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Motorcycle Jamboree 2012
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Motorcycle Jamboree 2012
Altes Lager bei Jüterbog
19.07.2012 bis 22.07.2012
Event
Artikel vom 03.08.2012
Holger Ott Mike Kempf
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Seit einigen Monaten stehen wieder einmal namhafte Motorradclubs ganz oben in den Medien. Überwiegend wegen Meinungsverschiedenheiten untereinander, Schießereien und krimineller Aktivitäten. Der Normalbürger muss dabei Angstzustände bekommen, wenn er nur in die Nähe eines Clubgeländes der zwei wohl bekanntesten Harley-Clubs kommt, oder deren Mitglieder rein zufällig auf der Straße antrifft. Man könnte ja aus Versehen in ein Kreuzfeuer gelangen und dabei völlig ungewollt ins Nirwana hinüber gleiten.
Dass es auch anders geht, beweist seit fast vierzig Jahren ein Berliner MC (Motorradclub) mit dem aussagekräftigen Namen Born To Be Wild. In den Jahren ist dieser Motorradclub nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern weit über dessen Grenzen hinaus gewachsen. Negative Schlagzeilen sind höchstens aus der Anfangszeit bekannt, als sich die Truppe in Berlin noch gegen andere behaupten musste. Üblich ist es in der Szene, dass die Clubs mindestens einmal im Jahr zu einer Party einladen, zu der weitere MCs und natürlich Gäste aller Art begrüßt werden. Da Berlin bekanntlich damals eine sehr begrenzte Fläche hatte, konnten diese Events leider nur im kleinen Rahmen abgehalten werden. Das änderte sich schlagartig, als die Grenzen verschwanden, und das Umland genutzt werden konnte. Die Partys wurden kurzerhand nach außerhalb verlegt, da dort zu günstigen Konditionen große Flächen angemietet werden konnten.
1990 wurde somit das Motorcycle Jamboree geboren. Zunächst wurde mit dem beschaulichen Biesenthal, im Nordosten von Berlin, ein Dorf gefunden, das auch die perfekte Spielfläche bot. War im Anfangsjahr das Event mit ca. 2000 Besuchern noch sehr überschaubar, wuchs die Veranstaltung durch gute Qualität und perfekte Organisation in den Jahren so weit heran, dass das Gelände im Dörfchen Biesenthal aus allen Nähten platzte. Schon damals waren in jedem Jahr sehr gute Bands am Start, die zum Teil das Jamboree zum Sprungbrett einer Weltkarriere machten, wie beispielsweise Rammstein.
Vor zwölf Jahren haben sich die Veranstalter entschieden, auf ein deutlich größeres Gelände umzuziehen, dem ehemaligen Militärflugplatzes Altes Lager bei Jüterbog. Dort kann man sich in alle Richtungen ausbreiten, stört keine Anwohner, und liegt noch etwas zentraler in Ostdeutschland. Als fixer Termin wurde schon seit Beginn das dritte Wochenende im Juli festgelegt, und diese Tage sind in vielen Kalendern regelmäßig rot angestrichen. Auch das Berlin-Team von RockTimes freut sich dieses jahr darüber zu berichten. Vor Ort sind Gastschreiberin und Fotografin Sabine Kundmüller dabei, die alle Tage auf dem Gelände übernachtet, Redakteur Mike Kempf, und selbstverständlich ich, euer Holgi. Wir zwei Herren der Schöpfung können allerdings aus beruflichen Gründen nur am Freitag und Samstag auf dem Gelände sein, den Tagen an denen das hauptsächliche Geschehen abläuft.
Schon bei der Anreise fällt uns auf, dass wir weit und breit keine Ordnungshüter erblicken. Keine Geschwindigkeits-Messgeräte im Wald versteckt, keine Stichprüfungen der manchmal etwas merkwürdig anmutenden Bikes und ebenso keine Alkoholkontrollen. Der veranstaltende Motorradclub hat anscheinend alles selbst im Griff. Lediglich zwei nette 'Mädels' in 'Uniform' patrouillieren über das Gelände, und bieten kostenlose Alkohol-Selbstkontrollen an, die natürlich nicht genutzt werden. Dafür müssen die beiden aber ziemlich oft als beliebtes Motiv für diverse Fotos herhalten.
Wir genießen das Privileg direkt im Backstagebereich zu parken, holen unsere Ausweise und machen uns erst einmal auf Erkundungstour über das riesige Gelände. Im Moment laufen auf dem Platz vor der Bühne die beliebten Biker-Spiele, wie Wurstschnappen oder Kurbelwellenweitwurf. Ebenso kann jeder seine Geschicklichkeit im Slow-Race unter Beweis stellen. Für manche Fahrer eine echte Herausforderung. Währenddessen wird die große Bühne für die erste Band am Freitag vorbereitet. Mike und ich sammeln derweil Eindrücke, und begutachten das vielfältige Angebot der Händler, die alles verkaufen, was der Biker oder auch Rockfan gebrauchen kann - oder auch nicht. Auch die Auswahl an kulinarischen Köstlichkeiten ist sehr umfangreich, und es mangelt absolut an nichts. Werden auf vielen anderen Großveranstaltungen die Besucher mit fettigen Fritten und halbrohen Bratwürsten abgefertigt, so ist beim Jamboree über Eis, Fisch, China-Nudeln, gegrilltem Fleisch, bis hin zur guten alten Hausmannskost von Muttern alles im Angebot, und das auch noch zu sehr zivilen Preisen. Selbst ein ausgewogenes Frühstück wird denen geboten, die zu Tausenden auf dem gigantischen Campingplatz nächtigen.
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Aufgelockert wird das Ganze durch gut verteilte Getränkestände, wodurch weite Wege vermieden werden. Selbst an Toiletten mangelt es nicht, deren Betreiber für permanente Sauberkeit sorgen. Ein rollendes Tattoo-Studio bildet den Abschluss auf der ehemaligen Start- und Landebahn des Flugplatzes Altes Lager. Verschiedene Edelschmieden haben sich auf dem Platz verteilt, zeigen ihre neuesten Kreationen, und bieten exklusive Teile zur Verschönerung der ohnehin schon außergewöhnlichen Fahrzeuge an. In filigraner Kleinarbeit gefertigt, bietet ein Bastler übergroße Figuren aus bekannten Kino-Filmen an, und so begegnen uns "Spiderman" und das "Alien"-Monster. Ein Spezialist für Holzkunstwerke zeigt seine geschnitzten Kunstwerke und einige Händler bieten kistenweise gebrauchte Ersatzteile an. Falls jemand daran Bedarf haben sollte, können die Teile in der eigens dafür angereisten mobilen Werkstatt montiert werden. Wer immer noch nicht genug von dem vielfältigen Angebot hat, kann auf dem Rundkurs der angrenzenden Open Air-Kartbahn ordentlich aufs Gas treten und es seinen Vorbildern Schumi und Vettel nachmachen.
