Neuborn Open Air Festival (NOAF)
24. und 25.08.2012, Wörrstadt - Am Neuborn
Flyer Neuborn Open Air Festival (NOAF)
Wörrstadt - Am Neuborn
24. und 25.08.2012
Foto: ©Hagen Schuler
Event
Stil: Metal


Artikel vom 17.10.2012


Marius Gindra
Bereits zum dritten Mal in Folge besuchte ich im Namen von RockTimes das Neuborn Open Air Festival in Wörrstadt (kurz: NOAF), das wohl einzige Rock- und Metal-Festival in Rheinhessen. Die beiden Jahre zuvor wurden leider - ganz besonders 2011 - von schlechtem Wetter mit jeder Menge Regen, welcher das Gelände am Ende in eine einzige Matschwüste verwandelte, überschattet. Von hochsommerlichen Temperaturen und dauerhaftem Sonnenschein war zwar auch 2012 nicht übermäßig viel zu spüren, es blieb allerdings trocken und somit für die etwas piensigeren Gäste auch erträglich. Let's Go:
Freitag, 24.08.
Die erste Band, welche ich mir am Freitag ab 17:15 Uhr anschaute, waren Vanden Plas aus der Pfalz. Ihr anspruchsvoller, astrein gespielter Progressive Metal, der mich permanent an eine klein bisschen softere Variante von Dream Theater erinnerte, konnte zwar der jedes Jahr - leider! - wieder zuhauf vertretenen 'Wacken-Dorfjugend' lediglich Fragezeichen auf die Stirn zaubern, wird aber vereinzelt anwesenden Proggies sicherlich gefallen haben. Ich persönlich habe zwar in diesem Genre andere Favoriten, muss aber gestehen, dass mir das handwerkliche Können und Zusammenspiel der Band sehr positiv auffiel. Da sind echte Könner am Werk!
Anschließend gab's die mittlerweile auf einem Festival mit Metal-Bands schon fast nicht mehr wegzudenkende Retro-Thrash-Vollbedienung in Form von Evile. Die Briten, mittlerweile so erfolgreich, dass man auf dem Backdrop schon Jägermeister als Sponsor hat, zockten sich souverän durch ihr bisheriges Schaffen. Ein guter Teil bestand aus Songs des aktuellen, für mich allerdings etwas unspannenden "Five Serpent's Teeth"-Scheibchens, zu denen das Publikum meines Erachtens am meisten steil ging. Zum Ausgleich kamen dafür allerdings auch ein paar Songs des damals den Underground umgrabenden Enter The Grave-Debüts von 2007, darunter die Bandhymne "Thrasher". Fazit: Man kann Evile mittlerweile als würdige Erben von Metallica in ihrer 80er-Phase sehen. Mal schauen, zu was es diese vier Thrasher noch alles bringen.
Der Hauptgrund für mich, schon einmal am Freitag vorbeizuschauen, war natürlich nicht Vanden Plas oder Evile, sondern - ganz klar! - Vicious Rumors. Wenn ich mich nicht verzählt habe, durfte ich die kalifornischen US Metal-Götter an diesem Abend zum nunmehr achten Male, davon sechs Mal innerhalb von 24 Monaten live bewundern. Und dennoch ist es jedes Mal erneut pure Leidenschaft, sich ein Konzert von Geoff Thorpe und seiner Mannschaft anzuschauen. Ab dem vom Band tönenden "Digital Dictator"-Intro (das bei diesem Gig erstmals nicht in den gleichnamigen Song, sondern in "Murderball" von Razorback Killers überging) wurden die (wie so oft) viel zu spärlich vertreten US Metal-Maniacs in einen ca. einstündigen Rausch katapultiert, der bis zum allerletzten Ton anhielt. "Minute To Kill", "Soldiers Of The Night", "Abandoned", "Don't Wait For Me", "Lady Took A Chance": Hier wurde kein Rumors-Fan enttäuscht. Die Setlist bestand neben aktuellen Stücken größtenteils aus den Klassikern der Carl Albert-Ära, was allerdings bei den paar gesehenen Shows zuvor auch nicht anders war. Einziger Kritikpunkt einer ansonsten großartigen Show war der Sound: Die Fans, die sich direkt in die erste Reihe stellten, konnten anfangs die Vocals von Brian (der während der Show wieder wie ein Psycho über die Bühne wackelte...) kaum bis gar nicht hören, lediglich ein paar ganz hohe Schreie drangen da zu Beginn hervor. Wie es weiter hinten war, kann ich nicht sagen, aber nach ungefähr dem ersten Drittel der Show besserte sich das ja auch merklich. Tja, was bleibt dazu letztendlich zu sagen? Betet zum Metal-Gott, dass uns die momentan wohl vitalste aller US Metal-Bands noch gaaaaanz lange erhalten bleibt.
