Fates Warning / 07.10.2013, Colos-Saal, Aschaffenburg
Colos-Saal, Aschaffenburg
Fates Warning
Support: Divided Multitude und
The Omega Experiment
Colos-Saal, Aschaffenburg
07. Oktober 2013
Konzertbericht
Stil: Prog Metal

Review vom 15.10.2013


Boris Theobald
Kreative Zyklen lassen sich nicht immer in den Zweijahresrhythmus drängen, in dem die Plattenfirmen gerne neuen Alben promoten würden. Mastermind Jim Matheos hat nach "FWX" neun Jahre vergehen lassen - welch ein Glück! Sonst wäre vielleicht nicht erneut so etwas Großartiges wie "Darkness In A Different Light" (was für ein Titel!) dabei herausgekommen. Nun ergab sich in Aschaffenburg die seltene Chance, Fates Warning on Tour mit neuem Material zu sehen, und das nur eineinhalb Jahre nach ihrem letzten Auftritt im Colos-Saal.
The Omega Experiment Vortritt hatten zwei Vorgruppen. Zunächst hatten The Omega Experiment gleich mehrfach einen schweren Stand. Selbst in Prog-Kreisen sind die Amis kaum bekannt - und dank miesem Sound gab es auch kaum eine Chance, den Fünfer im Klangbrei vernünftig kennenzulernen. Dafür konnten sie nix - das Los der Kleinen. Zum Eindruck des 30-minütigen Auftritts gehört aber auch, dass ihnen die Professionalität und Erfahrung, um in diesem Umfeld zu punkten, noch deutlich abgehen. Auf Platte mag ihr durchaus komplex angehauchter Prog Metal vielleicht ordentlich klingen. Live fehlt aber noch das Selbstbewusstsein; und Sänger Dan Wieten lag schon öfter mal daneben. Der Basser sieht übrigens nur aus wie der Klingone Kang, er isses nicht ...
Divided Multitude Ordentlich zulegen konnten danach die Norweger Divided Multitude. Das hat gerumpelt und gegroovt - ein progressiver Power Metal, der angenehm in der Magengrube grummelt und ein Stück weit hymnischer ausgelegt ist als bei den Vorgängern. Da standen vier langhaarige, headbangende nordische Hünen und ein drahtiger Sänger mit ordentlichen Frontmannqualitäten auf den Brettern. Musikalisch ging es stark in Richtung
Pagan's Mind: Kehlig-melodisch, technisch anspruchsvoll mit kleinen, fiesen Breaks ... wenig innovativ, aber unterhaltsam.
Es stellt sich nur die Frage, ob das als Stimmungsmache für Fates Warning so geeignet ist.
Fates Warning Jetzt aber, endlich! Fates Warning betraten gewohnt schlicht, frei von Show und Posereien, die Bühne - und sorgten gleich für ein paar fragende Gesichter im Zuschauerraum. 'Der hat sich aber gut gehalten', hätte man sich über Frank Aresti denken können ... der nicht Frank Aresti war. Der zweite Gitarrist der Band konnte nicht mit auf Tour, aus beruflichen Gründen. Jawohl, der der Gute hat einen neuen 'richtigen' Job (traurig, wie wenig manche von ihrer Musik leben können), soll aber definitiv künftig wieder für Touren verfügbar sein. Der junge Ersatzmann Mike Abdow, ein ganz ruhiger Zeitgenosse, machte seinen Job (und dazu gehörten an dem Abend ja eine Reihe von Frickelsoli) absolut ordentlich und passte sich spiel- und soundtechnisch gut ein. Gerüchte, wonach es sich doch um Frank Aresti nach diversen Anti-Aging-OPs und mit Extensions handele, konnten bislang nicht bestätigt werden.
Fates Warning Den Einstieg bildete (natürlich) der Opener des neuen Albums: "One Thousand Fires". Perfekt gezockt - und doch waren die Reaktion etwas verhalten. Erst danach gingen die geschätzt 250 Leute (natürlich zu wenig!) so richtig ab: "Life In Still Water"! Man liebt "Parallels", und das völlig zu Recht. Auch "Point Of View" (unfassbar, wie originär hier der Gitarrenklang rüberkam - eine Zeitreise!) und der Übersong "The Eleventh Hour" wurden überdurchschnittlich vom Volk gefeiert. Letztere Nummer war mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie sich Sänger Ray Alder längst seine idealen Live-Melodielinien zurechtgelegt hat. Er vermied die ganz hohen Stellen und investierte umso mehr in den Höhenlagen, die ihm inzwischen viel mehr liegen. Dafür sprang Basser Joey Vera ganz punktuell mit Backing Vocals ein und machte das Gesamtarrangement perfekt, wie bei "Life In Still Water": »... Blinded by (what we've become) ... When you're not (reaching anyone) ...«. Fünf gescreamte Wörter, für die sich Joey Vera beinahe zerreißen musste, brachten das gewisse Etwas.