Nach unserem Rundgang, bei dem für Mike ein AC/DC-T-Shirt abgefallen ist, sind wir mit unserer Fotografin Sabine im Backstage verabredet und besprechen den Ablauf des weiteren Tages, der bis zum Open End nur noch aus Musik besteht.
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Den Anfang macht ein Künstler aus der Lausitz, dem ehemaligen Braunkohlerevier in Ostdeutschland. Nach dem Ende des Kohleabbaus ging es der gesamten Region zusehends schlechter, und was passt musikalisch am Besten, um seinen Kummer auszudrücken? Natürlich der Blues, und dem hat sich Mac Blues Bulldog Zap mit seiner Band verschrieben. Es ist das Leidwesen eines jeden Redakteurs, wenn die Webseite eines Künstlers nicht sehr informativ ist. So auch in diesem Fall, bei dem ich im Vorfeld nicht einmal den Namen des Bluesers ermitteln konnte. Seine lange Set-Liste lässt uns aber hoffen, dass ein ausgewogenes Programm auf die Bühne gebracht wird. Einige Songtitel darauf kommen uns spontan bekannt vor. Dass es sich bei Blues Bulldog aber nicht um eine Coverband handelt, wird uns nach den ersten Tönen klar. Der Mann im Mittelpunkt schlägt mit seiner Gitarre sofort die Saiten an, die das Herz der Blues-Gemeinde höher schlagen lassen. Er trifft die Musik auf den Punkt, und Mike wie mir wird schnell klar, der Mann hat 'ne gute Ausstrahlung und kann klasse musizieren. Nach einigen englischen Titeln wechselt er ins Deutsche. Nun gut, daran muss man sich erstmal gewöhnen. Trotzdem bleibt die musikalische Leistung, auch die der Band, recht ansprechend. Als dann einer meiner Lieblingssongs angestimmt wird, schießt mir der Tod von Deep Purples Legende Jon Lord durch den Kopf, "When A Blind Man Cries". Der Song ist perfekt und das Highlight des Auftritts von Mac Blues Bulldog Zap. Die Formation um Sänger und Gitarrist Sepp ist der richtige Griff, um den Reigen der Bands für den Freitag zu eröffnen. Mein Blick in die Runde vor der Hauptbühne zeigt mir aber, dass es für den Blues an diesem Tag noch etwas zu früh ist. Nur spärlich ist das Interesse von Musikbegeisterten um diese Uhrzeit. Nachdem Blues Bulldog den Bikern neunzig Minuten eingeheizt hat, lassen wir es uns nicht nehmen, sich mit ihm hinter der Bühne etwas mit ihm zu unterhalten.
Er erzählt uns, dass die Band für diesen Auftritt erst seit Kurzem zusammen ist, und er mit diesem Programm auch gerne in Berlin spielen würde. Kein Problem, erkläre ich ihm, und nachdem ich ihn mit Mike bekannt gemacht habe, beschließen wir, etwas für ihn und seine Band zu tun und versprechen Sepp, ihn mit Kontaktdaten der Berliner Klubszene zu versorgen.
Währenddessen ist der Aufbau im großen Partyzelt auf der zweiten Bühne beendet, und fast lückenlos geht es im Programm weiter. Jetzt werden die härteren Töne angeschlagen. Die Böhse Onkelz-Coverband Mandados Del Cielo aus Perleberg gibt sich, nach 2010, erneut die Ehre, um die Anwesenden im Bierzelt des Jamborees kräftig in den Hintern zu treten. Aufgrund ihres damaligen Erfolges ist es kein Wunder, dass die Band um Sänger Onkel Kreutz wieder auftreten darf. Und auch in diesem Jahr spricht das Gedrängel der Fans im Zelt für die Band, die die Böhsen Onkelz mit ihrer Musik wieder aufleben lässt. Ich gebe zu, dass es nicht unseren Geschmack trifft. Nach einer kurzen Fotosession von und mit der 'bösen' Kapelle, beschließen wir, erneut eine Runde über den Platz zu laufen, und die feilgebotenen Speisen und Getränke zu probieren.
Wieder zurück im Backstage herrscht ein ordentliches Gewühl. Cultus Ferox bereiten sich auf ihren Auftritt vor, und kommen der Reihe nach mittelalterlich gestylt aus ihrem Zelt. Im Vorjahr waren ihre Kollegen von Corvus Corax zu Gast, und haben mächtig abgeräumt. Aus diesem Anlass hat der Veranstalter Born To Be Wild MC beschlossen, erneut eine Mittelalter-Band anzuheuern. Mit ihrer aktuellen CD "Beutezug" sind sie nun beim Jamboree, und wollen auch hier einiges abstauben. Dabei sind die Outfits der Musiker immer wieder eine Augenweide. Mike und ich können nicht anders, als uns mit den bezaubernden Damen der Band fotografieren zu lassen. Nicht dass wir unsere Trophäensammlung aufbessern möchten, aber schön anzusehen sind wir doch allemal, und ein wenig Spaß gehört bei unserer anstrengenden Arbeit einfach auch dazu.
Als Cultus Ferox anfangen zu spielen, stelle ich sofort fest, dass mir ihre Musik deutlich besser gefällt, als die der Band vom Vorjahr. Ferox spielen viel rockiger, scheuen sich auch nicht Mittelalter mit Moderne zu kombinieren, auch ein richtiges Drumset und elektrische Gitarren zu verwenden. Dadurch wirkt ihre Musik nicht so eintönig. Zudem wechseln ständig die Musiker auf der Bühne, und auch an der Frontline gibt es mehrere Führungspersonen. Leider ist trotz der guten Musik das Publikum noch etwas verhalten. Von dicht gedrängt kann keine Rede sein. Viele liegen bei dem schönen Wetter noch auf dem Campground in der Sonne, oder erkunden mit ihren heißgeliebten Maschinen (zu 90% Harleys) die Gegend.
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Gegen 21.00 Uhr hat die Jamboree-Ikone Jott Zet, wie immer in den Pausen, das Mikro erneut in der Hand. Mister 'Knikki Knakki in da House, Yeeeeaaahhh!' ist seit Urbeginn der Veranstaltung der Lieblingsmoderator der Biker. Ohne ihn und seine markigen Sprüche sowie den kleinen Anekdoten aus seinem bewegten Leben wäre das Jamboree nur halb so viel wert. Jeder erfreut sich daran, wenn er Geschichten zum Besten gibt, wie oft er beim Öffnen der BHs an deren Verschluss gescheitert ist und somit nicht zum Zuge kam. Oder wenn er sich als Hauptpreis bei den Bikerspielen der Damenwelt anbietet, und dann mit seinen geschätzten 160 cm Körpergröße von Frauen 'gewonnen' wird, die locker das Doppelte an Körpergewicht auf die Waage bringen. Er ist ein Typ, der eigentlich eine eigene Fernsehshow verdient hat. Beim Schreiben treibt der Gedanke an ihn wieder ein Lächeln in mein Gesicht, und ich höre in meinem Hinterkopf seine Moderation, Yeeeeaaahhh!
Dennoch ist es immer wieder schön anzusehen, wie auch der erfahrenste Jamboree-Moderator das Flattern in die Mikrofonhand bekommt, wenn er eine der Größen der Musikgeschichte ansagen darf. Und dass es sich bei The Sweet um eine Größe handelt, beweisen die Chartplatzierungen ihrer Hits aus den 70er Jahren. Damals hagelte es Gold und Platin ohne Ende und es gab nur mit Slade eine einzige Konkurrenz in diesem Genre.
Natürlich haben die menschlichen Tragödien der vergangenen Jahrzehnte auch nicht vor dieser Band Halt gemacht. Blondschopf Brian Conolly und Drummer Mick Tucker sind seit vielen Jahren im Musikerhimmel, und Basser Steve Priest hatte irgendwann keine Lust mehr. Zum Glück hat Gitarrist Andy Scott die Fahne hochgehalten und somit die Band vor dem Ende bewahrt. Da zurzeit eine Welle der Erinnerungen durch den Äther schwappt sind The Sweet wieder sehr angesagt, touren in diesem Herbst und Winter nicht nur durch Deutschland, sondern fast um den ganzen Globus. Sie haben sich sogar mit ihren ehemaligen Konkurrenten um die Gunst der Fans zusammengeschlossen, und spielen gemeinsam mit Slade einige Konzerte. Das gibt dem Veranstalter des Jamboree natürlich den Anlass, für das nächste Jahr Slade zu buchen.
Der Bandmanager von Sweet ist uns anscheinend wohl gesonnen und bietet uns ein Interview mit dem Quartett an, welches wir natürlich dankend annehmen. Vor dem Auftritt haben wir somit die Gelegenheit mit Peter Lincoln, Tony O'Hara und Andy Scott zu plaudern. Wir werden in ihr Zelt eingeladen, und wie selbstverständlich bieten sie uns einen Drink an, der zwar nicht gerade vitaminreich ausschaut, dafür aber hochprozentig. Anständig erzogen, lehnen wir 'very british' dankend ab.
[da haben wir wohl die falschen Redakteure auf das Festival geschickt. Die Red.]
Peter und Tony sind die Wortführer bei unserem Gespräch, in dem ich die Leitung des Frage- und Antwortspiels übernehme. Nach den obligatorischen Begrüßungsfloskeln unterhalten wir uns erst einmal darüber, wie sie sich fühlen, in so einer bekannten Band zu spielen. Beide erklären mir, dass sie bereits in ihrer Jugend die Musik gehört haben, und natürlich damals die Band toll fanden. Niemand von den beiden hätte sich je vorstellen können, einmal selbst Bestandteil von Sweet zu sein. Für beide ist ein Traum wahr geworden, natürlich mit der Last, die ehemaligen Mitglieder ersetzen zu müssen. Da das Publikum das Hauptaugenmerk für gewöhnlich auf dem Sänger hat, ist es für Peter besonders schwer, die Nachfolge von Brian Conolly zu übernehmen. Wir plaudern ein wenig über ihren derzeitigen Erfolg, und beide führen es darauf zurück, dass seit einiger Zeit eine große Retro-Phase existiert, bei der auch die Eltern ihre Kinder mit der Musik der 70er und 80er vertraut machen. Viele stellen dabei fest, dass handgemachte Musik noch immer am besten und beliebtesten ist. Deshalb sind bei ihren Konzerten viele Jugendliche und Kinder mit ihren Eltern anwesend. Die Band begrüßt das natürlich und hofft deshalb, noch weitere Jahre erfolgreich musizieren zu können. Wir kommen auf ihr aktuelles Album New York Connection zu sprechen und ich frage sie, warum darauf nur Coversongs zu finden sind. Peter gibt mir zu verstehen, dass sich die Band mal ein Album gewünscht hat, auf denen einige ihrer Lieblingssongs aus der Anfangszeit ihrer Karriere, in ihrer eigenen Version, verewigt werden sollten. Was daraus wurde, hört man auf "New York Connection". Wir sprechen darüber, dass sie seit zehn Jahren kein Studioalbum mit neuen, eigenkomponierten Songs veröffentlicht haben, sondern nur Live-Mitschnitte. Beide erklären mir, dass im Winter mit den Arbeiten an einem neuen Studioalbum angefangen wird. Darauf werden endlich wieder eigene Songs zu hören sein. Damit geht die Band im nächsten Jahr erneut auf Tour, und wird auch wieder in Deutschland spielen. Im Winter sind sie gemeinsam mit Slade unterwegs, und bis dahin stehen noch einige Festivals an. Auch Termine in Asien stehen noch an. Aus diesem Grund musste das Konzert auch heute beim Jamboree stattfinden, und nicht wie bisher geplant am Samstag. Morgen Abend spielen sie bereits wieder in England auf einem Festival. Bis zum Ende des Jahres stehen noch fast vierzig Gigs auf dem Kalender.
Inzwischen ist auch Andy Scott zu uns gekommen, genehmigt sich ebenfalls einen kräftigen Drink, hält sich aber weitgehend aus dem Gespräch heraus. Im Augenwinkel bemerke ich, wie sich Mike neben unserem Gespräch von Sabine mit Andy ablichten lässt. Des Weiteren unterhalten wir uns darüber, was die Band an den deutschen Fans, und da ich gesehen habe, dass sie auch mal über den Festplatz gelaufen sind, was ihnen auch an diesem Biker-Treffen gefällt. Die deutschen Fans wären besonders konstant, bekomme ich als Antwort. Auch als die Band viele Jahre nicht so gefragt war, haben die Deutschen immer zu ihnen gehalten und ihre Shows besucht. Das würden sie ihrem deutschen Anhang nicht vergessen, und zum Dank spielen sie oft hier, liefern dabei immer alle ihre großen Hits bei den Konzerten ab. An den Bikern gefällt ihnen ihre Ehrlichkeit. Ist das Konzert einmal weniger gut, zeigen sie es der Band mit ebenso wenigem Applaus. Motorräder gefallen allen sowieso, und deshalb spielen sie sehr gerne auf solchen Treffen. Ich habe eine alte Single bei mir, "Turn It Down", auf deren Cover ein Gruppenbild zu sehen ist, bei denen alle Vier damals auf typischen Choppern der 70er Jahre sitzen. Viel Chrom, lange verchromte Gabeln, hohe Lenker, allerdings mit Motoren, die nicht aus den USA stammen. Das Quartett der Originalbesetzung ist in bunten Glitzerklamotten angezogen, und als Andy das Bild sieht, muss er lachen. Ich schlage ihnen vor, dass wir das Bild bei unserem nächsten Treffen in Berlin nachstellen können. Alle amüsieren sich, nicken aber zustimmend zu. Heute ist es leider schon etwas zu spät und auch zu hektisch. Die Band muss gleich auf die Bühne, und wir verabschieden uns mit einem großen Dank von ihr.
Abschließend ist noch kurz Zeit für Fotos und Autogramme, und schon geht es für The Sweet auf die große Bühne des Jamborees. Wie nicht anders zu erwarten, haben sich mehr als fünftausend Leute vor der Bühne eingefunden. Ob alt, ob jung, mit Kind und Kegel, alle sind sie dabei und vor allem bei den Älteren werden sicherlich auch Erinnerungen an ihre Zeit in den 70ern wach. Selbst die urigsten Biker im gesetzten Alter haben keine Hemmungen bei den Hits mitzusingen und sich im Rhythmus zu bewegen. Ich beobachte auch eine Zeit lang eine Familie mit zwei kleinen Kindern, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, die an der Absperrung stehen, und deren Kinder fast jeden Song punktgenau mitsingen. Die Band um Ur-Mitglied Andy Scott, und natürlich er selbst, scheinen den Anblick der jubelnden Menge sichtlich zu genießen. Dass so etwas anspornt ist selbstverständlich und die Musiker legen sich richtig ins Zeug. "Block Buster", "Hell Raiser", "Ballroom Blitz" - kein einziger Hit der damaligen Zeit wird ausgelassen. Zu meiner Überraschung spielen die Jungs einen Titel, der so gar nicht in ihr Schema passt. Emerson, Lake And Palmers "Fanfare For The Common Man" wird in Perfektion dargeboten. The Sweet geben sich sehr progressiv, aber es steht ihnen, ohne Frage. Keyboarder Tony O'Hara ist maßgeblich für diesen satten Sound verantwortlich.
Natürlich werden auch Stücke aus ihrer aktuellen CD "New York Connection" gespielt, auf der die Band einen kleinen Auszug ihrer persönlichen Lieblingssongs präsentiert.
Das Konzert ist unglaublich schnell vorbei, nicht weil es zu kurz sein könnte, sondern weil das Hit-Feuerwerk keine Verschnaufpause zulässt, und deshalb die neunzig Minuten wie im Fluge vergehen. Klasse Konzert, und definitiv mein persönliches Highlight des Tages.
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The Sweet sind allerdings nicht als Haupt-Act des Freitags angekündigt. Diese Führungsrolle übernehmen zwei Typen aus Berlin, mit Namen Hagen Stoll und Sven Gillert, inzwischen besser bekannt als Haudegen. Die beiden volltätowierten Ex-Rapper tummeln sich bereits den ganzen Tag auf dem Platz und können, man höre und staune, ohne ständig angesprochen zu werden, über das Veranstaltungsgelände spazieren. Ihre Karriere in den vergangenen zwei Jahren ist kometenhaft. Da haben sich zwei Rapper in einer Kneipe getroffen, die beide aus Berliner Problembezirken stammen. Die Chemie hat sofort gestimmt, der Rap wurde an den Nagel gehängt, und nun geben die Zwei mit ihrer Band Songs zum Besten, die tief ins Herz und unter die Haut gehen. Da geht es um Liebe und Verzweiflung, Abenteuer und Sehnsucht. Alles in einfachen deutschen Worten verpackt und mit der passenden Schmuse-Musik untermalt. Was kann es Schöneres geben, als an einem lauen Sommerabend ihrer Musik zu lauschen und seine Kuschelbedürfnisse auszuleben. In jeder noch so harten Bikerschale schlummert ein weiches Herz.
Hagen und Sven geben an diesem Abend alles, und schicken die Fans mit sanften Tönen in ihre Zelte. Ein durchweg schöner Auftritt. Da ist es an der Zeit, dass das Gespann bald eine neue Studio-CD nachlegt. Nach ihrem Erfolg mit dem Debüt "Schlicht und Ergreifend" von 2011 und der aktuellen Live-CD und DVD mit dem gleichen Namen, dürstet es die Fans nach mehr von den Haudegen.
Mike und ich sind an diesem Abend erst einmal völlig fertig, und machen uns auf den Heimweg.
Währenddessen tummelt sich Fotografin Sabine weiter auf dem Gelände, und nimmt noch einige Impressionen von den Bands mit, die nach Mitternacht im großen Partyzelt spielen. Den Auftakt dabei macht die Blues Rock-Formation Blind Bankers, inzwischen sehr beliebter Dauergast des Motorcycle Jamboree. Im Anschluss gibt es mit Rosis Rockets eine kleine Überraschung. Hierbei handelt es sich um eine Rock'n'Roll-Band, die zum größten Teil aus Dresden stammt, und dort regelmäßig in Rosi's Kneipe spielt.
Prominentestes Mitglied der Formation ist kein Geringerer als Guss Brooks, Bassist von The Boss Hoss. Na wenn das mal nicht ein Grund ist, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Die Band spielt nämlich erst weit nach zwei Uhr.
Am nächsten Morgen heißt es rechtzeitig auf dem Jamboree zu sein, denn zum einen laufen die Highland Games, und zum anderen spielt gleich zu Beginn ein Freund von uns mit seiner Band. Aber schauen wir erst einmal bei den Games zu, die vom Dudelsackpfeifer von BON The AC/DC-Show begleitet werden. Feldsteinweitwurf, Tauziehen, und was sonst noch so in den kargen Höhen Schottlands zum Zeitvertreib gespielt wird. Das Publikum steht dicht gedrängt um nichts zu verpassen, und sich köstlich zu amüsieren. Natürlich werden die Gewinner, wie schon Tags zuvor, mit handgefertigten Preisen bedacht.
Um 14:30 Uhr widmet sich dann die Biker-Schar wieder dem musikalischen Bühnenprogramm. Eröffnet wird der Samstag mit einem 'Gitarrengott' aus Berlin. Weil er und seine Band es so eilig haben den Olymp zu erklimmen, kommt das Quartett auch gleich mit einem Feuerwehrwagen auf das Gelände. In neuen Farben, und mit einem Porträt des Bandleaders lackiert, wird der Wagen neben der Bühne als Blickfang platziert. Jimmy Gee prangt in großen Buchstaben auf der Seite, und einige nette Damen bieten aus den geöffneten Stauräumen die Debüt-CD zum Erwerb an.