Die anschließenden Terror und ganz besonders Caliban als Headliner konnten mir - und sicherlich auch jeder Menge anderen Metalheads - völlig gestohlen bleiben. Für die Core-Fraktion war das sicherlich eine schöne Sache, aber die Headbanger-Abteilung konnte abends gemütlich um Elf ins Bettchen, ohne etwas zu verpassen. Ich fuhr auf jeden Fall gegen 21 Uhr wieder in Richtung Heimat, denn wenn ein Festival nur 25 km vor der eigenen Haustür stattfindet, kann man auch in den vertrauten Federn pennen.
Samstag, 25.08.
Unterstützt von meinen Metal-Brothers Giovanni und Hagen, die mal wieder Lust hatten, sich 'ne gute alte Teutonen-Thrash-Combo reinzupfeifen, ging es am späten Nachmittag erneut auf nach Wörrstadt. Pünktlich zum Forsaken-Gig (Beginn: 18:15 Uhr) stand ich dann wieder aufmerksam vor der Bühne, denn einen solch metallischen Exoten darf man sich nicht entgehen lassen. Immerhin hat diese kulturell leider sehr schwach organisierte Region nicht alle Tage die Ehre, von solch göttlichen Underground-Doomern wie den fünf Maltesern beehrt zu werden. Was das Quintett die rund 50 bis 60 Minuten da auf den Brettern zusammenschmiedete, war schlicht und einfach genial. Ihre herzerwärmende Mischung aus Solitude Aeturnus und Candlemass wirkt auf den Hörer einerseits verdammt schwermütig, ist aber auf der anderen Seite emotional höchst ergreifend. Und das schafften sie auch auf dem NOAF, es trotz Tageslicht live so fantastisch herüberzubringen. Wer aufs NOAF lediglich zum hemmungslosen Komasaufen mit der Kiddieclique des örtlichen Jugendzentrums gefahren war, der hatte bei Forsaken jedenfalls reichlich wenig zu suchen. Freut mich, dass Ihr da wart, Jungs! Für nächstes Jahr dann bitte Nomad Son verpflichten.
Anschließend kamen die Power-Metaller von Mystic Prophecy für rund 60-70 Minuten an die Reihe. Die Combo um ihren charismatischen, mit einer kraftvollen, melodischen Stimme gesegneten Frontmann R.D. Liapakis feuerte gleich zu Beginn aus allen Rohren und zog jeden, der mit europäisch geprägtem Power Metal auch nur im Geringsten etwas anfangen kann, sofort in ihren Bann. Das Zusammenspiel war astrein und der Sound glasklar und differenziert. Ein absolutes No-Go war allerdings das grauenvolle Cover von "Paranoid": Wenn man den Text halt nicht kann, soll man es gefälligst sein lassen und nicht irgendeinen zusammenhangslosen Müll ins Mikro nuscheln... Abgesehen davon war die Show allerdings ohne weitere Mängel unterhaltsam und kurzweilig!
Crematory sind zugegebenermaßen weniger mein Fall. Wir haben es während der Show bevorzugt, uns auf dem Parkplatz von der zweiten Ironsword-Scheibe (hammermäßiger Manilla Road/ Omen-Worship aus Portugal) beschallen zu lassen.

[Natürlich war RockTimes gut vertreten und so haben Andrea und Jens den Crematory-Part übernommen]:
Während also die Jungmetaller Ironsword (die ja wirklich gut sind) vorzogen und sich verzogen, blieb der ältere Teil der Rheinhessen-Metal-Fraktion (welcher ebenfalls Samstag anwesend war) auf dem Gelände. Crematoy haben in der Metalszene sehr viel mit Vorurteilen und Ablehnung zu kämpfen, verdienen jedoch durchaus eine faire Bewertung. Ihre noch recht Death Metal-lastige Frühphase gefällt mir sogar ganz gut, später waren sie mir schon oft zu elektronisch. Die Kritik an manchen arg platten deutschen Texten ist ebenso berechtigt, wie die an den recht simplen Keyboards. Dennoch haben sie einige Fans und ihren Status im Gothic Metal. Das NOAF ist für die Pfälzer zudem fast ein Heimspiel. Außerdem eine Chance, sich vor einem gemischten Publikum zu beweisen. Was leider nicht so gelungen ist. Im Gegensatz zu Forsaken, die sich aufgrund dieser Situation so richtig gut ins Zeug gelegt und einen Hammerauftritt hingelegt haben. So hatte ich das auch von Crematory gehofft. Was war denn los, Jungs (+Mädel)? Letztes Jahr im KUZ Mainz kam das besser rüber. Gerade Frontmann Felix sorgte damals für Spaß und Stimmung im Publikum, während dieses Mal seine Sprüche nicht immer auf Begeisterung stießen. Immerhin war die 'Wall Of Gothic' eine originelle Idee. Wer den Humor der Band teilte oder Fan ihrer Musik ist, kam schon auf seine Kosten. Und es waren durchaus einige da, die Songs wie "Tears Of Time" (über den ich mich auch gefreut habe) oder "Tick Tack" (hat zugegebenermaßen auch was…) feierten. Crematory sind nicht so schlecht wie sie oft beschrieben werden, hatten am NOAF aber nicht ihren besten Tag.
Destruction Nachdem 2010 bereits Kreator und 2011 Sodom das NOAF headlinen durften, wurden 2012 Destruction als Hauptact des Samstags bestätigt, um das Dreiergestirn des teutonischen Thrashs im Rheinhessenländchen zu beschließen. Ab 22:30 Uhr hieß es folgerichtig: "The Butcher Strikes Back"! Mit einer Setlist, die zum größeren Teil aus Material der alten Tage bestand und einer sichtlichen Spielfreude metzelten sich Schmier, Mike und Neu-Drummer Vaaver durch ca. 80 Minuten Gerumpel der allerersten Güteklasse. Klar, Songs wie "Nailed To The Cross" oder "Thrash 'Til Death" sind astreine Knüppel-Granaten, doch wenn die Lörracher Songs wie "Total Desaster", "Mad Butcher", "Bestial Invasion", "Life Without Sense", "Satan's Vengeance" (!), "Eternal Ban" (!!), "Death Trap" (!!!) oder die Anti-Monotheisten-Hymne schlechthin, "Curse The Gods", auspacken, schwebt jeder Old School-Thrasher auf Wolke Sieben! Im Vergleich zur Bang Your Head!!!-Show von 2010 war der Sound auch überdurchschnittlich gut abgemischt und die Band in spielerischer Höchstform. Wenn sie weiterhin solch geile Shows wie an diesem Abend abliefern, können die Satansbraten gut und gerne noch die nächsten 30 Jahre durch die Welt touren.
Wer danach noch Bock hatte, konnte sich die Ruhrpott-Knüppler von The Path Of Golconda reinpfeifen. Unser Hunger auf Livemucke war nach einer solchen Legende komplett gestillt und wir fuhren mehr als zufrieden die nötigen 20 Minuten nach Hause, um uns dort noch ein paar Absacker zu genehmigen.
Alles in allem fand ich - besonders im Hinblick auf Wetter (das erste komplett trockene NOAF meines Lebens...) und Atmosphäre - dieses Jahr bisher am besten. Zwar verirren sich immer wieder ein paar seltsame Gestalten auf dieses Festival, die sich demnächst mal überlegen sollten, ob sie das Geld für solch ein Event nicht lieber in den Kölner Karneval investieren. Ansonsten war dieses Jahr alles im Hinblick auf Getränke- und Essenspreise sowie bei der Durchführung seitens der Veranstalter sehr lobenswert und reibungslos. Mal sehen, wer 2013 aus dem klassischen Metal-Spektrum wieder so alles auftrumpft und wenn es nicht wieder zwei Tage Dauerregen gibt, werde ich auch gerne wieder vor Ort sein. Aber liebe, besonders überregionale Kuttenträger: Leistet doch mal bitte euren rheinhessischen Schlachtgenossen nächstes Jahr etwas mehr Gesellschaft... Vielen Dank an den Presseveranwortlichen Daniel Krämer für den Eintrag auf der Gästeliste!
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