Hotel antraten. Eigentlich völlig geschafft, war es mir dennoch nicht möglich, eine Sekunde Schlaf zu finden und ich sehnte das Frühstücksbuffet herbei. Dort trafen wir um ca. 8:00 Uhr auch die Band an, und der Einzige der in der vergangenen Nacht ein paar Stunden geschlafen hatte war Tenny. Ed und Rob waren vermutlich genau so aufgekratzt wie ich und Julian erzählte mir »Ich konnte auch nicht pennen, habe aber die Zeit sinnvoll genutzt und zwölf neue Songs geschrieben«. Gemeinsam werteten wir das vergangene Wochenende aus und kamen allesamt zu einem positiven Ergebnis. Letztlich war es Julian, der uns sehr gestenreich von einem Gig in Süddeutschland berichtete und er dabei einen Fan imitierte, und zwar so, dass sich meine Lachmuskeln zu einem wahren Heiterkeitsausbruch entschlossen. Sei es wie es sei: Selten habe ich so eine intakte Band erlebt, selten zwei so tolle Gigs einer Band hintereinander erlebt und kann wohl mit Recht behaupten, dass ich nach Julian noch drei weitere Freunde dazu gewonnen habe. Mehr geht nicht, mehr kann man von zwei wunderbaren Tagen nicht erwarten! Deshalb stehen weitere Konzertbesuche der Combo auf meiner Agenda, vielleicht sogar in Holland.
Sicher, ich hätte noch ein paar tausend kleine nette Geschichten zu Papier bringen können, doch für den Leser der Zeilen endet es so, wie ich oben angefangen habe: Als ich am Sonntagmorgen des diesjährigen 5. Oktober Tenny Tahamata...
Julian Sas           Julian Sas
Julian Sas      Julian Sas      Julian Sas
Line-up:
Julian Sas (vocals, guitar)
Tenny Tahamata (bass)
Rob Heinje (drums)
Setlist
Intro
Homefeeling
Swamplands
When I Boogie
Mercy
Bound To Roll
Looking For A Friends
The Way It Goes
Stranger Blues
Turpetine Moan
Highway 61 Revisited
Sugarcup Boogie
Shadow Play
Hey Joe
Devil Got My Number (Torgau)
Bullfrog Blues
Boogie All Alround
Externe Links: