Heutzutage kommt es ja bei dem Überangebot an Konzerten und Festivals kaum noch vor, dass man sich, so wie das früher der Fall war (und die älteren Leser werden sich erinnern…), wochen- und sogar monatelang auf ein spezielles Live-Erlebnis freuen kann. Trotzdem gibt es für mich doch das eine oder andere Datum, dass etwas fetter im Terminkalender angestrichen ist und für das ich keine Konkurrenzveranstaltung gelten lasse. So ein Datum war der vergangene 20. Oktober, der mich mal wieder ins belgische Maasmechelen bringen sollte. Die Macher des sommerlichen Rommelrock Festivals und der Metal-Cruise 2000 Tons of Metal hatten sich für das Winterfest einen richtigen Leckerbissen ausgesucht: Hell sollten kommen, zu uns, kaum zu glauben! Zwar waren sie in der ersten Jahreshälfte für eine Handvoll von Shows in unsere Breiten gekommen, so auch zum Rock Hard-Festival auf der ehemaligen Zeche "Nordstern", aber dennoch wuchsen Auftritte dieser Vertreter der NWoBHM bislang nicht unbedingt auf Bäumen und auch in puncto CD-Veröffentlichungen haben sie sich bekanntermaßen 'zurückgehalten' und füllen die Regale nicht meterweise, doch dazu später mehr.
Vor das Vergnügen aber haben die Götter die Arbeit gesetzt, so ähnlich mag man doch landläufig sagen, und ob das auf das 'Vorprogramm' bei diesem Festival zutreffen sollte, musste sich ab ca. 1600 Uhr im Saal Concordia beweisen. Ein volles 'Vor'-Programm in Form von ganzen sechs Bands stand auf dem Zettel und dazu sollte für die Zeit nach Mitternacht auch noch eine After Show-Party ebenfalls mit Live-Mucke steigen. Den Anfang machten die Jungs von Pulver One aus der Region um Tongeren, ein Ort, der einigen Lesern sicherlich wegen des berühmten Flohmarkts bekannt ist. Hier ging es natürlich nicht um alte und verstaubte Schätzchen, die man sich auf kilometerlangen Auslagen angucken konnte, sondern um Metal, der dem noch etwas spärlichen Publikum präsentiert wurde - das Los der Opener bei einem Festival. Noch bewegte sich eine Vielzahl der zahlenden Gäste im Bereich des Parkplatzes und des Imbisswagens und ließ wenig Zweifel am eigentlichen Grund des Kommens.
Danach wurde es echt unterhaltsam, denn die Truppe von Martyr hatte sich angekündigt und es ist eine gottverdammte Schande, dass sich immer noch nicht so richtig viele Zuschauer im vorderen Bereich des Saals einfinden konnten. Einige wenige heftigst mitgehende Metalheads ließen sich trotzdem nicht davon abhalten, unmittelbar am Bühnenrand zu rocken. Die niederländische Metallegende spielte ausschließlich Programm aus der aktuellen CD "Circle Of 8", die vor einem knappen Jahr in die Läden gekommen ist. Blickfang, wie auch bei anderen Shows, die unsere Redaktion sehen durfte, war natürlich erneut Frontmann und Rampensau Rop van Haren, der unerbittlich für kurzweilige Unterhaltung sorgte. Neben seinem überzeugenden Gesang, gehörten Ausflüge ins Publikum ebenso zum Repertoire wie auch das Verschütten von Unmengen Wasser. Gelungener Auftritt - Respekt!
Mit den Niederländern von Beyond Violet ging es dann sehr weiblich weiter, wenn auch neben der Frontfrau Roxane und der Keyboarderin Ilona die ehemalige Bassistin Chiara Beltrami nicht mehr mit an Bord ist. Das Debüt am Tieftöner gab just zum Winterfest der erfahrene Joachim van Zoelen, der nicht nur für multiple andere Bands in Europa gespielt hat, sondern mit Vorliebe das Instrument seines Herzens selber baut. Ob es in diesem Fall ein Eigenbau war oder nicht, das Gerät sah sehr interessant aus und wurde logischerweise extrem perfekt bedient. Die Show aus melodischem Metal mit einem Touch von aggressivem Unterton war insgesamt prima inszeniert und man merkte, dass der Band ein Hang zum Perfektionismus zu Eigen ist. Nicht jedem gefallen bekanntermaßen die Metal-Soprangesang-Mischungen und so trieb sich erneut ein Haufen Freiluftfanatiker vor den Türen rum.
Für mich standen auch die weiteren Stunden des Abends unter dem Vorzeichen des freudigen Erwartens, denn neben Hell sollten ein paar mir ebenfalls bekannte Bands aufspielen. FireForce aus der Region um Antwerpen waren als nächstes im Billing ausgewiesen und wie auch schon im Vorprogramm von u. a. Crimson Glory vor einigen Wochen rockten sie die Bude erneut aufs Feinste. Die Jungs stehen bei 7Hard in Deutschland unter Vertrag und haben sowohl eine EP als auch ihre aktuelle CD "March On" unter Produktionsleitung von RD Liapakis (u. a. Mystic Prophecy) aufgenommen. Ihr Heavy / Power Metal kam auf jeden Fall auch hier wieder richtig gut an und besonders Gitarrist Erwin und Frontmann Flype sorgten mit ihrer Bühnepräsenz für zusätzliche visuelle Bereicherung. Zudem steht hier der deutsche Gitarrist und Saitenvirtuose Marcus Forstbauer seit einiger Zeit an der zweiten Klampfe und er hat schon mit internationalen Größen en masse die Bühne geteilt. Mit ihrer beinahe schon obligatorischen Abschlusshymne "Born To Play Metal" gab es noch mächtig Applaus und die Halle kam bei diesem Auftritt so richtig in Wallung.
Nun ging es im ähnlichen female-fronted Stil wie bei Beyond Violetmit den niederländischen Kollegen von Ex Libris weiter, die sich besonders durch ihre Sängerin Dianne van Giersbergen hervortun. Klassisch ausgebildete Sopranistin, frisch diplomiert und an verschiedenen Fronten im Klassikbereich arbeitend, macht sie auch am Metal-Mikro eine gute Figur. Bereits mehrmals hatte ich sie mit den polnischen Power-Metallern von Pathfinder sehen können und ich fand ihre Auftritte immer sehr beeindruckend. Auch bei diesem Festival klang ihre Stimme wieder über allem Metal klar und deutlich durch den Saal und es schien offensichtlich, dass die Band so einige Jünger mitgebracht hatte, denn es war mittlerweile schon ansehnlich gefüllt in den ersten Reihen.
Max Pie, ebenfalls aus Belgien und ebenfalls im Vorprogramm von Crimson Glory und auch bei JOP mit auf Tour gewesen, machten mit ihrer Mischung aus Power und Prog Metal erneut eine gute Figur. Waren zwar Drummer Sylvain und Gitarrist Damien erst unlängst eingestiegen, so muss jedoch eindeutig festgestellt werden, dass sie ihren Platz in der Band gefunden haben. Im komplett neuen Bühnenoutfit präsentierte sich die Truppe höchst professionell. Für mich in diesem Jahr bestimmt der sechste oder siebente Auftritt der Wallonen und sie werden immer besser. Es lohnt sich wirklich, auch mal die (noch) aktuelle CD "Initial Process" intensive anzuhören, die mit Songs wie "A Soldier's Dead", "When You're Gone" oder "Come To My Grave" richtig gute Nummern enthält, die auch live klasse rüberkommen. Dazu versteht es Frontmann Tony perfekt, das Publikum einzubinden und die Flamme hochzuhalten. Unterstützt von Bassmann Olivier, der mit seiner langen Silbermähne zudem ein gutes Fotomotiv bietet, haute der Vierer ein astreines Set in den Saal Concordia und ich freue mich schon darauf, Max Pie ganz bald wiedersehen zu können. Zudem wird mit Hochtouren an einer neuen Scheibe gewerkelt, die demnächst in die Regale kommen soll.
Was dann folgte, kann nur unter 'absoluter Hammer' oder 'Killer-Show des Jahres' oder sonst irgendwas in dieser Richtung verbucht werden. Hell stand ja ganz groß auf dem Plakat und die Hölle sollte in der Tat folgen. Eine für die vorgerückte Stunde ausreichend lange Umbaupause hatte den Verzehr einiger Mexicanos mit Jupiler ermöglicht und bald wurde wieder der Weg in Richtung Bühnenrand gesucht. Hier gab es dann keine Chance mehr auf die erste Reihe und da zwar erfreulicherweise Publikumsnähe ohne Pressegraben angesagt war, musste es die zweite Reihe auch tun. Das Bühnenbild mit angedeuteten bleiverglasten Kirchenfenstern versprach allein von den Motiven her schon etwas aus der Rubrik nomen est omen. Ein Teufel, der dem Betrachter den nackten Arsch zeigt, ein Sensenmann, der gerade dabei ist, einen Kirchenoberen zu erdrosseln, betitelt mit dem Aufruf »Save us from those…« und eine quasi ubiquitäre 666, die einen aus jeder Ecke anlacht. Die Bühnentechniker, in Mönchskutten vermummt, bereiteten letzte pyrotechnische Feinheiten vor und die Erwartung stieg, ja, ich bin kein Freund von Superlativen, ins Unermessliche. Hatte die Band doch eigentlich in den Achtzigern nur wenige Jahre (1982 - 1987) bestanden, hatte sie doch gerade erst mal eine einzige ordentliche Scheibe auf dem Markt ("Human Remains", 2011) und hatte sie ab den frühen 2000er-Jahren wieder einige vereinzelte Auftritte und zu Beginn diesen Jahres eine Tour auch durch Deutschland absolviert, so war das Bedürfnis des Publikums nach diesem endlich-mal-live-Sehen allzu verständlich. Dazu kam natürlich noch die Vorankündigung der Band, ihr komplettes Church Of Hell-Bühnenbild aufzubauen und das gesamte Album zu spielen, inkl. des bis dato noch nie in Europa performten "No Martyr's Cage".
Mit einem bombastischen Intro ging es dann irgendwann los, Bühne komplett in blauem Licht gehalten, Nebel ohne Ende und hämmernde Gitarren. Die Herren Kev Bower und Andy Sneap an den Gitarren, Tim Bowler am Schlagzeug und Tony Speakman am Bass nahmen ihre Positionen auf der Bühne ein und theatralisch inszeniert erschien dann auch Frontmann David Bower. Wie auch seine Kollegen ganz in schwarze Kleidung gewandet, hatte er allerdings als einziger kein weiß angemaltes Gesicht. Stattdessen trug er eine silberne Dornenkrone (noch Fragen?) und dazu diabolische rote Kontaktlinsen. Ohne lästiges Mikro in der Hand unterhielt er den Saal stimmgewaltig in höchsten Höhen und tiefsten Tiefen. Dazu eine Mimik, ein Gebahren, das seine Theater-Herkunft nicht verleugnen konnte. Perfekt in Szene gesetzt spielte er mit nacktem und blutüberströmtem Oberkörper den Geißler, ließ als Pfaffe die Bibel explodieren oder gab den Seuchen-Doktor unter der Mönchskutte - »Bring out your dead!« Nicht ein einziges Grinsen, Lächeln oder eine andere, als positiv zu interpretierende Regung ging über die Gesichter der fünf Musiker, kein einziges Mal. Dazu Höllenfeuer aus Flammenwerfern und passender Funkenflug als Untermalung für diesen ganz speziellen okkulten Metal. Jeder Kritiker der ach so bösen Metallfraktion hätte hier seine helle Freude gehabt. Was an provokanten Denkanstößen, ach was, viel zu lasch ausgedrückt, an offenem Anprangern kirchlicher Missstände hier plakativ auf der Bühne geboten wurde, ist schon ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus gewesen.
Kennt Ihr dieses Gefühl, wenn etwas so gut ist, dass man es fast nicht ertragen kann? Nun, das beschlich mich recht intensiv und ich MUSSTE zwischendurch für ein paar Minuten den Saal verlassen. Draußen war es aber ebenso wenig zu ertragen, verpassen wollte ich ja auch nichts, und so war ich ganz schnell wieder weit vorne unter den komplett ausflippenden Zuschauern. »"Human Remains" in its entirity« war uns versprochen worden und das bekamen wir auch: Diese Scheibe ist der Hammer! Ich möchte bewusst nicht auf einzelne Stücke eingehen, denn die CD verdient eine separate Besprechung hier auf RockTimes. Es soll an dieser Stelle reichen zu sagen, dass die Show MEINE Show des Jahres gewesen ist und ich sehe immer noch die vollkommen begeisterten und verzückten Gesichter vieler Besucher vor mir, die im Anschluss vor dem Concordia erst mal ihre Lungen von dem ganzen Nebel der Zugabe befreien mussten. Unmasked, freundlich, kommunikativ und lustig gaben sich später noch ein paar der Jungs von Hell bei den Fans ein Stelldichein - Kontrastprogramm.
Bei der anschließenden Afterparty ereilte das Schicksal der späten Geburt leider die fantastische Coverband Stormrider, die ein klasse Set aus gutem, altem Metal zum Besten gab. Leider stand ein Großteil des Publikums noch zu sehr unter dem Eindruck des gerade zuvor Erlebten und auch ich konnte mich nicht so richtig einlassen und musste den Abend in kleinerer Runde ausklingen lassen. Für die mal wieder tolle Organisation, den super Empfang und das ganze Drumherum möchte ich mich herzlich bei Koen, Jeke, Karen, Gianni, Nick und Pascal sowie dem fantastischen Team vom Rommelrock Winterfest bedanken und besonders erwähnen, dass die Lichtverhältnisse 1A gewesen sind. Nicht allzu häufig werden die Bitten der Fotografen erhört und eine ausgewogene Beleuchtung angesetzt. Hut ab dafür, dass Ihr so eine Band geholt habt - was kann jetzt noch kommen?
Bilder vom Event
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