Jimmy dürfte einigen Stammgästen des Jamborees noch im Ohr sein. Vor zwei Jahren hat er mit seiner Band im Partyzelt gespielt und bei der Preisverlosung drei Gibson- und Epiphone Gitarren vorgeführt. Damals noch mit anderen Musikern und hauptsächlich Hard Rock im Gepäck, hat sich seine musikalische Richtung nun etwas ausgeweitet. Die Band legt sogleich mit einem Soundgewitter los, und präsentiert das Epik-Werk "Destiny" von der neuen CD Rock'n'Roll Will Never Die. Sofort erkennt das geschulte Ohr die Stärken von Jimmy an der Gitarre: Schnelligkeit und Präzision. Er ist ein Hexer, was seine Fingerfertigkeit angeht, und um mich herum, im Publikum, vernehme ich nur erstaunte Kommentare. Sein Programm ist sehr ausgewogen, bietet etwas aus fast jeder Musikrichtung. Natürlich darf ein Gitarrensolo von ihm nicht fehlen, welches die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hinreißt. In der Tat, Jimmy beherrscht alle Facetten des Gitarrenspiels.
Eigentlich ist eine Steigerung nun kaum noch möglich, aber der Meister scheint sich gerade erst warm gespielt zu haben. Neben ihm am Bass, steht Ingo, der nebenbei noch in einer Rolling Stones-Coverband spielt. Get Stoned heißt die Formation, die ebenfalls bereits weit über die Grenzen Berlins bekannt ist. Dass er neben einem sehr guten Bass-Spiel auch noch hervorragend singen kann, zeigt er bei dem Stones-Klassiker "Honky Tonk Woman", dem er seine Stimme verleiht. Jimmy Gee spielt normalerweise nur Eigenkompositionen, hat aber aus Anlass des Jamborees ein paar kleine, bekannte Cover eingestreut, die die Fangemeinde immer wieder erfreuen. Neben dem Stones-Stück bringt er noch "TNT" von AC/DC, und zu Ehren des ein paar Tage zuvor verstorbenen Ex- Deep Purple Keyboarders Jon Lord, natürlich deren Hymne "Smoke On The Water". Als originelle Einlage spielen Jimmy sowie Keyboarder und zweiter Gitarrist Eda den berühmten Riff wechselseitig. Leider geht es der Band ebenso wie den meisten, die als Erste am Tag spielen, es sind einfach zu wenig Zuschauer vor der Bühne.
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Um ausreichend Zeit für einen Bühnenumbau zu haben, findet eine neue Attraktion beim Jamboree statt. Angekündigt im Partyzelt, wird das notwendige Utensil wegen des tollen Wetters kurzerhand vor der Bühne aufgebaut. Das Utensil ist ein Boxring, in dem von verschiedenen Sportvereinen K1 Freefight-Kämpfe gezeigt werden. In den unterschiedlichen Gewichtsklassen, sowie in den Kategorien Männer und Frauen, wird eine Mischung aus Boxen und asiatischem Kampfsport vorgeführt, bei der es recht hart zur Sache geht. Wie schon bei den vorangegangenen Vorführungen wird auch hier bis zum Sieg gefightet, und die Gewinner prämiert. Auch hier entwickelt sich innerhalb weniger Minuten ein gewaltiger Andrang um den Ring, da sind wir schon froh, dass wir uns das Ganze von der höher gelegenen Bühne ansehen können.
Die nächste Band auf unserer langen Liste nennt sich selbst 'Die bunte Haut im Schottenrock'. Gemeint sind die Limited Booze Boys aus Thüringen. Nackte, tätowierte Oberkörper, Schottenröcke, fette Gitarrenriffs, viel Feuer auf der Bühne, und im Hintergrund ein Mönch am Bass! Wie passt das denn zusammen? Nun, einer muss ja für sittlichen Beistand sorgen, wenn die Frontline ständig über die Stränge schlägt.
Wir werden vorher schon gewarnt, nicht allzu nah an die Bühnenkante zu gehen, um zu fotografieren. Der Rat ist sinnvoll, denn die Hitze der Flammenwerfer ist kaum auszuhalten. Ich komme mir vor wie unter Dauerfeuer. Meine Versuche, gute Bilder der Musiker im Flammenmeer einzufangen, scheitert oft daran, dass mein Auslöser einfach nicht schnell genug ist. Deshalb gebe ich nach einigen Songs auf, ziehe mich etwas zurück, und genieße das Spektakel aus der zweiten Reihe. Die Band rockt dabei, was das Zeug hält. Manchmal vielleicht etwas zu heftig, doch die Fans wollen es anscheinend so, denn der Platz vor der Bühne füllt sich zusehends. Nicht umsonst sind die Limited Booze Boys bei vielen Biker-Treffen gern gesehene Gäste, und beim Jamboree wird das mit Sicherheit auch nicht ihr letzter Gig gewesen sein.
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Immer ein besonderes Fest ist die Vergabe der Pokale für die schönsten, ältesten und ungewöhnlichsten Motorräder. Nicht zu vergessen, wir befinden uns auf einem Biker-Treffen, und die Musik dient eigentlich nur zur Untermalung der Veranstaltung. So ist es auch hier üblich, dass sich Privatleute und Customizer mit ihren Kreationen in einem großen Zelt präsentieren. Die Besucher können mit Stimmzetteln entscheiden, welches der Bikes in den verschiedenen Kategorien ihren Geschmack am besten trifft. Unter anderem gehen in diesem Jahr wieder Auszeichnungen an Gäste aus Skandinavien und osteuropäischen Ländern. Filigrane Arbeiten bis ins kleinste Detail werden ebenso honoriert wie außergewöhnliche Lackierungen. Manchmal liegen große Custom-Werkstätten mit ihren Umbauten weit vorne, aber sehr oft gewinnen auch die Leute, die ihre Fahrzeuge über Jahre in mühevoller Kleinarbeit selbst verändert haben und voller Stolz die Rampe vor der Bühne empor fahren, um den Lohn ihrer Arbeit in Form von Applaus und einem Preis entgegen zu nehmen. Überschattet wurde die Prämierung in diesem Jahr von einem leider sehr traurigen Fall. Im Bike-Show Zelt ist uns beim Rundgang ein kleines Fahrzeug ins Auge gestochen, das nach einem kompletten Eigenbau ausieht. Gut gemacht, denken wir uns noch dabei. Und siehe da, der Besitzer wird mit seinem Motorrad außer Konkurrenz auf die Bühne gebeten. Dreiundsiebzig Jahre alt und aus der Nähe der Schweizer Grenze. Für die Anerkennung seiner tollen Leistung wird der Mann vom Born To Be Wild MC beschenkt. Große Freude auf seinem Gesicht, und mit dem Applaus der Vielen vor der Bühne, schiebt er sein Modell die Rampe hinunter, um im nächsten Moment zusammenzubrechen und ausgerechnet in einen Graben zwischen Bühne und Rampe zu stürzen. Natürlich eilen sofort viele Helfer des Ordnungsdienstes zu Hilfe und bringen den regungslosen Mann hinter die Bühne. Dort wartet bereits der ständig backstage postierte Notarzt und macht die Erstversorgung. Als ich nach der Bike Prämierung nach hinten gehe, geht es ihm schon wieder besser. Zur Sicherheit wird er aber in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht. Großer Dank an alle Helfer, die den Mann vor Schlimmeren bewahrt haben.
Nach so einem traurigen Anlass wieder zum Thema zurückzufinden ist manchmal nicht ganz einfach. Schließlich kann es jedem im Leben einmal so ergehen. Dennoch blicke ich immer positiv in die Zukunft, und freue mich auf den weiteren Verlauf der Veranstaltung.
Wie des Öfteren, so trifft auch hier das Schlagwort 'Je später der Abend, um so lieber die Gäste' voll ins Schwarze. In den Anfangsjahren des Motorcycle Jamboree wurden oftmals AC/DC-Coverbands angeheuert. Die Musik der Australier kommt auf solchen Veranstaltungen immer gut an. Allerdings sprengt das Original inzwischen mit seiner Gage die Millionengrenze und deshalb muss man leider mit einer Coverband zufrieden sein. Muss man das wirklich? Wie ich finde, kann man stolz sein, solche guten Bands in den eigenen Reihen zu haben. Derer gibt es in Deutschland viele, aber das Jamboree präsentiert die mit Abstand beste. BON aus Berlin, im letzten Jahr zur besten Coverband in Europa gekürt, geben sich die Ehre, im Jahre 2012 hier spielen zu dürfen. Ihr Erfolg muss sich herumgesprochen haben, denn große Fanmassen finden sich um 20:00 Uhr vor der Hauptbühne ein, um sich die gnadenlose Rock-Show reinzuziehen. Als Lead-Gitarrist Dennis Young nach dem Intro des Dudelsackpfeifers die Riffs von "It's A Long Way To The Top" anreißt, gibt es bei den Fans kein Halten mehr. Dass es für eine Band ein langer Weg nach oben sein kann, wird so mancher Musiker sicherlich bestätigen. Die Mehrheit der Musiker erreicht das Ziel nie, BON sind bereits angekommen. Mehr als fünftausend Menschen huldigen dieser Tribute-Band, die es zum musikalischen Lebensinhalt gemacht hat, zu Ehren des viel zu früh verstorbenen Bon Scott, seinen Namen zu tragen, und sich ausschließlich mit den ersten fünf Longplayern von AC/DC mit eben Bon zu identifizieren.
Sänger Shorty Le Bon und Gitarrist Dennis Young sind bei der Show die Eckpfeiler der Band. Verkleidungskünstler Shorty schlüpft in verschiedene Rollen, die zum Teil aus alten Videos ihrer Vorbilder (speziell von der "Familiy"-DVD) stammen, und treibt es dabei so weit, bis er bei "Jailbreak" vom Roadie Lars in klassischer Bobby-Uniform, auf der Flucht erschossen wird. Großes Kino auf der Bühne, perfekt inszeniert, und vom Publikum frenetisch umjubelt. Dennis an seiner weinroten Gibson SG spielt nicht nur so gut wie sein Idol Angus Young, sondern kopiert ihn in Gestik und Mimik bis zur Perfektion. Selbst der qualmende Schulranzen, Markenzeichen des kleinen Gitarristen aus Australien fehlt nicht bei "Let There Be Rock". Ebensowenig wie die Angus-Teufelskappe bei der Zugabe "Highway To Hell". Dazwischen werden alle bekannten Titel aus der Anfangszeit von AC/DC gespielt. Die Set-Liste liest sich dabei wie eine Best-Of-Doppel-CD der legendären australischen Band. Auch der berühmte Striptease bei "Bad Boy Boogie" darf während der Show nicht fehlen. Dennis zieht blank, und Tausende jubeln.
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Mein Kollege Mike, großer Fan vom Original und Freund der Coverband, ist in seinem Element. Er filmt die komplette Show, rennt sogar hinter Dennis hinterher, als dieser sich auf den Schultern des BON-Roadies Lars mitten durch die Menge treiben lässt und er anhand der in dem Schulranzen platzierten Rauchbomben fast einen Asthmaanfall erleidet. Ich bin ebenfalls dem Wahn verfallen und kann meinen Finger nicht vom Kameraauslöser entfernen. Bei dieser Gelegenheit möchten wir uns bei all denen entschuldigen, denen wir vielleicht manchmal im Weg standen, als wir fotografiert und gefilmt haben. Wir haben uns bemüht, immer möglichst wenig zu stören. Manchmal lässt es sich aber nicht vermeiden, dass wir einigen vor die Pupille gelaufen sind. Dafür liefern wir für die Fans und unser Mag tolle Bilder und Videoclips von den Bands, die wir filmen durften. Somit können auch diejenigen teilhaben, die leider nicht dabei sein konnten.
Inzwischen macht sich der Headliner das Samstages hinter der Bühne bereit. Mike und ich machen noch einen kleinen Smalltalk mit Stumpen, Sänger und Vorturner von Knorkator, der im richtigen Leben Gero Ivers heißt. Dass dabei nichts Produktives herauskommt ist jedem klar, der die Band und deren Interviews kennt.
Bei unserem kleinen Gespräch im Backstage-Bereich, bietet sich mir Stumpen als sein Sklave an. Wer kann schon so ein Angebot ablehnen, und ich greife bestimmend zu. Ich scheuche ihn erst einmal an den Tresen hinter der Bühne, um mir etwas Kühles zu trinken zu organisieren. Natürlich muss er für Fotos und Autogramme herhalten, und dient nicht nur mir, sondern auch seinen Bandkollegen Alf Ator und Buzz Dee als Dienstbote des Abends. Jedenfalls haben wir alle unseren Spaß, und verpassen beinahe den Gongschlag zum Konzert.
Auf der Bühne ist die Band wieder in ihrem Element. Stumpen, barfuß im gepimpten Taucheranzug, hetzt von einer Seite zur anderen. Immer die Zuschauer im Visier, um bei passender Gelegenheit einen Scherz an den Mann oder die Frau zu bringen. Bereits nach dem ersten Song, "Der ultimative Mann", scheint ihm der Anzug zu warm zu sein. Mit Hilfe von Buzz Dee entledigt er sich kurzerhand dieses Teils. Drunter ein hauchdünner Turnanzug, und wiederum darunter nichts. Wie selbstverständlich befummelt er sich ständig im Schritt, und macht auch keinen Hehl daraus, stets darauf hinzuweisen, was er da gerade so treibt. Am deutlichsten bekommt das eine Fotografin zu spüren. Zum Glück bin ich während des Fotografierens einige Schritte nach hinten gewichen, um ein besseres Panorama zu bekommen, als er sich ihr zuwendet und sie auffordert, ihm ihre Kamera zu geben. Da sie nicht kapiert, was er von ihr will, wird er energischer, und fordert sie mit den Worten »Gib endlich dein Scheißding her, nun mach schon, her mit der Scheiße« auf, ihm die Knipse zu geben. Er hat damit nichts besseres zu tun, als sich den Apparat in den Anzug zu stecken, sich so lange zu schütteln, bis er unten angekommen ist und ihn dann kräftig an seinem Dödel zu reiben und dieses auch noch lauthals zu beschreiben, wie geil sich das anfühlt. Er hat, wie gesagt, keine Unterhose an, und die Kamera kommt in den 'Genuss', dichter denn je am Objekt der Begierde zu sein, sofern man ihn lieb hat. Damit er die Handpocket nach den Reibereien wieder hervor kramen kann, bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinem kleinen Freund die Menge vor der Bühne zu zeigen. Um der Sache noch die Krone aufzusetzen, leckt er die Linse der Kamera ab, macht ein Foto von sich selbst und reicht ihr das versiffte Teil zurück. Na danke schön, der Abend wäre für mich gelaufen. Nun ja, immerhin hat sie ein Foto vom Shouter, dass auch nur ihr gewidmet ist.
Aber Stumpen kann Kameraleuten auch sehr positiv gegenüber eingestellt sein. Um das zu erfahren, sind akrobatische Künste im hohen Alter gefragt. Die Fotografen werden aufgefordert auf die Bühne zu klettern. Ein Glück bin ich noch einigermaßen in Form, und schaffe das mit dem ersten Sprungversuch. Andere stellen sich zum Gespött der Zuschauer weniger behände an. Stumpen muss mit anfassen, um der eben bereits erwähnten Fotografin auf die Bretter zu helfen. Am Arm zerrt er sie nach oben, natürlich nicht ohne den passenden Kommentar abzulassen. Mit »Beweg mal deinen Arsch, mein Gott bist du schwer, was bringst du denn auf die Waage?«, treibt er sie zur Höchstleistung an. Als Belohnung bekomme ich tolle Bilder der Band mit dem Publikum im Rücken. Stumpen, der Vorturner, muss in seinem vorangegangenen Leben wohl wirklich Turner gewesen sein. Mit einem lockeren Hüpfer springt er aus dem Absperrzaun vor die johlenden Meute und balanciert munter darauf hin und her, nicht ohne sich dabei von allen überall begrapschen zu lassen.
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Bewundernswert, während des gesamten Konzertes von Knorkator, spielt Gitarrist Buzz Dee mit versteinerter Miene. Ohne jegliche Gefühlsregung und völlig teilnahmslos steht er auf der Bühne. Er bewegt sich kaum, aber wer ihn genau beobachtet, stellt fest, dass er ein Meister an der Gitarre ist. Seinen Riffs ist es zu verdanken, dass die Mischung aus hart und zart das Publikum begeistert. Mal spielt die Band dermaßen heavy, dass sich andere Bands dieses Genres mehrere Scheiben abschneiden können. Zum anderen aber auch so sanft, um zum Träumen einzuladen. Manchmal beides innerhalb eines Stückes.
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Keyboarder und zweiter Sänger Alf Ator gibt sich, wie so oft auf der Bühne, als in sich gekehrter, meditierender Guru. Im Flattergewand steht er hinter seinen Tasten; so lange, bis er von Stumpen von der Kette gelassen wird. Er ist die gespaltene Persönlichkeit der Band, strahlt dabei die totale Ruhe und Zufriedenheit aus, bis er böse wird. Im gleichnamigen Song lässt er sein 'zweites Ich' frei und entwickelt sich zum Tier auf der Bühne. Aber über allem steht nach wie vor der kleine Wicht namens Stumpen. Wenn er anfängt vom »Ficken« zu singen und dabei eindeutige Bewegungen vorführt, grölt die ganze Menge vor der Bühne. Geschätzte zehntausend Fans haben sich zur Knorkator-Show versammelt, und werden voll und ganz befriedigt. Zwar gibt es unter ihnen einige, die bei manchen Songs lauthals »Aufhören« skandieren und die Aktionen 'on stage' mit Buh-Rufen honorieren, aber die sind merkwürdigerweise bei fast allen Konzerten der Band aus Berlin dabei. Ich frage mich nur, was die da wollen, wenn sie von vornherein wissen, dass die Musik nicht ihr Geschmack ist und die Texte sehr zweideutig sind. Niemand zwingt sie dazu, sich das anzusehen oder anzuhören. Der Platz ist groß genug, um auszuweichen. Trotz allem, das Konzert ist sensationell gut. Knorkator haben Mitte August in Berlin ihr Heimspiel in der Zitadelle Spandau. Bestimmt wird mich mein Weg dort hin führen.
Kein Jamboree ohne Verlosungen und ohne Miss-Wahl. Wie jedes Jahr kommt eine nagelneue Harley-Davidson in den Lostopf. Zum Preis von 3,00 Euro pro Los greifen die meisten gleich mehrfach zu, um die Chancen zu wahren. Moderator Jott Zet, alias 'Knicki Knacki in da House, Yeeeeaaah!' ist erneut in seinem Element. Zu später Stunde wird seine Moderation der Verlosung und der Wahl der schönsten Dame zu einem Spektakel. Für ein Jahr darf diesen Titel der Miss Jamboree die Freundin des Drummers Holle von BON für sich in Anspruch nehmen. Auch ohne dass sie ihre Brüste zeigt, gewinnt sie locker und stellt ihre Mitbewerberinnen, die zum größten Teil leicht bis gar nicht bekleidet anmutig ihre Kurven zeigen, in den Schatten.
Für Mike und mich neigt sich ein gelungener langer Tag dem Ende. Nach dem großen Feuerwerk, untermalt von stimmungsvoller Musik, spielen zum Abschluss der Live-Performance Ascaris im Partyzelt. Sie bringen eine Mischung aus Punk, Metal und Hardcore und geben den letzten Musiksüchtigen noch eine fette Dröhnung mit auf den Weg. Endgültig Ende ist erst bei Sonnenaufgang. Die Zeit bis dahin wird, wie jede Nacht, von diversen DJs in den verschiedenen Partyzelten mit Musik jeden Geschmacks gestaltet.
Das Motorcycle Jamboree des Born To Be Wild MC ist inzwischen seit zweiundzwanzig Jahren eine Institution in Deutschland und aus keinem Partykalender wegzudenken. Perfekte Organisation, eine gute Auswahl an Unterhaltung, traditionelle Aktionen, sowie eine tolle Mischung von Bands sorgen dafür, dass die Veranstaltung jedes Jahr mehr Besucher anlockt. Zum Glück ist das gewaltige Gelände weiter ausbaufähig, sodass keine Engpässe entstehen können. Zwischenfälle gibt es keine, oder kaum nennenswerte. Jeder Besucher, ob jung oder alt, mit oder ohne Motorrad, ist herzlich willkommen. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Der Eintrittspreis von 25,00 Euro für alle Veranstaltungstage inklusive Camping plus sehr umfangreichem Angebot an Unterhaltung, ist mehr als korrekt. Was will das Biker-Herz mehr?
Das Team von RockTimes möchte sich beim Veranstalter, dem Born To Be Wild MC, und allen Helfern bedanken. Wir durften ungehindert unsere Arbeit machen und hoffen, einen kleinen Teil zum Gelingen beigetragen zu haben. Vielen Dank für alles, und Auf Wiedersehen im nächsten Jahr. Und wer ein paar optische Eindrücke gewinnen will, kann hier mal vorbeischauen.
Bands:
Cashley
Mac Blues Bulldog Zap
Mandados Del Cielo
Cultus Ferox
The Sweet
Haudegen
Blind Bankers
Rosis Rockets
Jimmy G.
Limited Booze Boys
BON The AC/DC Show
Knorkator
Ascaris
Line-ups:
Cashley:
Mr.Cashley (vocals, guitar)
Timo Cashley (bass)
Jens Cashley (drums)
Mac Blues Bulldog Zap:
Sepp (vocals, guitar)
Martin (guitar)
Tobi (bass)
Dirk (drums)
Mandados Del Cielo:
Onkel Kreutz (vocals)
Frank (bass)
K@rsten (guitar)
Daniel (drums)
Rico (drums)
Cultus Ferox:
Der heilige St. Brandanarius (vocals, alle Blasinstrumente, alle Saiteninstrumente)
Strahl der Animator (drums, vocals)
Donar von Avignon (drums)
Feuerteufel (Blasinstrumente)
Kaiser Schmarrn (drums)
El Böslinger (flute)
Barbara von Bogenstreich (alle Streichinstrumente)
The Sweet:
Andy Scott (guitar, vocals)
Peter Lincoln (vocals, bass)
Bruce Binsland (drums)
Tony O'Hara (keyboards, guitar)
Haudegen:
Hagen Stoll (vocals)
Sven Gillert (vocals)
Blind Bankers:
Onkel Pelle (vocals, guitar)
Kirk De Burgh (bass)
Danny BB65 (drums)
Rosis Rockets:
Gus Brooks (bass)
Jan von Spoon (bass)
The Josh (vocals, guitar)
The Stig (drums)
Matt 'Cherry Bomb' Tresnak (drums)
Martin 'Junior' Waner (keyboards)
Jimmy G.:
Jimmy G. (vocals, guitar)
Ingo (bass, vocals)
Paavo (drums)
Eda (keyboards, guitar, vocals)
Limited Booze Boys:
Tom (vocals, keyboard)
Henning (guitar)
Koppi (guitar)
Harti (bass)
Wanze (drums)
BON:
Shorty Le Bon (vocals)
Randy (guitar)
Danny (bass)
Holle (drums)
Dennis Young (guitar)
Knorkator:
Stumpen (vocals)
Alf Ator (vocals, keyboards)
Buzz Dee (guitar)
Nick Aragus (drums)
Rajko Gohlke (bass)
Ascaris:
Säsch (vocals)
Vic (drums)
Geo (bass)
Chriz (guitar)
Gert (guitar)
Set Listen (soweit vorhanden)
Mac Blues Bulldog Zap:
01:Angel Of Mercy
02:Cadilliac Walk
03:You Got Me Running
04:House Is Rockin'
05:River Song
06:I Don't Need No Doctor
07:Mein bester Freund
08:John Barleycom
09:Blues vom alten Freund
10:Hey Baby
11:Sonntag
12:Blackstream
13:When A Blind Man Cries
14:Dat Crawfish
15:White Trash Girl
16:Heartless Land
17:Living For The City
18:Staight To Hell
19:Gimme All Your Love
20 Here I Go Again
Mandados Del Cielo:
01:Hier sind die Onkelz
02:Danke dem Herrn
03:Ich bin in Dir
04:Finde die Wahrheit
05:Buch der Erinnerung
06:Leere Worte
07:Nekrophil
08:Ich lieb mich
09:Dunkler Ort
10:Die Firma
11:Keine Amnestie für MTV
12:Feuer
13:Terpentin
14:Nichts für die Ewigkeit
15:Nur die Besten sterben jung
16:Nur wenn ich besoffen bin
Cultus Ferox:
01:Intro
02:Heimatlied
03:Götterdämmerung
04:Blendwerk
05:Goldene Zeiten
06:Albane
07:Sahra
08:Angst
09:Martyrium
10:Aussatz
11:Bettellied
12:Ahoii
13:Helden
14:Brenner
Jimmy G.:
01:Destiny
02:She's Got The Money
03:I'm Bad
04:Rock'n Roll Will Never Die
05:Fly With The Angels
06:Join Me
07:Enjoy Your Life
08:Honky Tonk Woman
09:Colder Than Ice
10:TNT
11:I Feel Blue
12:Smoke On The Water
BON:
01:It's A Long Way To The Top
02:Hell Ain't A Bad Place To Be
03:Rock'n Roll Demnation
04:Baby Please Don't Go
05:Jailbreak
06:Touch Too Much
07:Bad Boy Boogie
08:The Jack
09:Can I Sit Next To You Girl
10:Dirty Deeds Done Dirt Sheeps
11:If You Want Blood, You Got It
12:High Voltage
13:Whole Lotta Rosie
14:TNT
15:Let There Be Rock
16:Highway To Hell
Knorkator:
01:Der ultimative Mann
02:Buchstabe
03:Fickn
04:All That She Wants
05:Ma Baker
06:Es kotzt mich an
07:Eigentum
08:Refräng
09:Du bist Schuld
10:Bleib stehn
11:Du nich
12:Alter mann
13:Klonen
14:Böse
15:Kurz und Klein
16:Konflikt
17:Weg nach unten
18:A
19:Wir werden alle sterben
20:Fans
21:Warum
Externe Links:
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