Steve Earle / I'll Never Get Out Of This World Alive
I'll Never Get Out Of This World Alive Spielzeit: 37:49
Medium: CD
Label: Blue Rose Records, 2011
Stil: Alternative Country

Review vom 16.07.2011


Markus Kerren
Ein neues Steve Earle-Album ist schon seit Jahrzehnten immer ein Highlight für alle Anhänger des Alternative Country-/Roots Rock-/Americana- (oder wie immer man es nennen will) Genres. Drei Jahre hatte sich der 'Hardcore Troubadour' dieses Mal nach Washington Square Serenade für das Songwriting Zeit genommen (das zwischendurch erschienene, mit einem Grammy ausgezeichnete Townes war eine reine Huldigung (mit den Songs seines Mentors Townes Van Zandt) und - soviel darf ich schon verraten - diese elf neuen Songs haben es in sich. Vor gut fünf Jahren war Earle nach New York City übergesiedelt und arbeitete seither größtenteils im Big Apple, was Musik und auch andere Projekte betraf.
Für das vorliegende "I'll Never Get Out Of This World Alive" fiel seine Produzenten-Wahl auf den viel beschäftigten T-Bone Burnett und bis auf einen Track wurden die neuen Stücke diesmal in Los Angeles eingespielt. Steve griff für diese Produktion auch auf Burnetts Stamm-Band zurück. Sehr erfreulich ist jedoch, dass er seinen ganz eigenen Sound behalten hat. Eine Country-Scheibe hatte die Promotion-Abteilung angekündigt, was in einigen Kreisen zunächst mit skeptischen Gefühlen aufgenommen wurde. Etwas irritierend für mich, denn wer Steve Earle kennt, der sollte auch wissen, dass der Amerikaner gar nicht anders kann, als hohe Qualität mit Ecken und Kanten abzuliefern.
Und erwartungsgemäß ist dies auch bei dem neuen Werk der Fall. Kurz nachdem Steve mit dem Songwriting begonnen hatte, verstarb sein Vater. Ein immer einschneidendes Erlebnis und so handeln sämtliche hier vorhandenen Tracks mehr oder weniger von Vergänglichkeit und Tod. Wobei uns Earle allerdings hier keineswegs mit seiner persönlichen Trauer in untere Gefühlslagen zu stürzen versucht, sondern das Ganze vielmehr - wie alle großen Songwriter - auf seine ganz eigene Weise in den elf Stücken verarbeitet. Auch Ehefrau Allison Moorer ist wieder dabei und liefert für "Heaven And Hell" ein starkes Duett mit ihrem Angetrauten ab.
Steve Earle hatte das letzte Album der Folk-Ikone Joan Baez produziert und "God Is God" ursprünglich für die Scheibe der Chanteuse geschrieben. Irgendwann fand er die Nummer aber zu gut, um sie wegzugeben und nahm sie lieber selbst auf. Eine Gitarre mit Leslie-Effekt führt uns durch die ersten Sekunden, bevor Jay Belleroses trockener Drum-Groove einsetzt und schließlich auch die Akustik-Gitarre und der Gesang hinzukommen. Ebenso gut und mit tonnenweise Feeling ausgestattet ist "The Gulf Of Mexico", das Earle mit einer Solo-Gesangseinlage startet. Immer wieder fällt auch die hervorragend spielende Sara Watkins (fiddle) positiv auf.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es gibt keinen schlechten Song auf diesem Album auszumachen. Vielmehr wird hier eine Perle an die andere gereiht. Sei es das autobiographische "Waitin' On The Sky", das stark von irischen Einflüssen inspirierte "Molly-O", der ehrlich und tief erscheinende Love-Song "Every Part Of Me" oder die Storyteller-Nummer "I Am A Wanderer". "Meet Me In The Alleyway" kommt als düsterer Blues mit - für dieses Album untypischen - Vocal-Effekten. Ebenfalls sehr tiefgehend behandelt "Lonely Are The Free" die endlosen Seelenqualen, durch die ein echter Künstler offensichtlich durch muss, um echte Kunst abzuliefern.
Ein richtiger Gassenhauer mit ausschließlich akustischen Instrumenten stellt "Little Emperor" dar, das - elektrisch verstärkt - zu einem Killer-Country Rock-Song hätte avancieren können, aber auch in der gebrachten Form seine volle Wirkung entfacht. Einen kleinen Höhepunkt dieses durch und durch großartigen Albums hat sich Earle für den Schluss aufgehoben. "This City" erinnert von der Grundstimmung (nicht vom Text, denn hier geht es um die Katastrophe in New Orleans) durch seine trotzige Niedergeschlagenheit etwas an "Fort Worth Blues". Das starke Ende eines starken Albums, das ich bedingungslos empfehlen kann.
Neben all dem hochklassigen Songwriting hat auch Steve Earles Stimme keinen Deut an Power oder Feeling verloren. Allein das - und der Fakt, dass mir (außer mit Abstrichen Guy Clark) spontan kein weiterer seines Genres einfällt, der ihm das Wasser reichen könnte - ist schon ein Grund, weshalb der Mann zu einem der ganz Grossen seiner Zeit gezählt werden muss. Wenn mich Earles Alben zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts auch nicht immer vollkommen überzeugen konnten, so hat er mit den letzten drei Silberlingen doch wieder ganz großes Kino abgeliefert.
Steve Earle wird gegen Ende des Jahres für ganz wenige Konzerte nach Deutschland kommen. Haltet die Augen also auf, denn diese Shows werden garantiert ganz schnell ausverkauft sein.
Line-up:
Steve Earle (acoustic guitars, bouzouki, banjo, mandolin, harmonica, vocals)
T-Bone Burnett (electric guitars, background vocals)
Jackson Smith (electric guitars)
Keefus Ciancia (mellotron)
Greg Leisz (pedal steel)
Sara Watkins (fiddle, background vocals)
Dennis Crouch (acoustic bass)
Jay Bellerose (drums)
Roland Guerin (acoustic bass)
Jonathan Gross (tuba)
Michael Brown (euphonium)
Sammie Williams (trombone)
Tracey Griffin (flugelhorn)
Allison Moorer (lead vocals - #9)
Tim Robbins (background vocals)
Allen Toussaint (horn arrangements and conduction)
Tracklist
01:Waitin' On The Sky
02:Little Emperor
03:The Gulf Of Mexico
04:Molly-O
05:God Is God
06:Meet Me In The Alleyway
07:Every Part Of Me
08:Lonely Are The Free
09:Heaven Or Hell (with Allison Moorer)
10:I Am A Wanderer
11:This City
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