Fates Warning Vom neuen Album waren außer "One Thousand Fires" noch zwei weitere Nummern im Programm, die besser ankamen als der Opener: das krachende "I Am" und "Firefly" - ein wahres Melodiewunder und vielleicht der Song mit der beeindruckendsten Gesangsleistung des Albums. Das kam auch live richtig gut rüber. Überhaupt war Ray Alder an diesem Abend in bestechender Form - und das ist er offenbar auch überhaupt, andernfalls hätte man als Schmankerl für die Old-School-Fanatiker wohl kaum "Silent Cries" ausgewählt.
Von "FWX" stand lediglich "Another Perfect Day" auf der Setlist. Dafür gab es eine große Portion "Disconnected" mit "One", dem überraschend auftauchenden "Pieces Of Me" sowie (als Zugabe) der Songwriting-Großtat "Still Remains" (ohne das lange Intro). Außerdem hatte die Band etwas mehr 'angenehmne Grautöne' auf Lager als zuletzt, nämlich gleich drei Parts. Außer dem kultigen Nackenbrecher "Part III" und "Part XI" - die beiden gab es auch beim letzten Mal zu hören - packte man noch "Part VI" aus. Was für ein Highlight! Wie aus dem atmosphärischen Beginn diese Bassline hervorgehen und aus dem Hintergrund ganz behutsam die Fates Warning Clean Gitarre immer präsenter wird - das live zu erleben, war schon ein Erlebnis. Und natürlich die 'Hilfe' für Ray Alder: »... and here we are, here we are.« Kurz später: die packendsten Minuten des Abends, dieser Chorus: »And I know we can't turn back all the years, time reflected in a shade of gray ...« - erneut mit Joey Veras Hilfe. Zum Weinen schön!
Fates Warning sind eben ein Erlebnis - so unscheinbar und zurückhalten und dabei so ergreifend. Das Feeling der Studioaufnahmen konnte die Band live aufs Neue toppen. Allein schon, Jim Matheos zuzugucken, wie er meist mit geschlossenen Augen spielte und genoss, war jede noch so weite Anreise wert. Seine Wechsel von dunklen Riffs zu atmosphärischen Clean-Arpeggien verursachten Gänsehaut. Und das Zusammenspiel der Band war bestechend - trotz des erneuten Wechsels im Live-Line-up. Bobby Jarzombek wächst zunehmend in die Band hinein; nur noch äußerst selten hatte man den Eindruck, er würde overplayen (bei "A Pleasant Shade Of Gray XI").
Fates Warning Jarzombek und Joey Vera hatten zusammen einen großartigen Groove - "Monument" ging da so richtig unter die Haut. Nur bei der Zugabe "Still Remains", da muss irgendwer versehentlich an den Bassregler gekommen sein; der Tieftöner lief am Ende etwas aus dem Rahmen. Aber außer an Details gab es am Ende nichts zu meckern. Die Show war klasse und die Stimmung bestens, wenngleich auch nicht ganz so elektrisiert wie beim Auftritt im März 2012 an gleicher Stelle. Das mag aber einfach daran liegen, dass das Fates-Volk hierzulande damals wesentlich ausgehungerter war. Der Aschaffenburger Konzertabend hat wieder mal gezeigt: Fates Warning setzen nach wie vor ihre eigenen Maßstäbe.
Danke an den Colos-Saal für die Akkreditierung!
Line-up:
Ray Alder (vocals)
Jim Matheos (guitar)
Joey Very (bass)
Bobby Jarzombek (drums)
Mike Abdow (guitar)
Tracklist
One Thousand Fires
Life In Still Water
One
A Pleasant Shade Of Gray III
Another Perfect Day
A Pleasant Shade Of Gray VI
Pieces Of Me
I Am
The Eleventh Hour
Point Of View
Firefly
Through Different Eyes
A Pleasant Shade Of Gray XI
Silent Cries
Monument

Encore:
Still Remains
Externe Links: